Meine Damen und Herren, es ist doch klar, dass bei allen erfolgreichen Bemühungen der Landesregierung im Bereich der Integration – der Herr Ministerpräsident hat dies im Einzelnen dargestellt – das Feld der Integration eine ständige Herausforderung für alle politisch Verantwortlichen bleibt.
Auch für uns gilt weiterhin, was Voltaire gesagt hat: Wir müssen unseren Garten bestellen, und zwar jeden Tag. Demokratie, die wehrhafte Demokratie ist eine Errungenschaft, zu der wir uns jeden Tag aufs Neue bekennen müssen.
Auch der Bundesinnenminister wird nicht müde zu betonen, dass er die Integrationsbemühungen als eine der ganz zentralen Herausforderungen seiner Arbeit begreift. Dass auf
diesem Feld in Deutschland noch einiges zu tun ist, zeigt immer wieder der Blick in den Alltag. Als Beispiel für den Alltag in der Bundeshauptstadt möchte ich an das Thema „Deutschunterricht auf dem Schulhof“ erinnern, das derzeit im von PDS und SPD regierten Berlin die Gemüter erhitzt. Es ist doch schon bemerkenswert, meine Damen und Herren, dass der Berliner Bildungssenator, Klaus Böger, SPD, die Hausordnung der Herbert-Hoover-Realschule ausdrücklich gutheißt, die auch die mehr als 90 % ausländischen Schüler dieser Schule dazu anhält,
auf dem gesamten Schulgelände ausschließlich Deutsch zu sprechen. Es hat fast den Anschein, Herr Kollege Birzele, als seien die Berliner SPD- und PDS-Kollegen, was das Problembewusstsein anbelangt, wesentlich weiter als die Opposition in diesem Haus.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Birzele SPD: Wer hat sich denn gegen diese Lösung ausge- sprochen? Das ist doch unglaublich! Machen Sie es doch! Sie sind doch für die Schule verantwortlich!)
Das Herausragende an dieser heutigen Debatte sehe ich unter anderem in der Forderung, dass wir alle endlich begreifen – hoffentlich tun es auch alle –, dass die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband eben kein Formalakt ist und auch keiner sein darf.
Herr Minister, ist es aus Ihrer Sicht ein Erfolg oder ein Misserfolg der Integrationspolitik in Baden-Württemberg, dass nach dem letzten Einbürgerungsbericht der Bundesbeauftragten die Einbürgerungsquote in Baden-Württemberg mit 1,5 % gegenüber Rheinland-Pfalz mit 2,3 %, Nordrhein-Westfalen mit 2,2 % und Schleswig-Holstein mit 2,8 % nur etwa die Hälfte dessen ausmacht, was andere Flächenländer mit großem Migrantenanteil erreicht haben? Ist es gut für Baden-Württemberg, dass wir nur halb so viele Menschen einbürgern wie andere Flächenländer, die einen großen Anteil von Migranten haben?
Herr Kollege Palmer, den Erfolg einer gelungenen Integrations- und Einbürgerungspolitik können Sie nicht an bloßen Zahlen messen.
Herr Kollege Oelmayer, wir können uns in diesem Zusammenhang über vieles unterhalten. Aber darüber, dass Baden-Württemberg, was Integration und Eingliederung an
belangt, keinerlei Belehrungen benötigt und keinen Nachholbedarf hat, sind wir uns hoffentlich alle einig.
Zur Freiheit gehört für mich auch, dass es einem ausländischen Mitbürger unbenommen bleiben muss, ob er sich hier am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses um die deutsche Staatsbürgerschaft bewirbt, oder ob er hier weiter als Ausländer mit dem entsprechenden Status unter uns und mit uns lebt. Das bleibt jedem völlig unbenommen. Dazu können wir wohl auch niemanden zwingen.
Wir können aber alles dafür tun, dass die Eingliederung, die Integration, und letztlich – als gelungenste Stufe – dann vielleicht auch die Einbürgerung gelingt. Aber sie gelingt nicht, wenn wir wegschauen. Sie gelingt nicht, wenn wir einen Handlungsbedarf negieren.
Dass wiederum Handlungsbedarf besteht, dass wir mit unserem Leitfaden ein gesamtgesellschaftliches Problem angesprochen haben, bestreitet jedenfalls kaum jemand.
setzt sich in einigen Sätzen durchaus differenziert mit dem Einbürgerungsleitfaden auseinander. Sie möchte ich vor diesem Hintergrund jedenfalls zitieren:
Wie soll ein demokratischer Rechtsstaat seinen neuen Bürgern die zentralen Grundwerte vermitteln? Wie kann er fördern und fordern? Die genauen Antworten hat der Bund den Ländern überlassen.
Das neue Staatsangehörigkeitsrecht verlangt in der Gesetzesbegründung lediglich, dass die Einbürgerungsbewerber ihre „innere Hinwendung“ zur freiheitlichen Grundordnung deutlich machen. Doch was heißt das?...
Das Gesetz für die Einbürgerung ist zwar reformiert, aber mit dem Sinn und Zweck des Ganzen hat diese Gesellschaft noch immer ihre Probleme. Das dokumentiert auch die Art und Weise, wie die Einbürgerung vollzogen wird. Geradezu gespenstisch, was Eingebürgerte erzählen können: In vielen Fällen wird die entscheidende Urkunde völlig formlos überreicht. Ebenso gut könnte man eine VVS-Monatskarte abholen.
(Abg. Schmid SPD: Daran haben Sie bisher nichts geändert! Sie hätten es schon längst ändern kön- nen! Ich finde es auch schrecklich! – Abg. Birzele SPD: Warum machen Sie es nicht anders?)
Auch hinsichtlich des letzten Kritikpunkts ist die Landesregierung im Übrigen nicht untätig gewesen. Baden-Württem
berg ist Mitantragsteller einer entsprechenden Bundesratsinitiative. Mit dieser Initiative sprechen wir uns dafür aus, eine Regelung in das Staatsangehörigkeitsgesetz aufzunehmen, wonach der Ausländer vor der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch einen Eid oder ein Gelöbnis in feierlicher Form bekräftigen muss. Ich betone das an dieser Stelle gerade deshalb, weil dies immer auch ein Anliegen des Kollegen Professor Goll war und ist. Darin sind wir uns völlig einig.
Aber das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung spielt ja bereits im Vorfeld der Entscheidung eine bedeutende Rolle. Damit komme ich auf den Leitfaden des Innenministeriums zu sprechen.
Ausgangspunkt unseres Leitfadens ist die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Dieser ist zu entnehmen, dass durch das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung die – ich zitiere – „innere Hinwendung“ des Bewerbers zur Bundesrepublik Deutschland dokumentiert werden soll.
In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals in Erinnerung rufen, dass das geltende Staatsangehörigkeitsgesetz von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet wurde. Ich verstehe deswegen überhaupt nicht, was den Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün an unserem Ansatz verwerflich erscheinen kann.
Nach unserem Verständnis ist die Einbürgerung, die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit der Schlussstein und der stärkste Ausdruck eines gelungenen Integrationsprozesses. Mit anderen Worten: Die Einbürgerung setzt einen gelungenen Integrationsprozess voraus. Die Staatsangehörigkeit ist ein Statusrecht, das später – wir wissen dies alle – nur schwer wieder aberkannt werden kann. In den letzten zehn Jahren, glaube ich, liefen in Baden-Württemberg ganze 24 Verfahren auf Aberkennung – vier abgeschlossene und 20 noch anhängige.
Schon daran sehen Sie bei etwa 16 000 Einbürgerungen pro Jahr, wie minimal die Chance ist, die Staatsangehörigkeit dann wieder abzuerkennen. Es stellt sich beispielsweise auch die Frage, wie Al-Masri zu seiner deutschen Staatsbürgerschaft gekommen ist. Dieselbe Frage stellt sich bei dem vorhin zitierten Metin-Kaplan-Urteil. Dort sind reihenweise Zeugen aufgetreten und haben gesagt: Wir erkennen hier überhaupt nichts an, weder ein deutsches Gericht noch die deutsche Rechtsordnung, noch das Grundgesetz, noch die Verfassung. Weiter sagten sie auf Befragen: Wir sind hierher gekommen, weil wir alle diese Freiheiten, bis hin zur deutschen Staatsbürgerschaft, brauchen, um das zu tun, weswegen wir hier sind, und nicht das, was Sie von uns erwarten. – Ich frage mich, wie diese zu ihrer Staatsangehörigkeit gekommen sind. Das Gericht fragt sich das auch, und es fragt gerade uns danach. Aber wir geben bisher keine Antworten, und das muss sich ändern.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Das kann man nur über den Verfassungsschutz verbessern und nicht über einen Fragebogen! Das werden Sie doch wohl zugeben! – Widerspruch bei der CDU – Abg. Alfred Haas CDU zu Abg. Kretschmann GRÜNE: Es gibt keinen Fragebogen! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie glauben, dass solche Leute den Fra- gebogen ehrlich beantworten?)
Herr Kollege Kretschmann, nehmen Sie doch einmal die Tatsachen zur Kenntnis. Halten Sie unsere Beamten, die seit Jahr und Tag in den Einbürgerungsbehörden tätig sind, nicht für so blöd, als dass sie nicht ein einstündiges oder, wenn es sein muss, auch zweistündiges Gespräch anhand dieses Themenkatalogs, wenn Sie so wollen – von mir aus auch nur anhand einzelner Themen und einzelner Fragen –, führen könnten. Es ist doch klar, dass sie am Ende eines solchen Gespräches einen besseren Gesamteindruck von dem Antragsteller haben, als sie ihn hätten, wenn sie überhaupt nie ein Wort mit ihm gesprochen hätten. Darum geht es.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birzele SPD: Und welchen Zusam- menhang hat die Frage nach der Kleidung mit der Verfassungstreue? – Weitere Zurufe von der SPD und den Grünen)
Ich habe mir natürlich schon vorgestellt, dass ausgerechnet Herr Kollege Birzele – wer denn sonst? – jetzt mit solch kleinen Karos fünf Stellen hinter dem Komma kommt.
erlaubt den Einbürgerungsbeamten natürlich auch, auf die Vorbildung, auf die Persönlichkeit, auf das intellektuelle Niveau dessen einzugehen, der vor ihnen steht. Ich könnte mir manchen vorstellen, der nur mit ganz einfachen Fragen konfrontiert wird.