und dies natürlich, wie man sagt, in bester Absicht, um jungen Menschen einen Arbeitsplatz zu bieten.
Lange Jahre haben in Deutschland die politischen Rahmenbedingungen das vorzeitige Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Berufsleben gefördert und ihre Wiedereinstellung behindert. Das beginnt sich Gott sei Dank allmählich zu ändern. Aber wir alle kannten die Situation. Alle hatten sich lange Zeit nicht daran gestört.
Die hierzulande massenhaft praktizierte Frühverrentung hat für unsere Wirtschaft gravierende Folgen: Zum einen gehen in den Betrieben die erfahrenen Menschen verloren, die die
jungen Menschen ausbilden müssten. Ich selbst habe es am eigenen Leib gespürt, dass exzellente Leute in den Vorruhestand gegangen sind, die ich dringend gebraucht hätte. Das waren weder bequeme noch faule Leute, sondern sie haben sich irgendwo eine andere Arbeit gesucht. Oder aber viele Betriebe haben auf diese Weise zulasten der Allgemeinheit ihr Personal verringert.
Gravierend an dieser Vorruhestandsregelung ist, dass sich die Einstellung zur Arbeit geändert hat, und dies habe ich an vielen Stellen gespürt. Gestern war ich bei einem Betriebsjubiläum. Dort bin ich zufällig Zeuge eines Gesprächs gewesen, bei dem ein etwa 50-Jähriger zu einem im Vorruhestand Befindlichen gesagt hat: „Du hast es gut. Du hast es hinter dir.“ Dies sind Sorgen, die mich begleiten, denn hier wird deutlich, wie die Einstellung zur Arbeit bei uns überhaupt ist.
Dass das Arbeitsleben über 50 auch anders sein kann, zeigt ein Blick ins Ausland. In Großbritannien und Dänemark sind weit über 50 % der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig; in Schweden sind sogar zwei Drittel der älteren Arbeitnehmer erwerbstätig.
Auch bei uns hat Gott sei Dank das Umdenken begonnen. Die letzte Bundesregierung hat schon wesentliche Maßnahmen ergriffen. Ich nenne nur einige Punkte: Rentenabschläge, Arbeitslosengeld, Lohnzuschüsse bzw. Befristungen von Lohnzuschüssen.
Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, dass es allemal gescheiter wäre, wenn wir in bestimmten Bereichen Kombilöhne zahlen würden, denn es ist allemal besser, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Alle diese Maßnahmen weisen in die richtige Richtung. Ich bin zuversichtlich, weil auch die Statistik zeigt, dass im letzten Jahr bereits eine um zwei Prozentpunkte höhere Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-Jährigen zu verzeichnen war. Es ist ermutigend, dass die Unternehmen wieder mehr freie Arbeitsplätze für diese Altersgruppe anbieten. Aber ich muss auch sagen, dass dies die älteren Arbeitnehmer annehmen müssen.
Die oftmals geäußerte Befürchtung, Jüngere würden wegen der neuen Linie keinen Job finden, lässt sich nicht belegen. So stieg in den Niederlanden der Anteil der älteren Erwerbstätigen von 1996 bis 2004 um fast 50 %, und gleichzeitig sank die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen von 11,1 auf 8 %.
Wenn ich vor der Bundestagswahl die Menschen richtig verstanden habe, hatten sie geäußert, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die wichtigste Aufgabe sei, die die Bundesregierung in Angriff nehmen müsse. Sie ist diese
Aufgabe ja auch angegangen. Ich möchte hierzu noch Folgendes sagen: Wir brauchen wieder einen Mentalitätswandel. Angesichts der wachsenden Lebenserwartung ist es notwendig, wieder ältere Arbeitnehmer einzustellen. An die älteren Arbeitnehmer appelliere ich: Auch Ältere müssen bereit sein, Neues zu lernen.
Ich habe bei unserer Taiwan-Reise, an der auch Kollege Moser und Kollege Dr. Steim teilgenommen haben – –
(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Gehen Sie noch nicht raus, Herr Schuhmacher! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Fortsetzung folgt!)
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Taiwan wollen wir noch hören! – Abg. Moser SPD: Franz, red’ weiter! Wenn du über mich redest, kriegst du zwei Minu- ten!)
Die Taiwanesen haben eine Wissenschaftsstadt gegründet, in der 117 000 Wissenschaftler beschäftigt sind. Auf die Frage, wo sie diese Wissenschaftler herbekommen haben, haben sie gesagt, dass sie auf der ganzen Welt diejenigen sammeln, die man in ihren Ländern anscheinend nicht mehr brauchen kann: ältere Ingenieure aus Deutschland, aus Japan, aus Amerika. Auch deswegen ist Taiwan Weltmarktführer bei Laptops, Flachbildschirmen und Fahrrädern. Ich möchte mit Ihnen beinahe wetten, dass sie, nachdem sie jetzt die Handysparte von BenQ übernommen haben, auch in diesem Bereich in Bälde Weltmarktführer sind.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns hier im Landtag umschauen und dann in die Betriebe schauen, dann haben wir den Eindruck, dass wir in zwei Welten leben. Müssten wir
uns heute in Betrieben bewerben, hätten die wenigsten von uns noch eine realistische Chance. Es gibt nur einen Punkt, bei dem ich mich auf meine Vorrednerin, Frau Berroth, beziehe, und zwar ist das der Begriff „Jugendwahn“. Ich denke, die Betriebe sind kollektiv dem Jugendwahn verfallen.
Herr Schuhmacher, wie so oft sind Sie wirklich eine Ausnahme und ein Leuchtturm auch in diesem Bereich.
Wenn wir jetzt noch einmal die Randstad-Untersuchung, die im Januar 2006 veröffentlicht wurde, anschauen – das muss man sich überlegen: im Jahr 2006, Herr Wirtschaftsminister! –, dann stellen wir fest, dass 40 % der Betriebe klar und deutlich erklärt haben, dass ein Bewerber mit 50 Jahren zu alt sei. Ich weiß nicht, ob bei den anderen 60 % in den Köpfen nicht die gleiche Vorstellung vorherrscht. Aber den übrigen 40 % war ihre Vorstellung schon eine klare Aussage wert.
Wenn man die anlässlich einer Fachtagung des Wirtschaftsministeriums abgegebenen Stellungnahmen der Spitzenverbände der baden-württembergischen Wirtschaft, auf die Sie alle so viel Hoffnung setzen, liest, erkennt man, dass diese unisono auf das verweisen, was ältere Arbeitskräfte für die Betriebe und die Unternehmen an Qualität und an Kraft bedeuten. Im Gegensatz zu Herrn Schuhmacher gab es von ihnen aber kein Wort dazu, dass sie von den Vorruhestandsregelungen sehr profitiert und diese als Betriebe sehr gern angenommen hätten.
Die Stellungnahmen der Spitzenverbände haben meines Erachtens mit dem betrieblichen Alltag – siehe Umfrage vom Januar – sehr wenig zu tun. Wer von Ihnen am Samstag die Stellenanzeigen gelesen hat, hat sich wohl noch einmal darin bestätigt gefühlt: Jung und flexibel muss man sein.
Professor Schmid aus Tübingen – Mitglied der RürupKommission –, der im Auftrag der Landesregierung einen Altersatlas erarbeitet hat, sagt: „Es kann nicht sein, dass man bei Volvo in Schweden mit älteren Beschäftigten Autos bauen kann, bei Daimler-Chrysler dagegen nicht.“ Ich denke, das ist eine Aussage, die Sie, Herr Wirtschaftsminister, sich noch einmal vergegenwärtigen müssen und auch in Ihre Gespräche einfließen lassen müssen.
In Skandinavien ist der Anteil der älteren Beschäftigten höher als bei uns. Warum? Auch das hat Ihnen Professor Schmid ganz deutlich gesagt – das sollten Sie ebenfalls zur Kenntnis nehmen –: Bei uns fehlt das öffentliche Bewusstsein für die Fähigkeiten der Älteren, und bei uns fehlt vollständig ein Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebot.
In beiden Bereichen haben Sie landespolitisch versagt. Was das öffentliche Bewusstsein angeht, so stoßen wir auf Vorurteile: Ältere seien häufiger krank, wenig leistungsfähig. Keine wissenschaftliche Untersuchung belegt dies. Aber der Ministerpräsident, der bei diesem Thema wieder nicht zu sehen ist, hat genau diese Vorurteile mit seiner Aussage, mit 40 habe man seinen Leistungshöhepunkt überschritten, zementiert.
Natürlich versucht der Ministerpräsident, zurückzurudern. Der Innenminister rudert beim Fragebogen zurück, während der Ministerpräsident bei der Altersfrage zurückrudert. Sie rudern alle zurück. Aber die Botschaft haben die Menschen doch ganz klar verstanden: Sie sind älter, und dafür sollen sie in Zukunft auch weniger verdienen.
Aber ein Problem haben wir: In unserer Gesellschaft drückt sich Leistung natürlich auch in Gehalt aus. Wenn man weniger Gehalt erhalten soll, lautet die Botschaft für einen Älteren auch ganz klar: Ich bin älter, erhalte weniger, also leiste ich offensichtlich weniger.
Bis heute hat der Ministerpräsident diese Äußerungen nicht zurückgenommen. Er hat sich darum herumlaviert, aber er hat nie deutlich gesagt, dass Ältere genauso leistungsfähig sind wie Jüngere.