Protocol of the Session on December 13, 2001

Wir wollen aber auch, dass sich die Großräume in ihrem Entwicklungsbild entlang der Regionen und entsprechend ihres Potenzials gleichwertig entwickeln können. Deshalb ist die Region Stuttgart im Landesentwicklungsplan – und das begrüßen wir ausdrücklich – als europäische Metropolregion ausgewiesen. Dies ist ein Beschluss der Raumordnungsministerkonferenz aus dem Jahr 1995.

Wir wollen aber auch, dass entlang des Oberrheins der Raum Karlsruhe – Rhein-Neckar bis Freiburg im Sinne einer europäischen Metropolregion behandelt wird. Wir wollen dadurch eine gleichwertige Behandlung des Oberrheinraumes erreichen, um deutlich zu machen, dass dort ein interessantes wirtschaftliches und auch grenzüberschreitendes Entwicklungspotenzial vorhanden ist, und wir wollen damit auch zeigen, dass der Oberrheinraum im Sinne einer europäischen Union eine europäische Zentralität aufweist

(Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

und als Modell für die Zukunft gelten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: Factory-OutletCenter. Wir sind der Meinung, dass Factory-Outlet-Center vom Grundsatz her nur in Oberzentren möglich sein sollten. Man wird aber immer im Einzelfall prüfen müssen und wird dies auch mit dem Einzelhandelserlass entsprechend abstimmen müssen.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Dieser Landesentwicklungsplan wurde im Vergleich zum letzten Landesentwicklungsplan in weiten Teilen entschlackt; er ist eine gute Leit- und Orientierungslinie für das gesamte Land in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Wir haben allen Regionen ihre eigenen wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale eingeräumt und wollen auch ausdrücklich zusichern, dass die Regionen diese so wahrnehmen können.

Wir wollen darüber hinaus, dass dieser Entwicklungsplan gleichwertige Lebensverhältnisse innerhalb Baden-Württembergs ermöglicht. Dieser Entwicklungsplan ist keine formaljuristische verbindliche Vorgabe in dem Sinne, was die Ausgestaltung von Förderprogrammen angeht. Aber er ist natürlich eine Leitlinie für die Ausgestaltung und auch für die Inanspruchnahme von Förderprogrammen im Bereich der vorgesehenen Räume.

So weit in der ersten Runde. In der zweiten Runde wird gegebenenfalls mein Kollege Fleischer noch weitere Stellungnahmen abgeben.

(Beifall bei der CDU – Abg. Schmiedel SPD: Ge- gebenenfalls!)

Das Wort erhält Herr Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatssekretär! Wenn eine Landesregierung nach 17 Jahren den Entwicklungsplan für das Land neu auflegt und als Entwurf vorlegt, müsste das eigentlich eine große Debatte über wichtige Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven für das Land auslösen. Diese Debatte hat nicht stattgefunden und wird auch nicht stattfinden, denn der Entwurf, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, gibt das nicht her.

Ich möchte unsere Hauptkritik an vier Punkte festmachen.

Erster Punkt: Wenn man nach 17 Jahren herangeht und einen Landesentwicklungsplan neu schreibt, dann liegt es doch nahe, sich mit den Zielen und Ergebnissen des alten Landesentwicklungsplans zu beschäftigen und zu fragen: Welche Ziele wurden erreicht? Welche wurden nicht erreicht? Welche Instrumente sind tauglich? Welche müssen wir neu fassen?

Sie haben das nicht geleistet, sondern Ihr Ansatzpunkt war: „In diesen 17 Jahren hat sich die Welt verändert. Weil sich die Welt verändert hat, schreiben wir einen neuen Plan.“ Dann haben Sie beim Statistischen Landesamt abgefragt, wie sich die Welt verändert hat, und haben das zu einem so genannten Plan zusammengefasst.

Dies führt zum zweiten Kritikpunkt: Ihr Landesentwicklungsplan ist eigentlich kein Plan, sondern eine Status-quoBeschreibung, wie sich die Welt seit 1983 verändert hat.

(Abg. Moser SPD: Richtig!)

Sie verbinden damit aber nicht den Anspruch, einen Blick in die Zukunft zu werfen und zu sagen, wie Sie denn die Entwicklung in den nächsten 10, 15 oder 20 Jahren gestalten wollen, sondern Sie haben Entwicklungen aufgenommen und versuchen jetzt nachzuvollziehen, was in der Vergangenheit geschehen ist.

Lassen Sie mich das am Beispiel der Regionen deutlich machen. Natürlich ist es für jedermann erkennbar, dass Lebenszusammenhänge heute nicht mehr in den Gemeinden oder Landkreisen, sondern in den Regionen entstanden sind und dass Arbeiten, Wohnen und Freizeit regionale Angelegenheiten sind. Deshalb kommen Sie – zu Recht – zu einer Status-quo-Beschreibung, die besagt, dass Regionen wichtig geworden sind. Sie vermuten sogar – zu Recht –, dass Regionen in Zukunft noch wichtiger werden.

Da läge es doch nahe, die Frage zu stellen: Sind die Regionalverbände, die vor dreißig Jahren konzipiert wurden, heute noch richtig zugeschnitten? Ist es richtig, den Bodenseeraum in zwei Regionen aufzuspalten?

(Abg. Dr. Birk CDU: Kommen Sie doch mal zum Thema!)

Oder zum Beispiel die Metropolregion Stuttgart oder Städte am Oberrhein und deren Behandlung als Metropolregion: Ist es denn nicht notwendig, sich auch die Frage zu stellen, ob eine Metropolregion mit dieser Aufgabenstellung nicht auch einer anderen Organisationsform bedarf, als wir sie heute haben?

(Abg. Dr. Birk CDU: Es ist nicht Bestandteil des Landesentwicklungsplans!)

Das heißt, Sie trauen sich nicht einmal, die richtigen Fragen zu stellen. Der Grund dafür liegt nahe.

(Abg. Dr. Birk CDU: Ach was! Keine Legenden!)

Sie sind sich in der Koalition spinnefeind

(Abg. Fleischer CDU: Sie verfehlen im Augen- blick das Thema!)

über die Frage der Bedeutung der Regionen und der Notwendigkeit einer Verwaltungsreform. Weil Sie sich spinnefeind sind, sind Sie nicht handlungsfähig,

(Abg. Dr. Birk CDU: Sprechen Sie doch mal zum Landesentwicklungsplan! Sie sprechen am Thema vorbei! Nebelkerzen werfen Sie!)

und deshalb besteht dieser Entwurf aus Unterlassungen, aus mangelndem Mut zu Zukunftsentscheidungen. Daher kann er auch nicht die notwendige Debatte auslösen.

(Beifall bei der SPD)

Der dritte Vorwurf: Wenn man einen Blick in die Zukunft wirft, muss man natürlich erkennbare politische, gesellschaftliche, ökonomische und andere Entwicklungen aufnehmen und versuchen, sie für das Land zu beschreiben.

(Abg. Fleischer CDU: Wenn man faul war, rea- giert man so!)

Jetzt gibt es einen Energiekonsens. Er wird die Energielandschaft in der Bundesrepublik verändern, ob Sie das wollen oder nicht. Sie gehen in Ihrem Entwurf weiterhin davon aus, dass Kernkraft als fossile – im Sinne von alter – Energie auch in 10 oder 15 Jahren die tragende Säule sein wird. Sie unterlassen es, Merkposten dafür zur setzen, dass wir natürlich auch in der Energiepolitik umsteuern müssen, um auch ökonomische Impulse zu geben, damit dieses Zukunftsfeld der Wertschöpfung nicht an uns vorbeigeht.

Zweiter Punkt: Sie unterlassen es, eine neue Landwirtschaftspolitik, wie sie in Berlin formuliert und weiterentwickelt wird, auf das Land zu übertragen.

(Abg. Hoffmann CDU: Das hat mit dem Landes- entwicklungsplan gar nichts zu tun!)

Sie unterlassen es damit, den Akteuren in der Landwirtschaft Richtungen vorzugeben, innerhalb derer sie erfolgreich wirtschaften können. Deshalb werden Sie den Herausforderungen der Zukunft auch hier nicht gerecht.

Wenn das jetzt Reflexhandlungen auf Berliner Politik sind,

(Abg. Dr. Birk CDU: Ihr Antrag ist ein Reflex!)

weil Sie da fundamental-oppositionell eingestellt sind, dann hätten Sie doch mindestens erkennbare demographische Entwicklungen in Baden-Württemberg antizipieren müssen und in eine Entwicklungsvorstellung für das Land einarbeiten müssen.

(Abg. Fleischer CDU: Schweigen und Nachsitzen, Herr Schmiedel! – Abg. Hoffmann CDU: Der An- trag im Wirtschaftsausschuss war peinlich, Herr Schmiedel! Das können Sie nicht wieder gutma- chen!)

Dass Sie das selber als Kritik formulieren, dass Sie selber als Koalitionsfraktionen dem Wirtschaftsministerium den Auftrag geben, wenigstens die demographische Entwicklung zu antizipieren, zeigt ja, dass Sie dieses Manko erkannt haben, und dieses Manko ist im Grunde genommen eine schallende Ohrfeige für die Regierung, die Sie tragen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hoffmann CDU: Nein, für die Opposition, die sich mit dem Thema zu we- nig beschäftigt!)

Dies führt zum vierten Kritikpunkt. Sie haben einen ganz einfachen Anspruch an diesen Landesentwicklungsplan, und der lautet: Wir beschreiben raumordnerische Kategorien,

(Abg. Dr. Birk CDU: Das ist Aufgabe des Landes- entwicklungsplans! Das steht im Gesetz!)

wir legen hier zentrale und weniger zentrale Orte und Entwicklungsachsen fest. Sie haben nicht den Anspruch, dass dieser Landesentwicklungsplan, was eigentlich seine Aufgabe wäre, so etwas wie ein Dach bildet, unter dem fachliche Entwicklungspläne des Landes einzuordnen sind.

Deshalb findet auch keine Abstimmung statt, zum Beispiel mit dem Umweltplan des Landes, zum Beispiel mit dem Generalverkehrsplan des Landes, zum Beispiel mit Konzeptionen für die Entwicklung des ländlichen Raums.

(Abg. Dr. Birk CDU: Das ist Aufgabe der Fach- planung! – Abg. Hoffmann CDU: Sie haben nichts begriffen!)

Deshalb findet auch keine Debatte in den anderen betroffenen Ausschüssen im Landtag statt, was eigentlich notwendig wäre. Deshalb findet überhaupt keine große Debatte statt. Deshalb machen Sie hier einen Schweinsgalopp bei der Behandlung dieses Papiers, nachdem es zwei Jahre in den Schubladen des Ministeriums gelegen hat.

(Abg. Hoffmann CDU: Über Zusammenhänge, die nicht bestehen, kann man nicht debattieren!)