Protocol of the Session on January 30, 2002

Eine zweite Möglichkeit neben der Transferleistung ist natürlich das ganz große Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf; denn damit wollen wir es eigentlich schaffen, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wir wollen nämlich eine echte Wahlfreiheit für Frauen und Männer, ob sie sich sowohl der Erziehung als auch dem Beruf, nur der Erziehung oder nur dem Beruf widmen wollen. Ich denke, das wird für die kommenden Jahre auf allen Ebenen das zentrale Thema sein.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das hätten Sie schon angehen können! Sie sind schon lange in der Regierungsverantwortung hier in Baden-Württem- berg!)

Als Land haben wir da eine Aufgabe, in die wir jetzt mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren einsteigen.

Jetzt können Sie wieder über Zahlen sprechen; das wird ja immer heruntergeredet. Insgesamt sind 15 Millionen € eingestellt nicht nur für die Betreuung; das ist richtig. Aber auch wenn Kinder in der Schule betreut werden, hilft das für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ich halte es auch für richtig, dass wir die Mittel nicht dezidiert nur in eine Form der Kinderbetreuung geben, sondern auch da eine möglichst große Wahlfreiheit einräumen. Da ist uns natürlich auch die Betreuung bei Tageseltern ein wichtiger Baustein in dem Betreuungskonzept; ich hoffe, Ihnen allen auch.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Als Baustein, ja!)

Deswegen haben wir auch so hartnäckig versucht, den Landesverband der Tagesmütter noch ein bisschen zu stabilisieren; es ist ja auch gelungen. Wenn wir ab 2003 wesentlich mehr Geld zur Verfügung stellen und damit auch mehr Betreuungsverhältnisse begründen wollen, werden auch die Aufgaben dieses Verbandes wachsen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir haben begrün- det dargelegt, warum sie mehr Aufwand haben!)

Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das mit einem Konzept ab 2003 vollends hinkriegen.

Natürlich kann man immer sagen: Das ist uns alles zu wenig. Aber es ist ein erster Einstieg. Heute früh ist auch schon ich glaube, von Herrn Salomon gesagt worden, dass wir einmal auch im Bund über eine neue Aufgaben- und Finanzverteilung nachdenken müssen. Das ist klar. Denn es wird nicht mehr gehen, dass wir den Kommunen irgendwelche neuen Aufgaben übertragen, ohne ihnen dafür Geld zu geben. Deswegen wird es übrigens auch ohne oder gar gegen die Kommunen, ohne die Träger, ohne die Kirchen und ohne die freigemeinnützigen Träger keine Novellierung des Kindergartengesetzes geben.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Weckenmann?

Eigentlich nicht. Von wem?

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Ach, Herr Noll!)

Bitte schön, Frau Weckenmann.

Herr Noll, 800 Stuttgarter Elternpaare waren schon letztes Jahr auf der Warteliste für Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Für das Jahr 2002 ist auch nichts geplant. Können Sie mir sagen, was ich diesen Eltern als Gruß von Ihnen sagen soll?

(Abg. Alfred Haas CDU: Gehen Sie zum Herrn Schuster!)

Frau Weckenmann, deswegen war die Vorbemerkung so wichtig, dass die Kinderbetreuung per Gesetz so geregelt ist, dass dafür die kommunale Ebene zuständig ist; keine Frage. Die Kommunen haben das sollte man auch einmal sagen in der Vergangenheit im Kindergartenbereich auch bei den unter Dreijährigen und über die altersgemischten Gruppen eine Menge getan; Sie wissen das.

(Abg. Bebber SPD: Was soll sie jetzt sagen?)

Wir sind da beim Einstieg. Aber wir werden die Kommunen damit nicht alleine lassen.

Nun zu einem Thema, das sicher erhebliche finanzielle Konsequenzen haben wird es wurde zum Schluss schon angesprochen , nämlich zu der Frage: Wie geht es weiter mit den Hilfen für die älteren Menschen? Wir kennen alle die demographische und die gesellschaftliche Entwicklung. Möglicherweise bzw. sicher wird häufiger stationäre Hilfe benötigt.

Sie haben von 10 000 zusätzlichen Plätzen gesprochen. Dabei ist die Sanierung noch gar nicht genannt worden. Da haben Sie, glaube ich, gegenüber dem Kollegen Haas den Vorwurf der Lüge erhoben.

(Abg. Teßmer SPD: Der weiß doch gar nicht, was Wahrheit ist!)

Dazu sage ich einmal eines, Frau Haußmann: Wer sagt, wir könnten alles wie bisher linear fortschreiben, der lügt auch.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir haben ein soli- des Finanzierungskonzept vorgelegt, Herr Noll! Im Gegensatz zur Opposition im Bund haben wir ein solides Finanzierungskonzept!)

Denn es gibt eine Berechnung, wonach wir das Land und die Kommunen dann, wenn wir, sowohl was Neubauten als auch was Sanierung betrifft, in der bisherigen Objektförderung fortfahren, pro Jahr hören Sie zu! ca. 250 Millionen € brauchen, wenn man dieses Thema einmal ernsthaft angehen und den Investitionsstau absenken möchte.

Nun gibt es ja Alternativen, und ich rufe alle, auch die Kollegen von der CDU

(Zuruf von der CDU: Insbesondere!)

und auch die Beamten des Sozialministeriums, auf, darüber noch einmal nachzudenken. Denn es gibt Modellrechnungen, wonach wir bei einem Umstieg in die Subjektförderung einen ganz erheblichen Teil der Infrastruktur wesentlich kostengünstiger erstellen könnten. Deswegen bitte ich wirklich noch einmal darum, das als Hausaufgabe mitzunehmen.

Pflegefachkräfte sind das nächste Thema, das uns massiv beschäftigt. Auch da hat das Land seiner Pflicht insofern schon Genüge getan, als eine Imagekampagne versucht werden soll. Aber auch da müssen alle Ebenen ran. Ich kritisiere immer wieder, Frau Haußmann, dass man sich auf der Bundesebene sehr stark der Wehrstrukturreform usw. widmet, der Zivildienst eigentlich aber immer wieder ein stiefmütterliches Dasein fristet. Wenn uns dieser vollends wegbricht, werden wir uns überlegen müssen, wie wir junge Menschen überhaupt mit den Pflegefällen in Kontakt bringen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Fällt Ihnen zum Pflegenotstand nichts anderes ein, Herr Noll? Was soll das?)

Das ist nicht der einzige Punkt, aber es ist ein wichtiger Punkt. Deswegen freue ich mich, dass es gelungen ist, im Bereich des freiwilligen sozialen Jahres mehr Mittel einzustellen, weil wir eine höhere Nachfrage erwarten.

(Beifall des Abg. Reichardt CDU Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Letzter Punkt: Selbsthilfe. Wenn Sie hier so tun, als wäre die Selbsthilfelandschaft in Baden-Württemberg massiv bedroht, muss ich sagen: Erstens einmal sind noch immer nicht alle Krankenkassen ihren Verpflichtungen in umfassendem Maße nachgekommen.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Land zieht sich nicht zurück. Ich freue mich natürlich auch ganz besonders das sind immer die kleinen Erfolge , dass wir bei den Aids-Hilfen, die ja im weitesten Sinne

auch Selbsthilfegruppen beinhalten, die vorgesehenen Kürzungen zurücknehmen konnten. Auch da ist es nämlich wieder so: Wir haben ja manchmal, zum Beispiel beim BSE-Risiko, mit 100 Millionen DM kein Problem auf allen Ebenen.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Aber ich glaube, es war gut, dass wir bei einer Krankheit, die vom Risiko her nach wie vor nichts an Aktualität eingebüßt hat, 40 000 € geschafft haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Vor allem, wenn man sieht, wie sich die anderen Bundesländer bei der Aids-Hilfe finanziell engagieren!)

Wenn Sie nur deswegen, weil man bei den Geschäftsstellen die Mittel ein Stück weit zurückfährt, sagen, wir würden das bürgerschaftliche Engagement abbauen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sprechen Sie mal mit den Damen und Herren der Geschäftsstellen!)

dann haben Sie, glaube ich, noch nicht begriffen, dass bürgerschaftliches Engagement nicht im Ministerium, sondern vor Ort in den Kommunen stattfindet.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: In Sonntagsreden hoch gelobt von Ihrer Partei und von der CDU, und dann wird ganz tief in die Tasche gegriffen!)

Da ist vieles angeleiert worden. Das ist auch richtig so. Aber da kann man jetzt ein Stück weit zurückgehen.

Damit meine Kollegin, Frau Berroth, nachher noch Gelegenheit hat zu sprechen, möchte ich zum Schluss den Satz „Gute Wirtschaftspolitik ist eine gute Sozialpolitik“ noch einmal drehen und sagen: Eine gute Sozialpolitik ist natürlich auch gute Wirtschaftspolitik. Denn wenn wir hier im Land ein Klima der Fairness, Toleranz und Mitmenschlichkeit haben, dann ist das auch ein entscheidender Standortvorteil. Dazu rufe ich uns und Sie alle auf und bedanke mich bei allen, die sich intensiv daran beteiligen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

(Abg. Capezzuto SPD: Ulla, bis jetzt warst du die Beste! Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD Un- ruhe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Familienpolitik hat für uns Priorität. Das ist heute Morgen ja schon oft betont worden.