Ziele sind die Erarbeitung von Empfehlungen an den Landtag, wie in Baden-Württemberg die Herausforderungen des demografischen Wandels bewältigt werden können, insbesondere um ein solidarisches Zusammenleben der Generationen zu sichern, familienfreundliche Rahmenbedingungen – vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – herzustellen, die Zukunftschancen der jungen Generation und die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben zu sichern sowie für eine ausgewogene Entwicklung aller Landesteile zu sorgen.
Vor dem Hintergrund dieser Ziele fällt die Bilanz, die wir heute diskutieren, zwiespältig und kritisch aus. Landesseniorenrat, Landesfamilienrat, Landesjugendring und Landesfrauenrat haben die Ergebnisse unserer Kommission völlig zu Recht wie folgt charakterisiert – ich darf zitieren –:
Auch dem Gemeindetag ist zuzustimmen, wenn er kritisiert, dass die Kommission – zumindest was ihre Mehrheit betrifft – die Frage einer gerechten Finanzierung der Kleinkindbetreuung ausgeklammert hat.
Die Kritik der Verbände macht deutlich: Die Chance, die diese Kommission für die Landespolitik bot, wurde leider nur unvollkommen genutzt.
Dies lag vor allem daran, dass die CDU-Vertreter in der Kommission auf Druck ihrer Fraktion alles darangesetzt haben, konkrete Beschlüsse der Kommission zu verhindern und auch zu blockieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit unverbindlichen und wachsweichen Handlungsempfehlungen lassen sich die Herausforderungen des demografischen Wandels nicht bewältigen.
Offenkundig hat die CDU nicht realisiert, welche fundamentalen Aufgaben der demografische Wandel an die Landespolitik stellt. Die SPD hat deshalb ein Minderheitenvotum vorgelegt, in dem die Handlungsempfehlungen konkret und politisch verbindlich formuliert werden.
Bevor ich auf die politischen Schwerpunkte eingehe, möchte ich ein paar Anmerkungen zur Kommissionsarbeit machen:
Ein Verdienst der Kommission ist mit Sicherheit, dass ihre Arbeit den demografischen Wandel zu einem landespolitischen Thema gemacht hat. Dabei war es hilfreich, dass die großen gesellschaftlichen Verbände und die kommunalen Landesverbände die Beratungen der Kommission intensiv begleitet haben. Ich darf mich deshalb im Namen der SPD bei den Verbänden für ihr Engagement bedanken. Nur wenn der demografische Wandel zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema wird, können wir auch seine Herausforderungen bewältigen.
Die SPD hat sich vor Beginn der Kommissionsarbeit dafür eingesetzt, den Verbänden Sitz und Stimme in der Kommission einzuräumen. Darin liegt ja auch der Reiz des parlamentarischen Instruments Enquetekommission. Der Reiz liegt gerade darin, sachverständigen Personen, die nicht Mitglieder des Landtags sind, die Teilnahme mit vollem Stimmrecht zu ermöglichen. Leider waren die Mehrheitsfraktionen hierzu nicht bereit. Sie haben vielmehr durchgesetzt, dass pro Fraktion nur eine externe sachverständige Person als Mitglied, und dies auch nur mit beratender Stimme, benannt werden konnte.
Ich möchte dennoch feststellen, dass trotz dieser Einschränkung der Mitwirkungsrechte die externen Sachverständigen die Kommissionsarbeit außerordentlich befruchtet haben. Mein Dank und der Dank der gesamten SPD-Landtagsfraktion geht deshalb an die vier externen Sachverständigen, Herrn Hörrmann vom Landesseniorenrat, Herrn Matthias Jung, Herrn Professor Börsch-Supan und Herrn Dr. Heimfrid Wolff.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nun auf die inhaltlichen Themen der Kommissionsarbeit eingehen. Die Gestaltung des demografischen Wandels ist d i e landespolitische Zukunftsaufgabe. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Auffassung, der demografische Wandel sei eine Bedrohung für unsere Gesellschaft, haben uns die Expertenanhörungen in der Kommission gezeigt, dass die Herausforderungen zu bewältigen und der demografische Wandel zu gestalten ist.
Für die SPD ergibt sich daraus die Konsequenz, die Gesellschaft des langen Lebens nicht als eine Last, sondern als eine Chance für unser Land zu betrachten.
Diese Gesellschaft bietet immer mehr Menschen die Chance, ihr Alter aktiv zu gestalten und am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzuhaben. Wenn zudem durch den Ausbau des Kinderbetreuungsangebots im Land geeignete Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden, bietet sich auch die Chance, dass sich wieder mehr junge Menschen als bisher für Kinder entscheiden.
Landespolitisch ergeben sich durch den demografischen Wandel vielfältige Herausforderungen. Ich möchte an dieser Stelle auf drei zentrale Herausforderungen eingehen.
Wir müssen zweitens durch unsere Bildungspolitik sicherstellen, dass wir alle Begabungspotenziale voll ausschöpfen, und zwar bei Kindern vom ersten Kindergartentag an und bei älteren Menschen durch die gezielte Förderung des lebenslangen Lernens.
Wir müssen drittens die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass ältere Menschen so lange wie möglich in ihrer häuslichen Umgebung leben können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer Gesellschaft, in der immer weniger Kinder geboren werden, ist die Kinder- und die Familienpolitik eine der großen landespolitischen Zukunftsaufgaben zur Gestaltung des demografischen Wandels. Eine landespolitische Herausforderung – und dazu haben Sie herzlich wenig gesagt, Herr Reichardt –
ist dies auch deshalb, weil Baden-Württemberg in der Kinderbetreuung einen gewaltigen Nachholbedarf hat.
Im Land fehlen vor allem Betreuungsplätze für Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren, Ganztagsbetreuungsplätze und Betreuungsplätze für Schulkinder. In all diesen Bereichen belegen wir im Vergleich der Bundesländer einen der letzten Plätze.
Nur dann, wenn Beruf und Familie durch ein ausreichendes und qualitativ gutes Betreuungsangebot miteinander zu vereinbaren sind, werden sich vor allem gut qualifizierte Frauen – die heute oft kinderlos bleiben – wieder eher für ein Leben mit Kindern entscheiden.
Die SPD schlägt vor, ein mittelfristig angelegtes Programm zum Ausbau des Kinderbetreuungsangebots aufzulegen. Dafür haben wir auch ein konkretes Finanzierungskonzept. Wir wollen die Landesbeteiligungen veräußern sowie die Landesstiftung auflösen und die Gelder dann für den Schuldenabbau verwenden.
Die aus den eingesparten Zinsausgaben gewonnenen Mittel wollen wir in die Zukunft unserer Kinder investieren.
Die Stärkung der Elementarbildung im Kindergarten ist eine der wichtigsten Schlüsselaufgaben zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir wissen: Künftig werden in unserem Land weniger junge Menschen leben als zuvor. Gleichzeitig ist bereits heute absehbar, dass die Wirtschaft einen zunehmenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften haben wird, wenn ab dem Jahr 2020 die geburtenstarken Jahrgänge allmählich ins Rentenalter kommen. Die Kinder, die eines Tages diese Fachkräfte ersetzen müssen, sind bereits geboren. Wir können es uns einfach nicht leisten, auch nur einem dieser Kinder seine Bildungschancen zu verbauen.
Deshalb ist es erforderlich, die Elementarbildung im Kindergarten zu stärken, und zwar vom ersten Kindergartentag an – nicht erst im letzten Kindergartenjahr.
Wir sprechen uns darüber hinaus dafür aus, den Kindergarten als die erste wichtige Bildungsinstitution mittel- und langfristig generell beitragsfrei zu stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer Gesellschaft des langen Lernens wird dem lebenslangen Lernen künftig große Bedeutung zukommen. Lebenslanges Lernen ist gerade mit Blick auf die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtig. Die Beratungen in der Enquetekommission haben deutlich gemacht, dass sich der Ministerpräsident dieses Landes irrt, wenn er ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pauschal für weniger leistungsfähig hält.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Der ist ja jetzt auch schon über 50!)
Mit dieser unglaublichen Diskriminierung der Älteren stellt sich der Ministerpräsident in Widerspruch zu allen Ergebnissen der Altersforschung.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Da hast du wieder den Finger in die Wunde gelegt! – Abg. Dr. Birk CDU: Blödsinn, was Sie da sagen! Das ist schlicht- weg die Unwahrheit! Das wissen Sie! Frau Altpe- ter, ganz billiges Niveau! – Zuruf des Abg. Seimetz CDU – Abg. Marianne Wonnay SPD: Treffer! Volltreffer! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)