ich übe das dann noch zu Hause –, damit der Erfolgswert der Stimmen optimiert wird und damit gleichzeitig natürlich auch Rechtssicherheit für die Landtagswahlen geschaffen wird. Das will ich ausdrücklich dazusagen. Das Sitzzuteilungsverfahren soll im Übrigen unverändert bleiben.
Jetzt will ich die Frage gleich beantworten: Natürlich ist das ein Entgegenkommen der großen Parteien, der großen Fraktionen gegenüber den kleinen. Denn diese Umstellung beinhaltet schon ein Stück mehr – ich will jetzt nicht von Entgegenkommen sprechen; das wäre vielleicht etwas überheblich oder anmaßend – Gerechtigkeit, weil das Auszählverfahren natürlich genauer ist.
Ich habe ja gerade eben klargestellt, dass ich nicht Entgegenkommen, sondern Gerechtigkeit meine. Ich will das auch nicht relativieren. Herr Birzele, verwirren Sie mich nicht. Es ist ein Stück mehr Gerechtigkeit, zu dem sich die großen Fraktionen damit dann auch bekennen.
Hier drin sitzen doch so viele Juristen. Es ist ganz klar, dass das aus Gründen der Rechtsgrundlagen nicht geht, die eben schon zum Zeitpunkt der Vorbereitungen der Landtagswahlen durch die einzelnen Parteien klar sein müssen, das heißt also schon zum Zeitpunkt der erstmöglichen Nominierung.
(Abg. Birzele SPD: Das hat doch mit der Auszäh- lung der Wahl nichts zu tun! – Abg. Teßmer SPD: Das hat doch mit der Auszählung nichts zu tun! – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Also diese Lo- gik erschließt sich aber nicht!)
Ja, selbstverständlich! Auch der Auszählmodus gehört nach dem Landtagswahlrecht zu den Rechtsgrundlagen. Dies ist ein gemeinsamer Begriff.
(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Fi- scher SPD: Die könnten wir ändern! – Abg. Birzele SPD: Auf welchen Verfassungsexperten berufen Sie sich jetzt?)
Die können wir jetzt, zwei Monate vor der nächsten Landtagswahl, nicht ändern. Veranstalten wir also jetzt kein Schaulaufen mehr, meine Herren Kollegen! Wir wollen zum Schluss kommen.
Eine exakte Übertragung eines Wahlergebnisses führt in aller Regel nicht zu einer ganzzahligen Sitzverteilung. Wir haben hier zwar den Teilzeitabgeordneten,
Dafür haben Mathematiker verschiedene Berechnungsverfahren entwickelt – die kennen Sie –, um eine ganzzahlige Aufteilung der Anteile zu erreichen. Die drei wichtigsten sind die nach d’Hondt, Hare/Niemeyer und eben SainteLaguë/Schepers. All diese Verfahren sind nicht neu, und all diese Verfahren sind verfassungsrechtlich zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat bei einem Vergleich des Höchstzahlverfahrens nach d’Hondt mit dem Verfahren nach Hare/Niemeyer entschieden, es der Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers zu überlassen, für welches System der Berechnung und Verteilung der Mandate er sich entscheiden wolle. Entsprechendes gilt auch für eine Umstellung des Berechnungsverfahrens von d’Hondt auf Sainte-Laguë/ Schepers.
Worum geht es jetzt? In aller Kürze: Nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren werden die auf einen Wahlvorschlag entfallenden Stimmen so oft durch eins, zwei, drei usw. geteilt, bis aus den Teilungszahlen so viele Höchstzahlen ermittelt sind, wie Sitze zu verteilen sind. Außer Baden-Württemberg wenden noch vier Bundesländer das Verfahren nach d’Hondt bei Landtagswahlen an.
Was spricht nun dafür, dieses Sitzzuteilungsverfahren durch das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers zu ersetzen? Bei der Berechnung nach d’Hondt entspricht das Ergebnis nicht ganz, aber annähernd den mathematischen Proportionen. Bei diesem Verfahren kann es aber bei starken Differenzen der Stimmenanteile der Parteien zu einer – ich habe es schon erwähnt – gewissen Benachteiligung der kleineren Parteien bzw. dann auf der anderen Seite einer Begünstigung der größeren Parteien kommen. Bei der Verteilung der von den Parteien erlangten Sitze auf die Regierungsbezirke können die kleineren Regierungsbezirke parteiintern benachteiligt werden. Auch dies muss man sehen.
Das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers vermeidet diese negativen Folgen und führt zu proporzgerechteren Ergebnissen. Keine der Parteien wird bevorzugt oder benachteiligt. Makellos ist aber auch dieses Verfahren nicht. Die eine, allerdings mehr abstrakte Besonderheit besteht darin,
dass mit einer äußerst geringen Wahrscheinlichkeit die einer Partei zuzuteilende Sitzzahl vom Idealanspruch weiter abweichen kann, als dies einer Auf- oder Abrundung entspricht. Da gibt es eine kleine Diskrepanz. Die andere – konkrete – Folge des Verfahrens ist, dass die Umstellung je nach Wahlausgang zu einer Erhöhung der Zahl der Abgeordnetensitze führen kann. Wenn wir das Wahlergebnis des Jahres 2001 nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers berechnen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der Abgeordneten konkret um eins erhöht hätte. – Kollege Oelmayer nickt zustimmend, weil er natürlich weiß, wem dieser Sitz im Jahr 2001 zugefallen wäre.
Auch der Bund hat das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers gegenüber dem Hare/Niemeyer-Verfahren als geringfügig vorzugswürdig eingestuft. Das Gesetzgebungsverfahren ist aber dann wegen der vorgezogenen Bundestagswahl nicht mehr in Gang gekommen. Bremen und Hamburg haben sich bereits für das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers entschieden. Baden-Württemberg wäre also das erste Flächenland, das dieses Verfahren einführt, und würde sich damit an die Spitze einer zu erwartenden weiter gehenden Entwicklung in dieser Richtung setzen.
Noch wenige Sätze zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion: Die SPD-Fraktion schlägt – und zwar auch ab der 15. Legislaturperiode – eine umfassende und pauschale Beschränkung der Vereinbarkeit von Amt und Landtagsmandat vor. Kein Landtagsabgeordneter soll künftig gleichzeitig aktiver Beamter oder vergleichbarer Angestellter sein dürfen, egal in welcher Körperschaft des öffentlichen Rechts, egal in welcher Funktion, also in letzter Konsequenz nicht einmal mehr ein noch verbeamteter Postbediensteter oder Hausmeister.
(Abg. Drexler SPD: Wie in anderen Bundesländern auch! – Abg. Mack CDU zur SPD: Warum wollen Sie denn Postboten vom Landtag ausschließen?)
Ich nehme an, das Vorbild für diesen Gesetzentwurf dürfte die ebenfalls umfassende Bundesregelung, nämlich § 5 des Abgeordnetengesetzes des Bundes, sein.
Der Vorschlag geht aber noch weit über diese Regelungen hinaus. Nach dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sollen auch alle Arbeitnehmer, Beamte oder Angestellte von Firmen und Betrieben egal welcher Rechtsform dann der Inkompatibilitätsregelung unterworfen werden, wenn die öffentliche Hand, also auch eine Gemeinde, mit mehr als 50 % an dieser juristischen Person beteiligt ist,
wenn auch nur über ein Stimmrecht. Welche Tätigkeit diese juristische Person des Privatrechts ausübt, soll keine Rolle spielen.
Ich will an dieser Stelle, weil dies ein ureigenes Recht des Parlaments ist und ich als Regierungsvertreter dieses Recht respektiere, nur sagen, dass eine so weit gehende Inkompatibilitätsregelung nicht der Tradition des Landes BadenWürttemberg entspricht.
Also, Herr Kollege Birzele, richtig ist sicher, dass diese Inkompatibilitätsregelung überprüfenswürdig ist, wenn sich die Verhältnisse geändert haben. Einen Anlass haben Sie genannt. Er kann durchaus in der Verwaltungsstrukturreform gesehen werden, durch die eine Vielzahl von Aufgaben auf die untere Verwaltungsebene verlagert wurde.
Die Diätenkommission hat deshalb in ihrem Bericht vom Dezember 2005 die Thematik aufgegriffen und wegen des erheblichen Zuwachses staatlicher Aufgaben durch das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz für die Landratsämter und die Bürgermeisterämter der Stadtkreise als untere Verwaltungsbehörden dem Landtag empfohlen, künftig auch Landräte sowie hauptamtliche kommunale Wahlbeamte der Stadtkreise in diese Unvereinbarkeitsregelung des Abgeordnetengesetzes einzubeziehen.
Ich will es bei diesen Bemerkungen belassen. Abschließend will ich aber sagen: Einer Überprüfung der bestehenden Rechtslage in dieser Hinsicht stehe ich selbstverständlich aufgeschlossen gegenüber. Aber die vorgeschlagene umfassende Regelung ohne vertiefte Prüfung jetzt in aller Kürze übers Knie brechen zu wollen, halte ich nicht für den richtigen Weg.
Die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Regelung sieht ohne nähere Begründung keine Abwägung zwischen dem Maß der Einschränkung des passiven Wahlrechts und dem Grad der möglichen Interessenkollisionen und auch anderer gewichtiger Gründe vor. Ob die vorgesehene Regelung darüber hinaus in allen Punkten von der Ermächtigungsgrundlage des Artikels 137 Abs. 1 des Grundgesetzes gedeckt ist, müsste man ebenfalls noch näher überprüfen.
(Abg. Capezzuto SPD: Was? – Abg. Birzele SPD: Sie sagten doch, das sei Angelegenheit des Parla- ments!)
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: Das habt ihr letztes Mal schon gesagt! – Abg. Capezzuto SPD: 2020! – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)
und vor allem mit den notwendigen vertieften Prüfungen darüber zu beraten. Ich habe auf das Spannungsfeld hingewiesen, solche Regelungen zu treffen. Ich stehe dem nicht im Wege, aber natürlich muss man, gerade wenn es um die verfassungsmäßigen Grundlagen eines Parlaments geht, die Angelegenheit mit der gebotenen Sorgfalt bearbeiten.