Protocol of the Session on October 25, 2001

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis zum 11. September haben wir das Problem der fliegenden Bombe, wie es mein Kollege Caroli gesagt hat, für unvorstellbar gehalten. Seither können wir diese Möglichkeit nicht mehr ausschließen. Dies stellt uns natürlich vor sehr weit reichende Fragestellungen, wie es mit unseren Kernkraftwerken weitergehen soll. Aber ich stelle bereits an dieser Stelle einmal fest: Auf keine der Fragen, die meine beiden Vorredner ausnahmslos berechtigt aufgeworfen haben, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt auch nur eine einzige feststehende Antwort.

(Zurufe: Abschalten!)

Ich komme auf das Abschalten.

Deswegen sind wir heute und morgen, ohne dass wir auch nur halbwegs gesicherte Antworten auf diese ganz ernsten Fragen haben, nicht bereit, zu sagen: Wir stellen jetzt einmal vorläufig ab.

Ich möchte ein paar Gründe nennen, warum wir nicht bereit sind, vorläufig abzustellen:

Erstens: Nicht einmal der atomkritischste Politiker, den es in Deutschland gibt, der derzeitige Bundesumweltminister Trittin, hat bisher diese Forderung erhoben.

Zweitens: Auch die SPD hat diese Forderung nicht erhoben. Wenn Sie sich die beiden Anträge, über die wir jetzt sprechen, einmal vor Augen führen, sehen Sie, dass es wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Anträgen

gibt. Ich kann mich fast vollständig mit dem einverstanden erklären, was im SPD-Antrag gefragt wird und was da Beschlussteil ist.

(Abg. Capezzuto SPD: Gut!)

Aber ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, dass ohne eine Antwort von vornherein Konsequenzen gezogen werden, die nur meiner Meinung dienen und meine Meinung unterstützen: Kernkraft ist vom Übel und alles wird herangezogen, was dieses Übel unterstützt, ob es nun eine gesicherte Antwort ist oder nicht.

Also weder Trittin noch die SPD fordern das sofortige Abstellen.

Jetzt kommt das Dritte: Wo bleiben denn die Brennelemente, wenn ich heute abstelle? Wo bleiben die Brennelemente?

Nächste Frage: Wo kommt der Strom her?

(Zurufe von der SPD)

In der ganzen Diskussion verstehe ich überhaupt nicht, dass wir als die Glaubenstreuesten abstellen und dann morgen den Strom von Kernkraftwerken beziehen, die viel unsicherer sind als unsere.

(Beifall bei der CDU und auf der Zuhörertribüne – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Dann müssen Sie endlich Ihren Widerstand gegen die Windräder aufgeben, Herr Scheuermann!)

Letztlich, meine Damen und Herren, würden sich die Terroristen am meisten ins Fäustchen lachen, weil sie bei uns die Welt in Unordnung gebracht hätten, ohne bei uns auch nur einen kleinen Finger gerührt zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Lieber Herr Witzel, jetzt rächt sich, dass Sie unsere zentralen Zwischenlager stillgelegt haben.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Jetzt rächt es sich, dass Sie Ihre Hand gereicht und durchgesetzt haben, dass Brennelemente in Castoren auf dem Hof unserer Kernkraftwerke stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Wenn Sie schon von Sicherheitsrisiken sprechen: Diese Castoren, die praktisch im Freien in den Kernkraftwerken stehen, weil Sie die zentralen Zwischenlager stillgelegt haben,

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

sind das größte Sicherheitsrisiko.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Immerhin brauchen wir noch fünf bis zehn Jahre, bis wir die lokalen Zwischenlager überhaupt gebrauchen können. Wem es wirklich um die Sicherheit zu tun ist, der soll morgen Gorleben und Ahaus wieder aufmachen, damit wir das, was heute auf dem Hof steht, wenigstens sicher ablagern können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt: Es stellen sich ganz ernste Fragen. Dazu bekennen wir uns. Wir bekennen uns dazu, dass diese Fragen so nachhaltig wie nur möglich untersucht werden, damit wir auf diese Fragen schlüssigere Antworten erhalten, als wir heute geben können. Die wichtigsten Fragen möchte ich stichwortartig nennen.

Wenigstens unsere neueren Kernkraftwerke haben einen Schutz vor dem Absturz eines Phantomjägers. Frage: Ist damit das Schutzlimit erreicht, oder gibt es noch eine Sicherheit, die darüber hinausgeht? Ich will mich nicht auf die Sicherheit berufen, aber man darf doch wenigstens fragen, und man muss das doch wissen.

Nächste Frage: Was muss erfüllt werden, um einen größeren Schutz herbeizuführen, und was kostet das? Hat so eine Investition im Blick auf die jetzt festgelegten Laufzeiten unserer Atomkraftwerke überhaupt noch einen vernünftigen wirtschaftlichen Sinn?

Drittens: Es muss besser als heute untersucht werden, ob wir über stärkere Sicherheitsmaßnahmen beim Luftverkehr das Risiko der fliegenden Bombe nachhaltig minimieren können.

Nächstens: Wir brauchen sicherlich einen besseren Schutz dieser lokalen Zwischenlager, als wir bisher angenommen haben.

Und vielleicht das Leichteste – aber wir dürfen das überhaupt nicht außer Acht lassen –: Wir brauchen wahrscheinlich auch einen nachhaltigeren Schutz vor terroristischen Maßnahmen vom Boden aus und aus einer Anlage heraus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ernste Fragen stellen sich. Antworten, die belastbar sind, haben wir bis heute nicht.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Abschalten!)

Deswegen verschließt sich die CDU vorschnellen Konsequenzen, sie möchte aber alles tun, dass wir so schnell wie möglich belastbare Antworten auf die Fragen bekommen, die uns alle gemeinsam ohne Unterschied berühren. Wir von der CDU sind dafür, dass wir diese Anträge zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überweisen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eines vorweg: Dieses Thema gehört eigentlich nicht öffentlich behandelt. Denn mit jeder öffentlichen Debatte wird die Gefahr für die Sicherheit ein Stück größer, weil man damit potenzielle Täter wieder einmal auf Möglichkeiten hinweist.

(Abg. Fischer SPD: Sie wissen gar nicht, was die fertig bringen!)

Außerdem hat der Verband der Elektrizitätswirtschaft nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass es keinen Sinn macht, wenn man Panik verbreitet und gleichzeitig keine Lösungen hat.

(Beifall bei der FDP/DVP)

In derselben Pressemitteilung ist übrigens erwähnt, Herr Dr. Witzel, dass sich führende Grüne gegen die Forderung nach sofortiger Stilllegung gewandt haben; Frau Hustedt und Herr Özdemir sind als Beispiele genannt. Vielleicht unterhalten Sie sich mit denen einmal.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Nicht gegen die dauer- hafte, gegen die vorläufige Stilllegung!)

Weil dies nicht öffentlich behandelt gehört, haben wir am 11. Oktober einen Bericht des Ministers für Umwelt und Verkehr im zuständigen Ausschuss in nichtöffentlicher Sitzung behandelt. Die dort ausgetauschten Argumente und Informationen will ich hier gar nicht wiederholen. Es ist übrigens interessant, dass der Antrag der SPD nach dieser Sitzung eingereicht wurde.

Ein Zweites ist zu bemerken: Die Konzentration auf Kernkraftwerke in den beiden vorgelegten Anträgen ist aus meiner Sicht zu kurz gesprungen. Sie zeigt ganz deutlich, dass es ein eindeutig ideologischer Hintergrund ist, der Sie dazu gebracht hat, die Anträge einzureichen.