Protocol of the Session on December 15, 2005

Das allerdings halte ich nicht für sinnvoll, weil diese Ausnahmen sehr wohl begründet sind.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aha!)

Egal, wie viele Politiker es beschließen: Wir werden nie erreichen, dass das Wasser von selbst den Berg hinauffließt.

(Abg. Hillebrand CDU: Das ist wahr! – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Fischer: Das ist aber etwas an- deres!)

Wir müssen menschliche Verhaltensweisen berücksichtigen. Nicht umsonst hat die „Eßlinger Zeitung“ am 13. Dezember ihren Kommentar zu diesen Anträgen mit der klaren und deutlichen Botschaft überschrieben: „Realitätsfern“.

(Abg. Gall SPD: Keine Ahnung!)

Die Gefahren eines generellen Verbots sind in den Stellungnahmen der Landesregierung zu Ihren Anträgen ja auch deutlich genannt worden. Hinzu kommt, dass in dem betreffenden Alter gerade das Verbotene Schülerinnen und Schüler besonders reizt. Als cool gilt, wer sich dagegen verhält und zum Beispiel einfach den Schulbereich verlässt, sich auf die andere Seite der Straße stellt, sein „Zigarettchen“ schmaucht und feixend herübergrinst. Das wird die anderen Schüler nun wirklich dazu bringen, dass sie nicht rauchen! Nein, der pädagogisch richtige Weg wählt die Auseinandersetzung mit dem Thema, anstatt für das Rauchen ein kategorisches, aber nicht durchsetzbares Verbot zu erlassen.

Wer durch Einsicht Nichtraucher ist, wird der Verlockung weit besser standhalten als der Eingeschüchterte, der es dann genießt, nach den Schulstunden hinter einer Hecke oder in der Disco erst recht eine Zigarette zu schmauchen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich möchte Herrn Minister Frankenberg aus der Diskussion von heute Vormittag zitieren. Er sagte: „Ich muss mich nicht erst von einem Gesetz verpflichten lassen, um etwas Vernünftiges zu tun.“ Darauf hoffe ich auch bei unseren Schulen. Es gibt ja schon sehr, sehr viele Schulen, die aus ganz eigenem Entschluss der Lehrer und der Schülermitverantwortung rauchfrei sind.

(Zurufe von der SPD)

Ich kann Ihnen eines sagen: In unserer Familie wird bei den Älteren überhaupt nicht geraucht. Dennoch hat der jüngere Sohn, der in eine rauchfreie Schule gegangen ist, massiv mit dem Rauchen angefangen, während der ältere, der eine Schule mit Raucherecke besuchte, bis heute nicht raucht.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Bitte keine Intimitäten!)

Sie sehen das Ganze also sehr eindimensional. Dazu gehören noch einige andere Aspekte.

Mein ganz großer Respekt gilt den Lehrern, die für sich oder – –

(Abg. Fischer SPD: Was erfahren wir heute noch alles aus Ihrer Familie? – Weitere Zurufe – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Einen Moment, Frau Berroth. – Meine Damen und Herren, seien Sie doch ruhiger. Hier versteht niemand mehr etwas.

(Abg. Zimmermann CDU: Das sind die Entzugser- scheinungen der Kollegen!)

Frau Berroth, fahren Sie bitte fort.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident.

Ein ganz großes Lob und mein Respekt gilt allen Lehrern, die für sich oder, noch besser, als Kollegium beschlossen haben, in der Schule nicht zu rauchen.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Nicht zuletzt: Alle Erwachsenen – beileibe nicht nur die Lehrer oder die Eltern – haben hier eine Vorbildfunktion. Da müssen wir uns wirklich an die eigene Nase fassen. Leben wir der nächsten Generation doch einfach vor, dass starke Typen nicht unbedingt einen Glimmstängel brauchen, um sich daran festzuhalten.

Heute Morgen habe ich noch mit einer jungen Unternehmerin über dieses Thema gesprochen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wahrscheinlich aus der Tabakindustrie!)

Sie sagte mir ganz spontan: „In der Raucherecke war es immer am gemütlichsten und interessantesten.“ Da sehe ich nun wirklich eine große Herausforderung für die Schulgemeinschaften. Sorgen wir doch alle miteinander dafür, dass es in den Pausen auch gesunde Ecken gibt, in denen es interessant und gemütlich ist. Damit können wir Kinder wirkungsvoll vom Rauchen abhalten. Ein pures Verbot würde gerade das Gegenteil bewirken.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Minister für Arbeit und Soziales Renner.

(Minister Renner schüttelt den Kopf. – Staatssekre- tärin Dr. Monika Stolz begibt sich zum Rednerpult. – Heiterkeit)

Entschuldigung!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Caroli SPD: Renner vor! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)

(Stellv. Präsident Birzele)

Meine Damen und Herren, ich bin fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Herr Renner spricht, weil er sich so viele Notizen gemacht hat.

Das Wort erhält Frau Staatssekretärin Dr. Stolz.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD – Abg. Flei- scher CDU: Da war der Wunsch die Mutter des Gedankens beim Präsidenten! – Abg. Zimmermann CDU: Der Herr Präsident hat sich „verrennert“!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie können ganz ruhig bleiben: Die Landesregierung spricht mit einer Zunge.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP – Abg. Dr. Caroli SPD: Das wäre wirklich das erste Mal! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)

Meine Damen und Herren, Ziel der Landesregierung ist die rauchfreie und die raucherfreie Schule.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Der Minister traut sich nicht! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist aber ein bisschen hart! Wo schicken Sie die Rau- cher dann hin?)

Für dieses Ziel gibt es ja glücklicherweise einen breiten Konsens.

Worüber streiten wir? Das ist die Frage, wie leicht das geht oder auch nicht. Wir diskutieren über die Mittel und Wege, wie wir zu diesem Ziel kommen. Ich glaube, wir müssen schon auch zugestehen, dass es einen Königsweg oder gar einen einfachen gesetzlichen Königsweg sicher nicht gibt.

Wir wollen, dass der Tabakkonsum bei jungen Menschen zurückgeht. Wir wollen, dass der Trend aufgehalten wird, dass bereits im Grundschulalter erste Erfahrungen mit Nikotin gemacht werden.

Die Ausgangslage ist hier schon angedeutet worden. Sie wurde von uns auch in der Beantwortung einer Anfrage dargestellt. Im Durchschnitt beginnen Kinder mittlerweile mit 11,6 Jahren zu rauchen. Der Anteil junger Raucherinnen und Raucher, die bereits mit 13 Jahren regelmäßig Zigaretten konsumieren, nimmt leider zu. Beinahe jedes dritte Mädchen und jeder vierte Junge im Alter von 15 Jahren greift zur Zigarette, und im Alter zwischen 16 und 17 Jahren rauchen 44 % der Jugendlichen. Nikotin hat ein sehr hohes Abhängigkeitspotenzial. Man ist binnen kurzer Zeit abhängig. Und was das Bild auch nicht schöner macht: 20 % der Schwangeren rauchen, also 20 % der jungen Mütter von morgen. Das ist in der Tat starker Tobak.

Für diese schwierige Situation gibt es klare rechtliche Vorgaben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir ein Jugendschutzgesetz haben, das in § 9 Jugendlichen unter 16 Jahren das Rauchen in der Öffentlichkeit verbietet. Dazu braucht es natürlich auch Erwachsene, die hinschauen und nicht wegschauen.

(Abg. Röhm CDU: So ist es!)

Da sind wir alle gefragt.

Es gibt weiterhin die vom Kollegen Röhm schon angesprochene Verwaltungsvorschrift. Für die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg besteht ein Rauchverbot. Die einzelne Schule kann lediglich durch jährlich zu erneuernden Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz mit Zustimmung der Schulkonferenz, in der die Eltern mitwirken, und nach Anhörung des Elternbeirats und der Schülermitverantwortung für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 11, also ab 16 Jahren, außerhalb des Schulgebäudes, aber auf dem Schulgelände, eine Raucherecke einrichten.

Für das Rauchen von Lehrkräften gilt die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung vom 31. Januar 1989. Demnach haben die Vorbildwirkung für die Schülerinnen und Schüler und der Schutz der Nichtraucher vor dem passiven Mitrauchen absoluten Vorrang. Eine Lehrkraft darf also während der Schulzeit nur in eigens für rauchende Lehrkräfte eingerichteten Raucherzimmern, die nicht von Schülern benutzt werden, oder in den Pausen außerhalb des Schulgeländes rauchen.

Wir haben also zu diesem Thema eindeutige, klare Regelungen. Wir haben ein Jugendschutzgesetz. Wir haben klare Verwaltungsvorschriften. Aber wir haben das Problem mit diesen Vorschriften dennoch unbefriedigend oder noch ungenügend gelöst.

Ich darf in diesem Zusammenhang die geschätzte frühere Drogenbeauftragte der Bundesregierung und jetzige Staatssekretärin Marion Caspers-Merk zitieren, die zu diesen gesetzlichen Regelungen sagt: „Das mag funktionieren, wenn Erwachsene hinschauen und sich einmischen.“ Sie sagt weiter: „Ich kenne Schulen, in denen sich die Lehrer um ein Rauchverbot bemühen und dann von den Eltern hören, dass die Kinder mit 14 Jahren zu Hause rauchen dürfen.“

Was will ich damit sagen? Auch das ist unsere Erfahrung: Das Rauchen ist kein Problem der Schulen allein und auch nicht allein in der Schule zu lösen.