Protocol of the Session on February 21, 2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 108. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Zeller und Schmid erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Rüeck.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Schreiben des Justizministeriums vom 7. Februar 2006 – Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts; hier: Wahl der Beamtenbeisitzer gem. § 47 Abs. 3 BDG i. V. mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBDG

Überweisung an den Ständigen Ausschuss zur Durchführung der Wahl der Beamtenbeisitzer des Disziplinarsenats beim Verwaltungsgerichtshof

2. Mitteilung der Landesregierung vom 9. Februar 2006 – 15. Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – Drucksache 13/5154

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

3. Antrag der Landesregierung vom 14. Februar 2006 – Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen – Drucksache 13/5167

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

4. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006, Az.: 1 BvR 650/03 (Eingegangen am 20. Februar 2006) – Verfassungsbeschwerde gegen 2 Urteile des AG und des LG Ulm, 3 Beschlüsse des BGH und mittelbar gegen § 7 b Abs. 1 des Nachbarrechtsgesetzes für Baden-Württemberg

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Schwarz-Rot-Stift beim Angebot von Bus und Bahn – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Es gelten die üblichen Redezeiten: Gesamtdauer 40 Minuten, je fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und je fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich zunächst Herrn Abg. Boris Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Abgeordnete von SPD und CDU, soweit sie hier anwesend sind!

(Abg. Rückert CDU: Danke! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir werden wieder nicht be- grüßt!)

In diesem Fall nicht. Sie werden sich noch freuen, Frau Berroth.

Eines muss man der großen Koalition, den Abgeordneten von SPD und CDU, zugute halten: Schwarz-Rot hält Wort!

(Zuruf des Abg. Dr. Döring FDP/DVP)

Der Bundesfinanzminister, der bekanntlich von der SPD gestellt wird, äußerte am 19. Februar 2006 laut den „Finanznachrichten“ – ich zitiere –:

Wir werden die Regionalisierungsmittel kürzen, doch in diesem Jahr nur um 100 Millionen €. In den nächsten Jahren wird mehr gestrichen – wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Wenn man den Koalitionsvertrag nachliest, stößt man auf Seite 67 auf folgende Stelle:

Überfällig sind gezielte Einsparungen bei einzelnen Fördertatbeständen, die von rd. 1 Mrd. Euro im Jahr 2007 auf rd. 1,4 Mrd. Euro im Jahr 2009 aufwachsen. Hierzu stehen Korrekturen bei den Regionalisierungsmitteln … an.

So steht es im Koalitionsvertrag. Dankenswerterweise hat der Bundesfinanzminister gestern den Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes bekannt gemacht, der morgen im Bundeskabinett beschlossen werden soll. Wenn man die Zahlen, die darin stehen, auf die Verhältnisse von Baden-Württemberg überträgt, entsteht dieses Schaubild.

(Der Redner hält ein Schaubild in die Höhe. – Abg. Stickelberger SPD: Viel grün!)

Die Zahlen für das Jahr 2006 sind eindeutig. Sie sehen – jeweils die rot-grün markierten Säulen – die Planungen nach dem geltenden Regionalisierungsgesetz und – die

schwarz-rot markierten Säulen – die jetzt im Haushaltsbegleitgesetz genannten Zahlen. – Auch Sie auf meiner rechten Seite sollen das Schaubild selbstverständlich sehen können.

Man sieht also für das Jahr 2006 eine Kürzung der Regionalisierungsmittel von 747 Millionen € auf 736 Millionen €. Im Jahr 2009 sind es nach diesen Zahlen statt 781 Millionen € nur noch 690 Millionen €.

Umgerechnet bedeutet das für Baden-Württemberg über den Zeitraum dieser Legislaturperiode des Bundestags einen Verlust von 240 Millionen €.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das Schaubild ist nicht korrekt!)

Das Schaubild ist absolut exakt, mathematisch korrekt, Herr Kollege. Sie können es gern anschauen. Das ist gar kein Problem.

(Abg. Göschel SPD: Fehlt nur die Säule unten drunter!)

Die Angabe, die ich Ihnen hier mache, ist absolut korrekt: 240 Millionen €, entsprechend 12 %. Es handelt sich also um eine zwölfprozentige Kürzung. Das ist, wie Sie alle wissen, genau die Kürzung, die damals von Koch und Steinbrück – die große Koalition von CDU und SPD gab es im Bundesrat schon damals – angestrebt wurde. Über diese Kürzung in ihrem Haushaltsbegleitgesetz wird morgen im Bundeskabinett abgestimmt.

Da muss ich Sie einfach fragen: Was werden Sie jetzt unternehmen? Werden Sie im Bundesrat zulassen, dass wir 12 % der Regionalisierungsmittel verlieren, oder werden Sie gegen diese Kürzung aufbegehren? Ich bin gespannt auf Ihre Antworten und werde meine Antwort im zweiten Teil der Debatte vortragen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Fischer SPD: Das ist aber unfair!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Palmer, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Ich erinnere mich an die rot-grüne Koalition in Berlin. Da ist einmal eine Revision der Regionalisierungsmittel vorgenommen worden, und ich meine, beim letzten Haushalt, für den Sie die Verantwortung tragen, sind auch Regelungen zur Kürzung der Mittel nach § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes getroffen worden.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das war der Bundes- rat! Das waren auch CDU und FDP! – Abg. Walter GRÜNE: Da haben Sie etwas falsch verstanden!)

Den Nahverkehr als Sparkasse für einen ramponierten Bundeshaushalt zu nehmen ist also keine neue Erfindung.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Von CDU und FDP im Bundesrat eingebracht, Herr Kollege! Das wis- sen Sie genau!)

Jetzt sage ich aber etwas, worin Sie mir vielleicht zustimmen werden. Es stellt sich doch die Frage: Ist dieses Haushaltsstrukturgesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig oder nicht? Ich glaube, dass heute niemand diese Frage abschließend beantworten kann. Ich gehe bei der geltenden Rechtslage noch von einer Zustimmungspflicht aus.

Nun kann sich unsere Landesregierung sicherlich nicht nach dem bewährten Prinzip verhalten: „Wir sehen ein, dass der Bundeshaushalt sanierungsbedürftig ist, aber unsere Regionalisierungsmittel sind das wichtigste Interesse des Staates, deswegen kürzt überall, bloß nicht bei den Regionalisierungsmitteln!“ Das ist eine Linie, die man, glaube ich, beibehalten muss.

Die andere Linie ist: Müssen es denn wirklich bis zum Jahr 2009 diese insgesamt 240 Millionen € sein? Dazu will ich meine persönliche Meinung sagen. Sollte das Haushaltsstrukturgesetz zustimmungspflichtig sein – und ich gehe davon aus, dass es das ist –, dann wird doch hoffentlich unsere Landesregierung, Herr Staatssekretär Köberle, nicht so weit gehen und den Ast des Nahverkehrs, auf dem sie selber sitzt, völlig absägen.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal klipp und klar: Wir reden oft über das Konnexitätsprinzip. Was mit der Verlagerung der Zuständigkeit für den SPNV auf die Länder im Jahre 1996 geschehen ist und was der Bund damals an Finanzmitteln zur Erfüllung der neuen Zuständigkeit auf die Länder übertragen hat, ist ein Paradebeispiel für eine gute Erfüllung dessen, was wir als Konnexitätsprinzip bezeichnen.

Meine Damen und Herren, es stimmt mich wiederum optimistisch, dass die Landesregierung im Bundesrat nicht zu allen Vorstellungen Ja und Amen sagt. Wir haben in BadenWürttemberg mit den Regionalisierungsmitteln wirklich einen vernünftigen Umgang gepflegt. Seit 1996 gibt es bei uns eine Renaissance des Nahverkehrs und insbesondere des Schienenpersonennahverkehrs. Ohne Verlagerung der Zuständigkeit, ohne gleichzeitige Beigabe und Mitgift der entsprechenden Finanzmittel wäre das nicht der Fall gewesen.

Meine Damen und Herren, in der zweiten Runde muss man sich doch einmal überlegen, ob man einfach nur über die Kürzung der Regionalisierungsmittel und die Höhe der Kürzung redet oder ob es da nicht eine andere Auffangbastion geben könnte. Darauf möchte ich dann in der zweiten Runde noch näher eingehen.