Protocol of the Session on February 22, 2006

Meine Damen und Herren, das muss geändert werden. Hier müssen wir Geld in die Hand nehmen, damit die Züge auch tatsächlich alle Gäste aufnehmen können. Frau Gurr-Hirsch, es zeigt sich hier wieder, wie notwendig es ist, gegen die Pläne in Berlin anzugehen, die ÖPNV-Mittel zu kürzen. Ich fordere an dieser Stelle auch Sie, Herr Pfister, auf, als Wirtschaftsminister und Vertreter des Tourismus in Berlin vorstellig zu werden, damit das KONUS-Projekt weitergeführt werden kann.

(Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Meine Damen und Herren, leider gibt es aber auch negative Beispiele hier im Land, die im Gegensatz zu dem Leitbild des umweltverträglichen Tourismus stehen. Ich darf an die Skihalle in Sasbachwalden erinnern, eine Indoor-Skihalle. Weil der Schnee immer öfter ausbleibt, wollte man da in der Halle Ski fahren, wodurch sich aufgrund des hohen Energieverbrauchs wiederum der Klimaeffekt verstärkt hätte. Es war leider so, dass hier im Haus alle Fraktionen bis auf uns Grüne an diesem Projekt festgehalten haben.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Fraktionen waren es, einzelne Abgeordnete vielleicht nicht. – Es gab dann Bürgerinitiativen vor Ort, es gab Grüne und glücklicherweise auch vernünftige Menschen im Ministerium, die dieses Projekt letztendlich zu Fall gebracht haben. Aber schon die Diskussion um dieses Projekt hat Kratzer am ökologischen und umweltverträglichen Tourismus Baden-Württembergs hinterlassen.

Meine Damen und Herren, jetzt kommt ein zweites Projekt auf die Tagesordnung. Das ist das Parkhaus am Feldberg.

Mit Landesmitteln – die Gemeinde möchte 3 Millionen € Zuschuss haben – soll dort oben ein Parkhaus mit 1 500 Stellplätzen gebaut werden. Finanziert werden soll das über die Liftkarten, die von Autofahrern, aber auch von ÖPNVTouristen bezahlt werden. Meine Damen und Herren, das ist kein umweltverträglicher Tourismus. Da werden die falschen Signale gesetzt. Herr Pfister, ich fordere Sie auf, hier an dieser Stelle klar zu sagen, was Sie von den Plänen für ein Parkhaus am Feldberg halten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Thema dieser Debatte lautet: „Das Tourismusland Baden-Württemberg stärken“. Unser Beitrag dazu lässt sich so zusammenfassen: Wir treten für einen umweltorientierten, für einen nachhaltigen Tourismus ein, der in der Lage ist, Natur zu vermarkten, ohne sie zu zerstören. Nur dann sind die Leute bereit, hier bei uns Geld auszugeben und damit den Tourismus im Land zu stärken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Wirtschaftsminister Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für vernünftig und richtig, auch am Ende einer Legislaturperiode eine kritische Bilanz über ein Thema zu ziehen, das ja für das Land Baden-Württemberg erhebliche Bedeutung hat.

Ich bin zunächst einmal auch dafür dankbar, dass bei allen Nuancen, die durchgeschimmert sind, im Grunde alle Sprecher den hohen Stellenwert des Tourismus für unser Land Baden-Württemberg bekundet haben. Die Zahlen sind genannt worden. Es geht um 200 000 Arbeitsplätze und mehr, die an dieser Tourismuswirtschaft hängen. Das hat übrigens auch viel mit dem Thema Mehrwertsteuer zu tun, auf die ich gleich noch kommen werde.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich kann nur jedem sagen: Wer will, dass diese 200 000 Arbeitsplätze in der Zukunft gesichert und vielleicht sogar ausgebaut werden, wer will, dass wir Vorfahrt für Arbeit haben, sollte mit dem Instrument der Mehrwertsteuererhöhung außerordentlich vorsichtig umgehen,

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Witzel GRÜNE)

denn Mehrwertsteuererhöhung ist Vorfahrt für mehr Schwarzarbeit. Das ist aber etwas, was wir nicht brauchen können.

Wir haben zusammen mit Bayern einen Spitzenplatz in der Tourismuswirtschaft. Das ist unbestritten. Darüber können wir uns freuen. Wir haben innerhalb der Tourismuswirtschaft eine besondere Spezialität, nämlich die Heilbäder, 57 höher prädikatisierte Heilbäder, die für unser Land besonders wichtig sind, weil sie ganz gezielt Nachfrage in die ländlichen Räume hineinbringen und weil allein aus der Heilbäderwirtschaft, aus dem Kurortewesen fast 40 % der

(Minister Pfister)

Übernachtungen insgesamt resultieren. Wenn man dann noch hinzufügen darf – das ist noch nicht gesagt worden –, dass Baden-Württemberg auch in der Spitzengastronomie das Land der Sterne ist, also das Land, das die meisten Spitzenrestaurants, die meisten Sternerestaurants hat, dann rundet das dieses Bild ab.

Ich bin auch froh darüber, dass ein Blick auf das abgelaufene Jahr 2005 durchaus zeigt, dass die Delle aus den vergangenen Jahren, von der Herr Kollege Hoffmann gesprochen hat, jetzt jedenfalls zum Teil wieder ausgeglichen werden konnte. Das sieht man daran, dass wir Ende des Jahres 2005 zum ersten Mal seit einigen Jahren wieder die 40-Millionen-Grenze bei der Zahl der Übernachtungen überschritten haben. Wir waren einige Zeit darunter. Wir sind jetzt wieder darüber.

Besonders freut mich – das sagt auch etwas über die Attraktivität des Tourismusstandorts Baden-Württemberg aus –, dass die Anzahl der Ausländer, die nach Baden-Württemberg kommen, um hier Urlaub zu machen, um unser Land zu besuchen, noch nie so hoch war, wie es im Augenblick mit 16 % der Fall ist.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das liegt aber nicht am Wirtschaftsminister!)

Wer auch immer dafür verantwortlich ist.

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Ich sage Ihnen nur, Frau Kollegin Haußmann: Wenn wir einen so hohen Ausländeranteil an Gästen haben, dann hängt das vielleicht damit zusammen, dass wir in Baden-Württemberg europaweit die größte Messe in Sachen Tourismus haben, die CMT. Das ist eine sehr erfolgreiche Messe mit über 180 000 Besuchern allein in diesem Jahr. Es hängt vielleicht auch damit zusammen, dass wir im Augenblick die INTERGASTRA haben, die zumindest im süddeutschen Raum führend und auf ihrem Gebiet sehr erfolgreich ist. Das hängt vielleicht – wenn Sie gestatten – auch ein bisschen damit zusammen, dass der Wirtschaftsminister bei jeder Auslandsreise mit einer Wirtschaftsdelegation natürlich keine Gelegenheit auslässt, um auch den Tourismusstandort Baden-Württemberg zu präsentieren.

Meine Damen und Herren, jetzt ist nichts so gut, als dass es nicht besser sein könnte. Es gibt einige Probleme. Herr Kollege Hoffmann hat darauf hingewiesen. Ich spreche jetzt nicht über unser Tourismusmarketingkonzept und unser landesweites Tourismusmarketing. Das funktioniert wirklich ganz hervorragend. Das ist eine Einrichtung der Tourismusverbände und wird vom Land Baden-Württemberg auch deutlich unterstützt. Die erledigen das operative Geschäft, wenn es um die Anwerbung von Touristen im Inland und im Ausland geht. Sie unterstützen jetzt aktuell insbesondere auch die Fußballweltmeisterschaft. Dazu hat Herr Kollege Richard Drautz einiges gesagt.

Sie sind vor allem in einem Punkt sehr aktiv. Ich will das ausdrücklich aufgreifen, Herr Kollege Hoffmann. Sie haben zu Recht davon gesprochen, dass wir auch schauen müssen, neue Gruppen, neue Gästesegmente zu bekommen. Ich glaube, eine wichtige Aufgabe unseres Tourismusmarketings in Baden-Württemberg ist, dass auch eine Vernetzung

mit anderen Bereichen stattfindet, zum Beispiel mit dem Umwelt-, dem Heilbäder- oder dem Sportbereich. Wir wissen in der Zwischenzeit längst, dass „Bollenhut und Kirschwasser“ allein natürlich nicht ausreichen. Aber diese Verbindung und Vernetzung in den Sportbereich, in den Umweltbereich hinein,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig!)

das alles wird uns sehr helfen, auch neue Gästeschichten für Baden-Württemberg zu erschließen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: „Go for Gold“ im Schwarzwald!)

Das wichtigste Instrument für die Schaffung einer modernen Infrastruktur ist die Tourismusförderung des Landes, die Projektförderung des Landes, die wir den Gemeinden gewähren, weil wir wissen, dass die Gemeinden nicht allein für eine moderne Infrastruktur aufkommen können. Hier brauchen sie Hilfen. Wir haben dieses Instrument, wie Sie wissen, im Jahr 1998 unter schweren Schmerzen entwickelt. Ich glaube aber, es hat sich bewährt. Es hat sich deshalb bewährt, weil in dieser Zeit immerhin 78 Millionen € an Fördermitteln des Landes Baden-Württemberg in die Tourismusinfrastruktur geflossen sind. Das bedeutet, dass insgesamt ein Investitionsvolumen in der Größenordnung von 250 Millionen € für die Infrastruktur im Tourismus entwickelt worden ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Döring FDP/DVP)

Das ist ein Wort. Das hat den Gemeinden sehr geholfen. Ich wünsche sehr, dass wir auch in der Zukunft die Möglichkeit haben, die Tourismusinfrastruktur gezielt zu fördern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dabei helfen wir!)

Wir werden in diesem Jahr 2006 aktuell rund zwei Dutzend Maßnahmen in einer Größenordnung von 4,2 Millionen € auf den Weg bringen. An dieser Stelle will ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Wir müssen auf der einen Seite angesichts der finanziellen Situation, in der wir stehen, aber andererseits auch angesichts der Notwendigkeit, noch vieles für das Tourismusland Baden-Württemberg zu tun, auch überlegen, ob es nicht neue Wege gibt, was die Finanzierung angeht.

(Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Genau!)

Ich will einige Punkte nennen.

Erster Punkt: Wir haben schon heute die Möglichkeit, auch private Investoren und Betreiber bis zu einer Größenordnung von 50 % zu fördern. Das heißt, wir haben schon in der Vergangenheit private Unternehmer, private Investoren zugelassen bzw. gefördert. Das ist auch in Ordnung.

Wir stellen aber fest, dass das Thema PPP, also Public Private Partnership, für die Tourismuswirtschaft auch in der Zukunft von zunehmender Bedeutung sein wird. Das ist auch völlig in Ordnung. Deshalb werden wir – das sage ich

(Minister Pfister)

Ihnen zu – die Richtlinien daraufhin überprüfen, dass die Möglichkeit zu PPP genutzt werden kann. Das heißt zum Beispiel im Klartext: So, wie wir festgelegt haben, dass eine Gemeinde, die über PPP eine Schule baut, nach wie vor die Regelförderung für den Schulbau in Anspruch nehmen kann, so muss bei einem Tourismusprojekt über PPP natürlich auch die Förderung des Landes Baden-Württemberg in der Zukunft erhalten bleiben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn wir diese beiden Dinge zusammennehmen, dann haben wir die Möglichkeit, dass über die bestehenden Mittel des Landes hinaus weitere Investitionen ausgelöst werden.

Zweiter Punkt: In unseren Richtlinien steht: Bauliche Investitionen sollen gefördert werden. Ich bin sehr dafür, meine Damen und Herren, diesen relativ eingeschränkten Begriff „bauliche Investitionen“ zu überdenken.

Das Wirtschaftsministerium hat eine Studie zum Wintersport, insbesondere im Hochschwarzwald, in Auftrag gegeben. Professor Roth von der Deutschen Sporthochschule Köln kommt zu dem klaren Ergebnis, dass wir in der Tourismusförderpolitik wirklich gut beraten sind, den Gemeinden, die insbesondere durch den Wintersport ihr Geld verdienen, zu helfen, und zwar in jenen Bereichen, wo sie besonders auf Hilfe angewiesen sind. Das sind zum Beispiel die Loipenspurgeräte.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Sehr gut!)

Das sind zum Beispiel die Pistenbullys. Das sind alle die Infrastrukturgeräte, die man braucht, um eine Wintersportlandschaft mit hoher Qualität präsentieren zu können. Deshalb sage ich Ihnen für die nächste Legislaturperiode zu, dass wir diese enge Definition der „baulichen Investitionen“ überprüfen, um auch solche Förderungen von Wintersport in Baden-Württemberg in Zukunft möglich zu machen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Dann kriegen wir noch mehr Goldmedail- len!)

Ich will einen dritten Punkt nennen, den ich ändern möchte. Wir haben im Augenblick für die Infrastrukturförderung des Landes drei Töpfe. Die laufen relativ getrennt nebeneinander her. Das ist der Topf des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum, das ist der Topf des Städtebausanierungsprogramms, und das ist der Topf der Tourismusförderung.