Protocol of the Session on December 1, 2005

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Fi- scher SPD: Das war eine wunderbare Kurve!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rech.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem von der Fraktion GRÜNE eingebrachten Gesetzentwurf wird eine ganz grundlegende Entscheidung über den Umgang mit bei Behörden vorliegenden Informationen getroffen. Eine Annahme des Entwurfs würde im Ergebnis eine Abkehr vom bisherigen Recht bedeuten, was den Informationszugang und die Geltendmachung eines berechtigten Interesses betrifft.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: In Baden-Württemberg! – Gegenruf der Abg. Heike Dederer CDU: In den meisten Bundesländern!)

Grundsätzlich heißt das, dass dann die Geltendmachung eines solchen berechtigten Interesses nicht mehr erforderlich sein soll. Vielmehr soll der Informationszugang jedermann voraussetzungslos gewährt werden.

Auf der anderen Seite sehen Sie, wenn Sie den Gesetzentwurf durchlesen, dass wieder ungeheuer viele Ausnahmen gemacht werden müssen, die diesen Anspruch erheblich einschränken. Mit diesen Ausnahmeregelungen soll dem Schutz öffentlicher Belange, von internationalen Beziehungen, der inneren Sicherheit, von anhängigen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungen sowie natürlich auch dem Schutz behördlicher Entscheidungsprozesse, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und von personenbezogenen Daten Rechnung getragen werden.

Schon deshalb müssen wir den Gesetzentwurf ablehnen; ich komme nachher noch zu anderen Ablehnungsgründen. Er widerspricht in jedem Fall per se den laufenden Bemühungen um Deregulierung, um einen Abbau von Bürokratie, Standards, Aufgaben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Oel- mayer GRÜNE: Oh! – Abg. Heike Dederer CDU: So ist es! – Abg. Birzele SPD: So wie beim Ge- meindewirtschaftsrecht!)

Im Ergebnis wird die Einführung eines allgemeinen Informationszugangsrechts zu einem ungeheuren Arbeitsaufwand führen. Diese Befürchtung, meine Damen und Herren, kommt ja im Gesetzentwurf selbst zum Ausdruck. Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt auch kein herausragendes Bedürfnis für ein solches Informationsfreiheitsgesetz.

Der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, verspricht in der Zielsetzung weit mehr, als er halten kann. Dies ist im

(Minister Rech)

mer bedenklich, wenn nicht gar gefährlich. Da werden falsche Erwartungen geweckt, die wegen der zahlreichen Ausnahmen letztlich gar nicht erfüllt werden können. Gleichwohl sind die Ausnahmetatbestände, wie Sie, Herr Kollege Oelmayer, sie im Gesetz festgeschrieben haben, in der Tat erforderlich, um die Belange, die ich gerade eben genannt habe, nicht zu beeinträchtigen und um öffentliche Interessen und Rechte Dritter nicht zu verletzen.

Sie haben zu Recht angesprochen, dass auf Länderebene bislang vier vergleichbare Informationsfreiheitsgesetze erlassen wurden. Jetzt könnte man sagen: nur vier. Das zeigt auch deutlich die begründete gesetzgeberische Zurückhaltung in diesem Bereich. Aber die in den betreffenden Ländern bislang tatsächlich gestellten Anträge haben bei den zuständigen Behörden einen ganz erheblichen Kosten- und Arbeitsaufwand verursacht.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Und wenn die Leute kla- gen, verursacht das keinen Verwaltungsaufwand?)

Moment! Klagen können bislang diejenigen, die ihre berechtigten Interessen auf Einsichtnahme verletzt sehen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Klar, weil das andere ja eine Verbandsklage wäre!)

Aber jetzt wollen Sie diese Voraussetzung völlig wegfallen lassen. Jetzt soll ja jeder einsehen können, sogar der Inländer, der im Ausland wohnt. Ich komme darauf zurück. Stellen Sie sich einmal vor, was passiert, wenn Sie 1 000 Anträge haben – selbst wenn Sie nur zehn Anträge haben –, was eine Behörde veranstalten muss, um allen diesen berechtigten Ausnahmetatbeständen – Datenschutz usw. – gerecht zu werden. Stellen Sie sich das einmal in der Praxis vor!

Ganz abgesehen davon birgt eine solche generelle Informationsfreiheit auch Gefahren in sich, nämlich die Gefahr, dass sich kriminelle oder extremistische Kreise das Gesetz zunutze machen können. Auch das sollte bedacht werden. Damit werden unter Umständen auch gezielte Ausforschungsversuche möglich, wie etwa die Ausforschung durch Wirtschaftsunternehmen über deren Konkurrenz oder durch Organisationen wie beispielsweise Scientology. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn 500 Anträge gleichzeitig gestellt werden. Sie bringen das Verwaltungshandeln zum Erliegen.

(Abg. Wieser CDU: Und wenn es 1 000 sind!)

Nach unserer Auffassung sollte derzeit auf ein solches Gesetz insgesamt verzichtet werden. Zugang zu amtlichen Informationen kann schon bislang in vielen Fällen erreicht werden. Ich nenne nur wenige Beispielfälle, etwa das Umweltinformationsgesetz.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ja, klar! Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es das auch nicht!)

Ein solches wird es aufgrund europarechtlicher Vorgaben in Kürze auch in Baden-Württemberg geben.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist doch ein Bundes- gesetz! Das habt ihr im Bund verabschiedet! – Ge- genruf des Abg. Wieser CDU: Ihr seid doch die Grünen!)

Oder ich nenne zum Beispiel die Regelung zum Recht auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren.

Meine Damen und Herren, soweit sich mit dem Gesetzentwurf die Erwartung verbindet, dass staatliches Handeln transparenter und dadurch besser nachvollziehbar und letztlich kontrollierbarer wird, will ich aufgrund der bisherigen Erfahrungen in den Ländern, die bereits ein Informationsfreiheitsgesetz haben, erhebliche Zweifel anmelden, ob dies mit einem solchen Gesetz tatsächlich erreicht werden kann.

Und letztlich: In einer repräsentativen Demokratie obliegt die Kontrolle der Exekutive und damit auch die Kontrolle der Verwaltung in erster Linie dem gewählten Parlament.

Neben diesen grundsätzlichen Fragen, die der Gesetzentwurf aufwirft, bestehen auch gegenüber einzelnen Regelungen erhebliche Bedenken. Ich will nur auf eine eingehen. Alle anderen können wir dann im Ausschuss in aller Sachlichkeit besprechen.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll das Informationszugangsrecht allen natürlichen und juristischen Personen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft oder ihrem Wohnsitz, zustehen. Ich habe das eben schon gesagt: Für einen derart weit gezogenen Kreis von Anspruchsberechtigten – dazu gehören beispielsweise auch die Inländer, die im Ausland leben – sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit.

Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe von weiteren Ablehnungsgründen. Ich will es für heute bei den genannten belassen. Wir lehnen den vorgelegten Gesetzentwurf ab. Wir sehen derzeit kein zwingendes Erfordernis für ein solches Gesetz, das letztlich nur zu mehr Bürokratie führen und bei den Behörden einen ungeheuren Verwaltungsaufwand verursachen würde, den sie wirklich nicht leisten könnten. Das sollten wir ihnen auch nicht zumuten.

(Abg. Rückert CDU: So ist es!)

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Herr Abg. Oelmayer, Sie wünschen noch einmal das Wort? Bitte sehr. Sie haben noch zwei Minuten und 32 Sekunden zur Verfügung.

Ja, das ist okay.

(Zurufe)

Aber zwei Bemerkungen werden Sie mir noch gestatten.

(Abg. Heike Dederer CDU: Ich hätte an deiner Stelle erst einmal Rücksprache mit den Kommunen in NRW gehalten! – Unruhe – Glocke der Präsi- dentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Kollege Oelmayer!

Erstens: Liebe Kollegin Dederer, dass man schnell selbst mutiert, wenn man von einer bürgerfreundlichen Partei zu einer Partei wechselt, die dem In

formationszugang der Bürger eher nicht so offen gegenübersteht,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Hei- ke Dederer CDU: Kommunalfreundliche Partei! – Weitere Zurufe)

das muss man doch wirklich zunächst einmal feststellen.

Ein zweiter Punkt: Mir hat ja das Herz schon höher geschlagen. Ich habe gedacht, ich würde in neun Jahren einmal erleben, dass ein Gesetzentwurf einer Oppositionsfraktion hier tatsächlich eine Chance hat. Als ich den Kollegen Döring gehört habe, habe ich gedacht: Das ist schon wie Weihnachten. Aber er hat natürlich – wie man es sich bei der FDP/DVP so vorstellt – die Kurve gekratzt.

(Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Hör mal, das war jetzt nicht fair!)

Das war eine ganz schwache Vorstellung, lieber Kollege Döring.

(Zuruf von der CDU: Das war eine gute Rede!)

Ich habe wirklich gedacht, die FDP/DVP in diesem Hause trage das mit, was die FDP auch im Bund mitgetragen hat. Der FDP im Bund waren die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes nämlich gar nicht scharf genug. Wenn Sie die Materie einmal nachgelesen haben, haben Sie das schnell festgestellt.

Eines will ich auch noch bemerken: Herr Innenminister, wenn Sie argumentieren, das von uns begehrte Gesetz verursache einen riesigen Verwaltungsaufwand, verursache riesige Kosten, dann haben Sie sich hierzu offensichtlich nicht im Detail informiert.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Heike Dederer CDU: Doch!)

Wenn wir dieser Argumentation folgen, dann müssen wir das Petitionsverfahren im Landtag abschaffen. Das können wir nicht, weil es verfassungsrechtlich geschützt ist. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes schafft ja gerade entsprechende Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger. Hierzu gibt es noch gar keine detaillierten Erfahrungen, sodass Sie gar nicht damit argumentieren können, es käme zu einem riesigen Verwaltungsaufwand.

(Abg. Heike Dederer CDU: Aber in Nordrhein- Westfalen haben wir doch Erfahrungen seit Jah- ren!)