le zitiert; die Verdoppelung, die hier angesprochen wird, ist gar nicht Ziel der Europäischen Union.
Sie haben immer Mut, wenn es um Straßenbau geht. Dann sind Sie der baden-württembergische Löwe: 422 Projekte melden Sie beim Bund für den Bundesverkehrswegeplan an. Wenn es um die Schiene geht, haben Sie den Mut eines hohenlohischen Zwergkaninchens
Reden Sie sich nicht immer heraus, tun Sie das, was Ihnen in Ihrer Kompetenz möglich ist, um die richtigen Ziele und Forderungen dieses EU-Weißbuchs in naher Zukunft zu verwirklichen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kenne das hohenlohische Zwergkaninchen nicht, Herr Kollege Palmer, obwohl ich in Schwäbisch Hall geboren bin.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es heißt Walter! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist wahr- scheinlich ein Genprodukt!)
Falls es aber so sein sollte, dass dieses Kaninchen tatsächlich besonders furchtsam ist, dann muss ich sagen, dass sich die Bundesregierung vor unseren Wünschen im Schienenverkehr eigentlich nicht fürchten müsste.
Das Problem ist, dass diese neun Projekte so viel kosten wie die Vorhaben im Straßenbau. Die Erweiterung um ein drittes und viertes Gleis am Oberrhein ist ein 6-MilliardenDM-Projekt; Stuttgart – Ulm ist ein 8-Milliarden-DM-Projekt, zusammen mit Stuttgart 21. Schon mit diesen zwei Projekten sind wir bei 14 Milliarden DM. Dafür kann man relativ viele Straßen bauen. Mit den anderen Projekten ist es genauso.
Ich würde mich freuen, wenn unsere Wünsche im Schienenverkehr befriedigt würden. Dafür können wir uns gerne Seite an Seite bei der Bundesregierung einsetzen.
Meine Damen und Herren, wir wollen in aller Kürze über dieses europäische Weißbuch sprechen, das eine gewisse Aktualität hat, weil es Ende dieses Jahres sowohl in Bundesrat als auch im EU-Rat Verkehr besprochen und behandelt werden soll.
Mir ist eines aufgefallen: Was die Zielsetzungen anbelangt, berufen sich alle darauf, dass sie schon immer das gesagt hätten, was in diesem Weißbuch steht. In gewisser Weise stimmt das, weil sich jeder natürlich den passenden Teil heraussucht. Die Bundesregierung behauptet das von sich, das könnten wir mit Blick auf den Generalverkehrsplan auch sagen. Die Grünen sagen, das sei alles ein Beleg für das, was sie schon immer gefordert hätten. Bis zu einem gewissen Punkt stimmt das. Das stimmt mich aber skeptisch; denn Ziele, auf die sich alle berufen, sind vielleicht so abstrakt, dass sie zum Schluss nichts mehr hergeben. Das könnte das Problem bei dieser Geschichte sein. Im Übrigen findet vielleicht auch eine etwas einseitige, selektive Wahrnehmung statt: Man liest halt gerade das heraus, was einen besonders interessiert.
Ich nenne einmal ein paar Ziele, die gut klingen und die sich gut lesen. Wenn man aber die Realität anschaut, muss man sagen, dass wir davon natürlich weit entfernt sind. Man kann die Ziele trotzdem formulieren: Allmähliche Entkopplung des Verkehrswachstums vom Wirtschaftswachstum – prima. Allmähliche Entkopplung des Wachstums der Verkehrsleistungen von den Fahrleistungen – prima. Stabilisierung des Straßenverkehrsanteils – alles wunderschön. Nur ging die Entwicklung in den letzten 10, 20, 30 Jahren in allen Ländern dieser Erde, natürlich auch in Europa, Deutschland und Baden-Württemberg, genau in die andere Richtung.
Halbierung der Zahl der Verkehrstoten – einverstanden. In der Bundesrepublik haben wir das übrigens schon erreicht, aber wir sollten mit dem Halbieren fortfahren; denn in der Verkehrssicherheit können wir gar nicht mutig genug sein.
So ehrgeizig die Ziele sind, so problematisch sind die Instrumente. Das sieht man, wenn man in das Weißbuch schaut, und das sieht man, wenn man sich überlegt: Verkehrspolitik ist immer noch in einem hohen Maße eine nationale, eine regionale und eine lokale Angelegenheit. Jeder von uns kennt die lokalen Verkehrsthemen, Verkehrsprobleme, Verkehrsprojekte und Verkehrskonflikte. Daher bin ich etwas skeptisch, ob die Harmonisierung auf europäischer Ebene gelingt. Im Übrigen: Für die meisten Menschen ist Verkehrspolitik immer noch ganz simpel Infrastrukturpolitik. Das heißt, es geht um Geld. Solange die Geldfrage nicht geklärt ist, kann ich mir natürlich vieles sparen und vieles schenken, was ich an Zielen formuliere.
Das waren jetzt relativ kritische Bemerkungen. Nichtsdestoweniger ist es gut, dass es dieses Weißbuch gibt, unter anderem übrigens deswegen, weil es eine bemerkenswerte Auflistung von Defiziten und von Problemen bietet.
Das ist übrigens ein Werk, das mit einer gewissen feinen Ironie geschrieben ist. Ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist. Da heißt es beispielsweise: Der durchschnittliche europäische Güterverkehrszug hat das gleiche Tempo wie ein Eisbrecher in der Ostsee – vorausgesetzt, sie ist vereist –, nämlich 18 Stundenkilometer. Oder an einer anderen
Stelle heißt es: Das Möbelhaus IKEA will in den Schienenund Güterverkehr einsteigen, und es hätte alle Chancen, zum größten Schienengüterverkehrsunternehmen Europas zu werden, wenn es den Schienengüterverkehrsanteil so erhöhen würde, wie es das vorhat. Es werden die Unterschiede in den einzelnen Eisenbahngesellschaften beschrieben usw. usf. Ich finde es gut, wenn man eine Analyse der Probleme macht. Dann weiß man auch, wo man anzusetzen hat.
Was die Instrumente anbelangt: Nehmen wir einmal das heikle Instrument der Abgabenpolitik: Verkehr finanziert Verkehr, bzw. die Verkehrsnutzer sollen in irgendeiner Weise zur Infrastrukturfinanzierung, zur Bezahlung der Straße oder der Schiene beitragen – pauschal ein ganz interessanter Gedanke. Ich komme an sich immer noch von einer anderen Grundüberlegung her: Verkehrsinfrastruktur ist ein öffentliches Gut und soll deswegen durch öffentliche Mittel, sprich durch Steuern, finanziert werden. Wenn man nämlich genauer hinschaut, dann stellt man sehr schnell fest: Da beginnt es mit den Tücken.
Da heißt es zunächst einmal: europäische Grundsätze der Tarifierung für Infrastrukturnutzung. Das ist dann gut, wenn man darunter Harmonisierung der verschiedenen Bedingungen in Europa versteht. Das ist sehr sinnvoll. Wir vonseiten der Europäischen Union warten darauf – übrigens wartet auch die Bundesregierung darauf –, dass wir zu einer Harmonisierung der Anlastung von entsprechenden Straßengebühren und den sonstigen Kosten, denen der gewerbliche Verkehr ausgesetzt ist, kommen. Nur: In Deutschland will kein Mensch – ich weiß nicht, wie es bei den Grünen ausschaut, da möglicherweise schon – –
CDU, SPD und FDP wollen jedenfalls beispielsweise die Infrastrukturnutzung durch den Pkw nicht. Ich weiß nicht, ob das die Grünen wollen; das kann ich jetzt nicht überblicken. Aber wenn man sich jetzt hinstellt und sagt: „Wir wollen, dass in Zukunft der Verkehrsnutzer die Straßen bezahlt“, und dann feststellt, dass die politischen Kräfte, die 90 bis 95 % – wir nähern uns langsam den 95 % – des politischen Spektrums in der Bundesrepublik abdecken, genau das nicht wollen,
dann ist es natürlich schon ganz witzig, wenn man sagt, die Europäische Union wolle das, und alle das dann gut finden.
Querfinanzierung umweltfreundlicher Verkehrsträger durch Abgaben des Straßengüterverkehrs: Das ist ja das, was wir bei der Lkw-Autobahnmaut nun bekommen wer
den. Die Bundesregierung hat gesagt, die Maut solle nicht nur in den Straßenbau gehen. Wir haben im Unterschied zu manch anderen Ländern gesagt: Jawohl, es soll nicht nur in den Straßenbau gehen. Das halten wir für völlig richtig. Aber wir haben auch dazu gesagt, und da kann man sich jetzt nicht auf die Europäische Union berufen: Wenn man eine Abgabe einführt, dann muss sie zu 100 % der Verkehrsfinanzierung dienen. Davon darf nicht etwas an den Bundesfinanzminister abgeführt werden. Das wäre eben der Fehler.
Im Luftverkehr Einführung der Kerosinsteuer: Ich würde sie wirklich auf europäischer Ebene einführen, nicht auf weltweiter Ebene; sonst müssen wir da ewig warten. Das ist sicher eine gute Sache.
So viel einmal bloß zum Geld. In dem Moment, wenn es konkret wird, wenn man von Mark und Pfennig spricht und davon, wer es zahlen soll und wofür er es zahlen soll, fangen natürlich die Streitfragen an. Ich bin mir ziemlich sicher: Ob das Weißbuch so oder so ausschaut, die Diskussion wird in Deutschland unabhängig von der WeißbuchDiskussion geführt werden.
Transeuropäische Netze: eine gute Sache. Es freut mich vor allem, dass da in der Tat die Strecke Paris – Stuttgart – Wien jetzt mit aufgenommen ist. Man kann die Bundesregierung nur herzlich bitten, dass sie die Projekte, die als transeuropäische anerkannt worden sind, tatsächlich auch bei der Europäischen Union anmeldet und wir dann Geld für diese Projekte bekommen. Denn wenn das in dem Buch drinsteht, dann ist es ganz nett. Aber wenn uns die Chance geboten wird, dass das auch mitfinanziert wird – übrigens mit einem erhöhten Anteil: früher 10 %, jetzt 20 %; bei einem Milliardenvolumen ist das ja schon etwas –,
dann kann ich nur sagen: Liebe Bundesregierung, tu das! Wir haben übrigens bei den Bundesfernstraßen, die auch zu den transeuropäischen Netzen gehören, dasselbe von der Bundesregierung gefordert. Ich habe noch nie eine Antwort vonseiten des Bundesverkehrsministeriums bekommen.
Wer sich also über die transeuropäischen Netze freut, der sollte auch etwas dazu beitragen, dass wir davon profitieren. Das liegt beim Bund. Es liegt leider nicht beim Land. Wir haben den Bund dazu aufgefordert.
Skeptisch bin ich bei anderen Maßnahmen, die zur Umsetzung dieser Ziele angeboten werden. Ich nenne einmal die getrennten Netze für den Güter- und den Personenverkehr im Schienenbereich. Wir wären froh, wenn wir die Gesamtkapazität insgesamt erhöhen könnten.
Oder: Der Güterverkehr soll zu bestimmten Tageszeiten Vorrang gegenüber anderen Verkehrsträgern auf der Schiene haben, also gegenüber Nahverkehr und Personenfernverkehr. Das halte ich schon für ziemlich problematisch.
Oder auch die Einrichtung von Hochgeschwindigkeitsseewegen. Das sind schon bemerkenswerte Instrumente. Ich weiß nicht, wie das realisiert werden soll.