Protocol of the Session on October 25, 2001

Deshalb meine ich nach wie vor: Bitte lösen Sie sich von dieser Ideologie im Bereich der Suchtpolitik. Lassen Sie uns gemeinsam den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Stimmen Sie unserem Antrag zu, einen Modellversuch zu starten, um diesen Langzeitabhängigen, diesen Schwerstabhängigen zu helfen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie haben doch gerade gesagt, es gibt schon alles!)

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Kollege Glück, ich habe mir schon bei der Vorbereitung meiner Rede vorgestellt, dass Ihre Klagen über die Beziehungskiste mit der CDU-Fraktion kommen werden.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Keine Klagen, eine Feststellung!)

Auch Ihre Pirouette, die Sie jetzt wieder vollführt haben, konnte ich mir schon vorstellen. Deshalb habe ich mir einmal die Mühe gemacht, die Liste der leeren Versprechungen der FDP/DVP zur Suchtpolitik zusammenzustellen.

Bereits 1996 hat die SPD im Landtag beantragt, dass wissenschaftlich begleitete Erprobungsmodelle staatlich kontrollierter ärztlicher Heroinverschreibung unter sozial- und psychotherapeutischer Begleitung ermöglicht werden und die Rechtmäßigkeit von Konsum- und Gesundheitsräumen durch entsprechende Vorschriften in den Betäubungsmittelgesetzen ermöglicht wird; vgl. Drucksache 12/115.

Am 26. September 1996 führte die FDP/DVP im Sozialausschuss zu diesem Antrag aus – ich zitiere –:

Die Position der FDP/DVP liege inhaltlich nicht weit von dem entfernt, was die Antragsteller forderten. Die aufgegriffene Angelegenheit sei der FDP/DVP wichtig, stelle für sie jedoch keinen Anlass dar, sich gleich in der zweiten Ausschusssitzung von ihrem Koalitionspartner CDU spalten zu lassen. Die FDP/DVP wünsche sich genügend Zeit, um mit der CDU darüber beraten zu können, was sich gemeinsam tragen lasse.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Wissen Sie auch et- was Neues? – Abg. Pfister FDP/DVP: Alles rich- tig!)

Anstatt sich mit der CDU zu beraten, Herr Dr. Glück, stritt die FDP/DVP aber zunächst selber. Im März 1997 machte ein Streit zwischen FDP/DVP-Justizminister Goll und der Landtagsfraktion Schlagzeilen.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Was?)

Sie wissen es schon gar nicht mehr. Sie sind Weltmeister im Verdrängen. – Goll lehnte die Einrichtung von Drogenkonsumräumen im Gegensatz zur Haltung seiner Fraktion ab; vgl. „Südwest Presse“ vom 4. März 1997.

Im Herbst 1997 brachte die SPD erneut einen Antrag mit derselben Zielrichtung ein.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Zitieren Sie alles? Sind das alles Zitate?)

Im Frühjahr 1998 wurde dieser Antrag im Plenum beraten. CDU und FDP/DVP lehnten den Antrag wiederum ab.

(Abg. Alfred Haas CDU: Eine gute Entscheidung!)

Der suchtpolitische Sprecher der FDP/DVP, Dr. Horst Glück, gab zum Abstimmungsverhalten folgende Erklärung ab:

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: So schön hat noch niemand meinen Namen ausgesprochen! – Abg. Alfred Haas CDU: Es wäre besser, Sie würden mal etwas zur Drogenpolitik der SPD sagen!)

Ich habe gegen den Antrag der SPD gestimmt, und zwar nicht, weil ich inhaltlich so sehr davon entfernt wäre, sondern deshalb, weil ich zutiefst bedaure, dass heute zur Unzeit diskutiert worden ist und wir der Sache Schaden zufügen. Im Übrigen gebe ich diese Erklärung in gleicher Weise auch für eine Reihe meiner Fraktionskollegen ab.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Daran hat sich nichts ge- ändert!)

So im Plenarprotokoll nachzulesen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Haußmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Glück?

Ich will Herrn Dr. Glück gerade noch einmal diese Liste der leeren FDP/DVP-Versprechungen aufs Auge drücken. Anschließend können wir uns gern unterhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

1998 beantragte die SPD erneut, dass das Land sich an einem Modellversuch zur heroingestützten Behandlung von Suchtkranken, die mit den bisherigen Hilfemaßnahmen nicht oder nicht erfolgreich behandelt werden konnten, beteiligen solle. Die baden-württembergischen Städte, die Interesse an der Beteiligung an einem solchen Modellversuch signalisiert hatten, sollten unterstützt werden, indem das Land sich an den Kosten eines solchen Modellprojekts beteiligt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nullverschuldung!)

Ich zitiere aus dem Bericht über die Beratung des Antrags Drucksache 12/3873:

Ein FDP/DVP-Abgeordneter erklärte, der Einsatz von Heroin in der Überlebenshilfe für Suchtkranke werde zwar in der Stellungnahme des Sozialministeriums noch keineswegs so dargestellt, wie er sich dies wünschen würde, aber... er sei der Meinung, dass hier ein riesiger Fortschritt zu verzeichnen sei. Denn bis vor kurzem sei Heroin noch ein Non-Wort gewesen,

(Zurufe von der SPD: Oh! – Abg. Dr. Glück FDP/ DVP: Stimmt!)

und nun schreibe der Sozialminister immerhin, dass Heroin zur Therapie, wenn auch nur im stationären Bereich, eingesetzt werden könne.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Das war ein Quanten- sprung!)

Diesmal enthielt sich die FDP/DVP nicht mehr der Stimme, sondern stimmte mit der CDU gegen den Antrag. Die von der FDP/DVP angesprochene und von der CDU bewusst als Ablenkung ins Spiel gebrachte stationäre Therapie-Alternative entpuppte sich auch bald als Rohrkrepierer. Das Sozialministerium musste im Sommer 2000 einräumen, dass keine Klinik entsprechende Konzeptionen oder Anträge vorgelegt hatte.

Dann tönte noch Herr Döring 1998 öffentlich in der Zeitung, die Drogenpolitik müsse ins Kabinett. – Dieses Trauerspiel ließe sich unendlich fortführen.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/ DVP:

(Minister Dr. Döring: Ich bin gerade noch recht- zeitig gekommen, Frau Haußmann! Wann war das noch einmal?)

Schon 1998, Herr Wirtschaftsminister. Ich kann Ihnen nachher den Presseausschnitt geben.

Wenn Sie schon das Gefühl haben, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner keine Fortschritte in eine moderne Suchtpolitik machen können, dann gehen Sie diesen Weg heute mit uns. Die Mehrheit dazu haben wir mit Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Das würde Ihnen so passen!)

Frau Haußmann, Sie haben angekündigt, nach Ihren Zitaten Herrn Glück die Möglichkeit einer Nachfrage zu geben, nachdem die Redezeit abgelaufen ist.

Frau Haußmann, Ihre langen Aufzählungen beweisen doch eigentlich, wie unnötig die heutige Debatte ist, weil die Spielregeln die gleichen sind.

(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Die Voraussetzungen sind noch ganz genau dieselben. Dann muss ich wieder zu dem kommen, was ich eingangs sagte. Sind Sie sich darüber im Klaren

(Zurufe: Frage!)

ich habe es gerade noch rechtzeitig eingebracht –: The same procedure as every year? Ihr solltet meinen Nachsatz berücksichtigen: Gebt dem Koalitionspartner einmal ein bisschen Zeit zum Nachdenken.

Ich bin mir darüber sehr wohl im Klaren. Ich frage mich, wie lange die FDP/DVP noch Zeit braucht.

(Abg. Pfister und Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Wir brauchen keine Zeit!)