Protocol of the Session on December 15, 2005

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Da hast du wieder den Finger in die Wunde gelegt! – Abg. Dr. Birk CDU: Blödsinn, was Sie da sagen! Das ist schlicht- weg die Unwahrheit! Das wissen Sie! Frau Altpe- ter, ganz billiges Niveau! – Zuruf des Abg. Seimetz CDU – Abg. Marianne Wonnay SPD: Treffer! Volltreffer! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Ältere, Herr Dr. Birk, sind nicht weniger leistungsfähig als Jüngere.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Jawohl!)

Statt über Lohnabschläge zu schwadronieren, sollte sich der Ministerpräsident lieber einmal Gedanken darüber machen, wie das Weiterbildungsangebot für ältere Menschen in diesem Land verbessert werden kann.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Die SPD spricht sich in ihrem Minderheitenvotum deshalb dafür aus, Weiterbildungsprogramme zur Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit zu fördern und hierzu vor allem den Bereich der Niedrigqualifizierten einzubeziehen und entsprechende Beratung anzubieten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum letzten Bereich: Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit ältere Menschen solange wie möglich zu Hause leben können. Angesichts der wachsenden Zahl der Hochbetagten ist dies eine der wichtigsten Aufgaben zur Gestaltung des demografischen Wandels.

Wir müssen alles daransetzen, dass Pflegebedürftige auch künftig zu Hause versorgt werden können. Dazu bedarf es gezielter Hilfen bereits im Vor- und im Umfeld der Pflege. Vor diesem Hintergrund ist es ein großer Erfolg, dass sich die Kommission den Vorschlägen der SPD-Fraktion angeschlossen hat, Maßnahmen im Vor- und im Umfeld der Pflege zu ergreifen, mit denen die häusliche Pflege vor allem im familiären Umfeld gestärkt werden kann – insbesondere durch die Unterstützung von Familienangehörigen und die Entwicklung von Konzepten, um pflegende Angehörige wirksam zu begleiten und zu entlasten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Auch diese Handlungsempfehlungen wollte die CDU wieder kippen. Nur das Einlenken des Vertreters der FDP/DVP – vielen Dank, Herr Döring – hat verhindert, dass die CDU in der Kommission dafür eine Mehrheit gefunden hat.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Ich fasse zusammen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Diese Enquetekommission war wichtig, und sie war notwendig. Man hätte daraus aber mehr und vor allem Konkretes für die Landespolitik machen können. Dazu waren aber CDU und FDP/DVP leider nicht bereit. Bei Ihnen überwiegen noch immer die Kräfte des Stillstands. Sie haben die Tragweite dessen, was der demografische Wandel für unser Land wirklich bedeutet,

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

noch nicht vollständig erfasst.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Thema „Demografischer Wandel“ wird weiter auf der landespolitischen Tagesordnung stehen. Ich bin zuversichtlich, dass sich der nächste Landtag mit veränderten Mehrheiten dieser Gestaltungsaufgabe mit größerem Engagement annimmt.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Ab- geordneten der Grünen – Abg. Carla Bregenzer SPD: Jawohl!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Döring.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr darüber, dass die Fraktionen des baden-württembergischen Landtags der seinerzeitigen Anregung der FDP/DVP gefolgt sind und diese Enquetekommission eingesetzt haben. Ich halte das Thema „Demografischer Wandel“ für das entscheidende Zukunftsthema für unser Land. Ich halte es für dringend notwendig und für wichtig – die Beteiligung an der heutigen Debatte untermauert dies –, die Gesellschaft für dieses Zukunftsthema zu sensibilisieren und es als ein Thema aufzunehmen, das alle Bereiche der Gesellschaft – alle Altersstufen, alle Berufsgruppen, kurz: alle – ganz entschieden betrifft, meine Damen und Herren.

Ich bin der Meinung, mit der Enquetekommission ist es auch gelungen, das Thema herauszuholen aus der Ecke des Risikos und der Gefahr – nach dem Motto: „Was kommt da mit so einer alternden Gesellschaft auf uns zu?“ – und deutlich zu machen, dass mit dieser Gesellschaft, mit einem Zugewinn an Erfahrungswerten enorm viele Chancen verbunden sind und dass es für uns alle höchste Zeit ist, uns darauf einzustellen, die notwendigen Maßnahmen tatsächlich zu ergreifen. Dass unsere Gesellschaft durchschnittlich immer älter wird, hängt ja mit einer Vielzahl von positiven Entwicklungen zusammen: mit positiven medizinischen Entwicklungen, mit verbesserten Umweltbedingungen; auch das kommt deutlich zum Ausdruck. Deswegen sollte endlich Schluss damit gemacht werden, diese alternde Gesellschaft in irgendeiner Weise als ein Risiko für das Land darzustellen. Vielmehr müssen wir diesen Prozess als Chance begreifen und aufnehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen)

Wir haben all denen zu danken, die engagiert mitgewirkt haben, die uns beraten und begleitet haben. Ich bedanke mich auch beim Vorsitzenden, Herrn Kollegen Seimetz. Ich bedanke mich bei den parlamentarischen Beraterinnen und Beratern, die uns enorm geholfen haben.

Ich glaube, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen gibt, die man ergreifen kann. Eine davon kostet überhaupt nichts: Es kostet nichts, endlich Schluss zu machen mit Altersdiskriminierung in jedweder Art und Weise.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Es darf eigentlich nicht mehr sein, dass wir Stellenanzeigen lesen, in denen steht: „Sind Sie maximal 40, dann bewerben Sie sich!“ Das heißt: Ab 41 bist du ein alter Sack und brauchst dich gar nicht zu bewerben.

(Abg. Schmiedel SPD: Genau! – Abg. Capezzuto SPD: Sehr richtig! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sagen Sie das mal Ihrem Ministerpräsidenten!)

Das ist eine Unverschämtheit und unwürdig. Das gehört nicht in die Landschaft. Man darf dies nicht machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD sowie Ab- geordneten der CDU und der Grünen)

Ich halte Altersbeschränkungen auch bei der Berufsausübung für falsch.

(Abg. Capezzuto SPD: Wer hat so etwas gesagt?)

Ich weiß gar nicht, warum wir gesetzlich vorschreiben, bis zu welchem Alter jemand einen Beruf ausüben darf und ab wann nicht mehr.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: So ist es!)

Wenn die Wählerinnen und Wähler zum Beispiel einen Oberbürgermeister in einer Stadt für zu alt halten, dann wählen sie ihn ab, selbst wenn er erst 50 ist. Dafür brauche ich keine Altersbeschränkung. Und wenn sie einen 65-Jährigen für gut halten, dann wählen sie ihn noch einmal für acht Jahre, weil er gut ist. Weg mit diesen Altersdiskriminierungen jeder Art, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD sowie Ab- geordneten der CDU und der Grünen)

Wir wollen und müssen auch deutlich machen, dass wir bei dem gesamten Thema „Demografische Veränderung“ vor allem an eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung denken müssen. Es kann uns doch nicht ruhen lassen, wenn wir sehen, dass der Anteil der sich noch in Beschäftigung Befindenden unter den 55- bis 64-Jährigen in der Bundesrepublik Deutschland gerade einmal 39 % ausmacht. In den OECDLändern beträgt dieser Anteil im Schnitt 51 %, in den USA 60 %, in Schweden 69 %. Es ist unwürdig, die Leute mit Mitte 50 zum alten Eisen zu erklären. Deswegen besteht auch an dieser Stelle Handlungsbedarf in den Betrieben.

Mich erfüllt es mit Sorge, dass wir leider auch hier in Baden-Württemberg große Konzerne haben, die derzeit Programme laufen lassen, in deren Rahmen sie 52- bis 54-Jährigen anbieten, endlich den Arbeitsplatz zu verlassen und ein Paket Geld mitzunehmen. Es geht doch nicht nur um das Geld, sondern es geht um die Würde des Menschen, und es ist unwürdig, 52-Jährigen das Ausscheiden aus dem Beruf anzubieten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen)

Ich will an dieser Stelle auch klar machen, dass wir dabei nicht einseitig mit dem Finger auf die Wirtschaft zeigen dürfen, die es in Teilen immer noch nicht begriffen hat und sich hier falsch verhält, sondern dass zu dieser Entwicklung teilweise auch die Politik einen Beitrag geleistet hat. Ich meine diese Vorruhestandsangebote. Deswegen kann es gar nicht anders sein, als dass alle diejenigen, die wenigstens Teilergebnisse dieser Enquetekommission ernst nehmen, klar und deutlich sagen: Diese Regelungen zum aktiven Vorruhestand gehören weg. Sie passen nicht in die Landschaft. Wir wollen sie nicht mehr haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir müssen zudem noch an einer anderen Stelle ansetzen, die von meiner Vorrednerin auch bereits angesprochen worden ist. Es ist überhaupt keine Frage: Wenn, wie wir es realisieren und als eine Tatsache annehmen müssen, der Kinderwunsch in einem weitaus größeren Maße ausgeprägt ist, als er letztlich realisiert wird, dann hängt das in vielen Fällen auch damit zusammen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei weitem noch nicht so gegeben ist, wie es notwendig ist. Dass auch wir hier im Land auf diesem Gebiet Nachholbedarf haben, ist überhaupt keine Frage.

Deswegen sind die Maßnahmen, die jetzt im Zusammenhang mit der frühkindlichen Förderung ergriffen werden, gut. Ich finde es auch gut, dass sich die Wirtschaft nun modellhaft an Ganztagsangeboten beteiligt. Auch das gehört unterstrichen und herausgestellt

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

als eine positive Entscheidung, die man an dieser Stelle anerkennen und würdigen muss.

Ich glaube, dass wir auch an anderen Stellen nach wie vor Nachholbedarf haben. Wenn wir insgesamt eine höhere Beschäftigungsquote der Menschen erreichen wollen, müssen wir auf der einen Seite dafür sorgen, dass ein früherer Berufseintritt ermöglicht wird. Das heißt ganz offen gesagt: Die Studienzeiten sind häufig noch immer viel zu lang; und lange Ausbildungszeiten wirken wie Verhütungsmittel.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Deswegen ist das Thema Ausbildungszeiten natürlich auch ein Thema für uns, und wir müssen weiter auf eine Verkürzung der Ausbildungszeiten hinarbeiten, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen.

Lebenslanges Lernen und Weiterbildung sind, keine Frage, zwingend notwendig. Sie haben es angesprochen. Die Ausbildung muss modular gestaltet werden. Dass es eine Grundausbildung für alle gibt, muss außer jeder Frage stehen; darüber hinaus müssen aber auch Weiterbildungsangebote, auch für über 50-Jährige, gemacht werden. Beide Seiten sind dabei gefordert. Es kann nicht sein, dass es bei über 45-Jährigen kaum mehr die Bereitschaft zur Weiterbildung gibt, nach dem falschen Motto: „Mir langt’s vollends ’naus.“ Nein, es langt nicht vollends ’naus!

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Deswegen ist Weiterbildung eine Aufgabe für beide Seiten. Wir brauchen ein entsprechendes Angebot der Wirtschaft ebenso wie die Annahme von Weiterbildungsangeboten, wenn man in diesem Punkt ein Stück weiterkommen will.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)