(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Fischer SPD: Jetzt ist mehr unklar als klar! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie wollen es nicht hören!)
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit schlage ich vor, jetzt in die Mittagspause einzutreten und die Sitzung um 13:45 Uhr fortzusetzen.
Ich darf darauf hinweisen, dass zu Beginn der Mittagspause das Gremium nach Artikel 10 GG tagt und dass das Präsidium im Haußmann-Saal eine kurze Sitzung abhält.
Aktuelle Debatte – Bedeutung älterer Arbeitnehmer für die Wirtschaft Baden-Württembergs – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Sie kennen die üblichen „Spielregeln“ der Aktuellen Debatte; ich brauche sie nicht erneut zu erwähnen.
Oder wie soll man es sonst bezeichnen, wenn einerseits in Berlin die Herren Müntefering und Kauder miteinander im Wettbewerb bei der Lösung der Frage stehen, wie man die Verlegung des Renteneintrittsalters nach hinten möglichst schnell gewährleisten kann, und andererseits auch in Baden-Württemberg große Unternehmen, die Personalreduzierungen vornehmen müssen, dabei vor allem an ältere Arbeitnehmer denken?
Ich sage klipp und klar: Wenn man das Renteneintrittsalter nach hinten verlegt, ohne dass es entsprechend viele Arbeitsplätze gibt, dann ist das schlicht und einfach eine Abzocke, die wir nicht mittragen werden.
Wie ist das ganze Dilemma entstanden? Ich habe es in meinem Berufsleben durchgängig erlebt: In den frühen Siebzigerjahren hat man im Rahmen der allgemeinen sozialen Wohltaten den erweiterten Kündigungsschutz für über 52Jährige beschlossen. Die eigentlich schon damals absehbare logische Konsequenz war, dass sich schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen kein Unternehmen einen solchen Klotz ans Bein binden konnte, jemanden einzustellen, von dem man wusste, dass man sich von ihm nie wieder würde trennen können, egal wie er sich im Unternehmen auch gibt. Das ist ein zu großes Risiko, das die Betriebe nicht eingehen können. Deswegen wurden von da an eben keine über 50-Jährigen mehr eingestellt.
Gleichzeitig kam mit der zweiten Ölkrise die Problematik auf, dass in der erfolgreichen Nachkriegsgeschichte plötzlich zum ersten Mal die Zahl der Arbeitsplätze zurückging, man sich aber darüber klar war, der jungen Generation Einstellungschancen bieten zu wollen. Deshalb hat man als Übergangslösung – ich betone dieses Wort „Übergangslösung“ – den Frühruhestand eingeführt, sodass sich jemand mit 59 Jahren arbeitslos melden konnte und dann mit 60 in Rente gegangen ist. Das alles war sozialpolitisch wunderbar abgefedert.
Der Staat – sprich: der Steuerzahler – hat sich kräftig daran beteiligt. Diese Systematik wurde auch im Laufe der Zeit verfeinert. Leider Gottes hat es sich mitnichten um eine Übergangslösung gehandelt. Vielmehr leiden wir noch heute unter den Folgen. Damals wurde eine ganz fatale Abwärtsspirale in Gang gesetzt.
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es, ja! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Ruth We- ckenmann SPD: Waren Sie in der Koalition, als dieses Gesetz verabschiedet wurde? – Gegenruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist doch nicht das Problem! – Gegenruf der Abg. Ruth Wecken- mann SPD)
Denn die Konsequenz war doch, dass die Sozialversicherungsausgaben rapide gestiegen und im gleichen Maße die Sozialversicherungseinnahmen zurückgegangen sind. Das heißt, das Personal wurde noch teurer, und der Anreiz, beim Personal zu sparen, wurde noch verstärkt.
Meine Damen und Herren, das können wir uns so nicht weiter leisten, weil wir damit den Ast absägen würden, auf dem wir im Moment alle noch sitzen.
Parallel dazu hat sich ein Jugendwahn entwickelt. Ich erinnere mich noch sehr genau an diese Diskussion.
Man hat den Unternehmen gesagt: „Passt auf! Wir haben jetzt schon sehr lange Frieden. Es gab keine unnatürlichen Ausfälle im Personalkörper. Die Gefahr besteht, dass die Belegschaft der Unternehmen zu stark veraltet. Ihr müsst gucken, dass Junge nachkommen.“ Auch das war ein hehres Ziel. Allerdings hat man da manchmal schon das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Der Effekt: Heute liegt das Durchschnittsalter der Beschäftigten weit unter 40 Jahren, und die, die dafür verantwortlich sind, sind meist über 60 Jahre alt.
Ich zitiere Otmar Zwiebelhofer, den Vorsitzenden des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, der bei einem Kongress Folgendes festgestellt hat:
Überwiegend ältere Referenten halten Reden, in denen sie sich gegenseitig die Wichtigkeit der Beschäftigung älterer Menschen bestätigen. Alle Referenten sind Führungskräfte. Aus beidem können wir vorerst schließen: Die Älteren haben etwas zu sagen.
Aber die Konsequenzen, die Manager ziehen – das muss ich anfügen –, sind einfach falsch. Es ist ein kurzsichtiges Kostendenken. Verloren geht ein Riesenpotenzial. Wir verschenken Erfahrung und für den Betriebsablauf wichtige Werte und Einstellungen. Wir verlieren Kontakte und Qualität.
Wer glaubt, die Lernfähigkeit älterer Arbeitnehmer sei grundsätzlich eingeschränkt, dem muss man sagen, dass das so nicht stimmt. Das mag zwar bei einzelnen Personen durchaus gelten, wie man es heute Morgen auch bei Herrn Kretschmann wieder festgestellt hat; er ist offensichtlich
überhaupt nicht mehr lernfähig. Aber Weiterbildung ist ein Thema, dem sich viele Arbeitnehmer noch gerne stellen und bei dem sie erfolgreich mitmachen.
Ich habe Sie aufgeweckt, Herr Kollege; dann war das erfolgreich. Wir haben überhaupt nichts gegen Sie, aber Sie haben sich so stur gestellt, dass ich an Ihrer Lernfähigkeit wirklich zweifle.
Was dieses Thema angeht, bin ich aber zuversichtlich. Schließlich hat das Wirtschaftsministerium kürzlich einen sehr erfolgreichen Kongress „Jugendwahn in der Gesellschaft? Neue Chancen für Ältere“ durchgeführt. Meine Damen und Herren, an diesem Kongress haben über 550 Personen teilgenommen. Dies stimmt mich sehr zuversichtlich, dass wir bei diesem Thema weiterkommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Bedeutung älterer Arbeitnehmer für die Wirtschaft in Baden-Württemberg möchte ich zuerst einige Schlagzeilen nennen: „Fünf Millionen Arbeitslose“ – in Baden-Württemberg rund 400 000 –, und da reden manche von Lichtblicken. Oder: „Deutschland altert und schrumpft gleichzeitig. Droht uns deshalb ein Generationenkonflikt?“ Und: „Wie lange halten dies unsere sozialen Sicherungssysteme noch aus?“ „Wie soll die Staatsverschuldung abgebaut werden?“ Dies sind nur einige Beispiele. Die Zahlen der Arbeitslosen brauche ich Ihnen nicht zu nennen, weil Sie alle diese Zahlen, auch der älteren Arbeitslosen, selbst kennen.
Das Problem ist also nicht, in wie vielen Betrieben noch über 50-Jährige arbeiten, sondern das Problem besteht darin, dass es bei uns über lange Jahre hinweg ein stillschweigendes Einverständnis zwischen Beschäftigten, Arbeitgebern, Arbeitsverwaltung und Gesetzgeber gab, zulasten der Rentenversicherung Personal abzubauen,