(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Hillebrand CDU: Aber jetzt! – Abg. Pfisterer CDU: Ranking: Platz 1 Baden-Württemberg!)
Schon heute hat der Sohn oder die Tochter eines Chefarztes oder eines Daimler-Managers viermal höhere Chancen, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben,
als der Sohn oder die Tochter einer Krankenschwester, eines Facharbeiters oder eines Polizisten. Das sind keine SPD-Untersuchungen, sondern es ist die OECD, die uns das bescheinigt.
Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, bestrafen Sie die auch noch dafür, dass sie alle diese Hürden geschafft und eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Jetzt schicken Sie denen auch noch Studiengebühren ins Haus.
Ein Chefarzt oder ein Manager zahlt seinem Sohn oder seiner Tochter die Studiengebühren frei Haus und auch noch das Auto und den Urlaub dazu.
Aber der Sohn oder die Tochter einer Krankenschwester oder eines Polizisten muss einen Kredit aufnehmen und jede Menge Zinsen zahlen, zumal Sie auch noch schlecht mit der L-Bank verhandelt haben.
Die müssen noch mehr arbeiten, als sie es schon heute tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dass über 60 % der Studierenden schon heute arbeiten,
und die allermeisten davon tun das, um ihr Studium finanzieren zu können. Nehmen Sie doch einfach einmal die Realität zur Kenntnis.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Fleischer: Das habe ich auch gemacht, und mit dem achten Semester Examen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von dem herrlichen Studentenleben, von dem uns der Grünen-Kollege Palmer in der letzten Sitzung so viel vorgeschwärmt hat,
wird bei diesen jungen Leuten nichts übrig bleiben, weil sie nämlich schauen müssen, wie sie Beruf und Studium unter einen Hut bringen.
Ihr Argument, das auch Herr Pfisterer jetzt wieder gebracht hat – dass in anderen Ländern mit Studiengebühren mehr junge Leute aus finanzschwachen Verhältnissen studieren als bei uns ohne Studiengebühren –, sticht nicht; denn unser Schulsystem ist extrem sozial selektiv. In anderen Ländern der Welt, in den Studiengebührenländern der Welt, erreichen viel mehr junge Leute eine Hochschulzugangsberechtigung als bei uns. Trotzdem studieren dort nicht sehr viel mehr als bei uns, weil sie nämlich von den Studiengebühren abgeschreckt werden. Das ist die Realität.
Wenn Sie in der letzten Woche Zeitung gelesen haben, dann haben Sie das ja wahrgenommen. Schon heute liegt Baden-Württemberg, ohne dass es Studiengebühren gibt, auf einem beschämenden zwölften Platz. Im Vergleich der Hochschulregionen – so die Aussage des CEWS – ist Baden-Württemberg die Region mit den frauenfeindlichsten Hochschulen.
(Lachen bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Was für einen Verein haben Sie denn da gegründet? – Abg. Pfisterer CDU: Wer hat Ihnen diese Rede ge- schrieben?)
Aber selbst dieser schlechte Platz scheint Ihnen noch zu gut zu sein. Es scheinen Ihnen immer noch zu viele Frauen an unseren Hochschulen zu sein. Warum sonst strafen Sie sie mit Krediten und mit langjährigen Rückzahlungen?
(Abg. Wacker CDU: So argumentierte die SPD in den Siebzigerjahren! – Abg. Pfisterer CDU: Die Rede ist 20 Jahre alt!)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von CDU und FDP/ DVP, für keines dieser sozialen Probleme – nicht für ein einziges! – haben Sie Lösungsgebühren, Lösungen angeboten.
Im Gegensatz zu den Studiengebührenländern haben Sie kein Stipendiensystem. Sie haben null Komma null Bemühungen unternommen, um Stipendien einzuführen. Gar nichts ist da von Ihnen gekommen, aber auch überhaupt nichts außer Sonntagsreden. Sie tun nichts zur sozialen Abfederung. Es ist Ihnen wurst, ob kluge junge Menschen aus Haushalten mit mittleren und kleinen Einkommen studieren können oder nicht. Das ist soziale Gerechtigkeit à la CDU und FDP/DVP.
(Abg. Pfisterer CDU: Siehe Schröder! Soziale Ge- rechtigkeit! – Abg. Alfred Haas CDU: Erzählen Sie das mal Herrn Heil!)
Sie sind ja nicht einmal bereit, unseren Anträgen, die Auswirkungen des Gesetzes zu beobachten, zu folgen. Sie über
ziehen das ganze Land mit Evaluationen aller Art, auf und ab. Selbst Kultusminister Rau spricht von der Kultur der Selbstüberprüfung.
(Beifall bei der SPD – Abg. Pfisterer CDU: So eine Ignoranz! – Abg. Fleischer CDU: Sie glauben doch selber nicht daran!)
Jetzt noch zum Verfahren im Einzelnen: Sie jagen dieses Gesetz innerhalb von 15 Tagen durch das Parlament.
Sie sagen, Sie diskutierten seit Jahren. Das Ministerium hat sich immerhin acht Monate Zeit gelassen, um einen Referentenentwurf zu entwickeln. Diesen hat es dann innerhalb von zwei Monaten während der Semesterferien den Hochschulen zur Anhörung übergeben.
Der Landtag, das eigentliche gesetzgebende Organ, hat gerade einmal 15 Tage Zeit, um sich mit diesem Gesetz auseinander zu setzen. Sie machen Anhörungen im schriftlichen Verfahren und nehmen nur marginale Änderungen vor. Sie machen auf Druck der SPD und der Grünen eine mündliche Anhörung und interessieren sich überhaupt nicht dafür, was dort gesprochen wird. Nicht ein einziger Gedanke von dem, was in der mündlichen Anhörung gekommen ist, ist aufgenommen worden. Gar nichts!