(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Weiß das Frau Homburger?)
Häufig wird gegen Studiengebühren eingewandt, die Einführung allgemeiner Studiengebühren hätte abschreckende Wirkung auf die Bildungsbeteiligung. Dass das nicht so ist, sieht man an den Ländern mit Studiengebühren.
Die Studierquote liegt in Deutschland bei 35 %. In Großbritannien liegt sie bei 47 %, in den USA bei 64 % und in Australien bei 77 % – alles Länder mit Studiengebühren.
In Österreich ist die Zahl der Studienanfänger zwar zunächst gesunken, als Studiengebühren eingeführt wurden. Doch derzeit ist die Bildungsbeteiligung in Österreich trotz Studiengebühren höher denn je.
(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das liegt an den ganzen Deutschen, die auswandern, weil sie hier keinen Studienplatz kriegen! – Gegenruf des Abg. Pfisterer CDU: Ach, da kann man ja nur lachen!)
Die Statistik gibt Ihnen da nicht Recht, Frau Bauer. Die neuesten Zahlen habe ich vom österreichischen Wissenschaftsministerium, mit dem wir exzellente Verbindungen haben, eventuell bessere, als Sie sie haben; das gibt es halt manchmal; deshalb sind unsere Informationen auch zutreffender.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Pfisterer CDU: Deswegen auch immer die Falsch- information der Kollegin! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Bei d e r Regierung – na ja!)
In Australien ist die Zahl der Studierenden nach Einführung der Studiengebühren deutlich gestiegen. Es ist auch so, dass die Einführung von Studiengebühren auf die sozialgruppenspezifische Zusammensetzung der Studienanfänger keinen Einfluss hatte. Die befürchtete stärkere Selektion der Studierenden hat dort nicht stattgefunden.
Die Umfrage bei Schülern nach ihrer Berufs- oder Studienwahl durch HIS, das Hochschulinformationssystem, hat auch ergeben, dass die Frage „Studium oder nicht Studium?“ offenbar nicht durch die Frage „Studiengebühren oder keine Studiengebühren?“ beeinflusst wird. Schüler, die
nicht studieren, geben dafür meistens als Grund an, schnell Geld verdienen zu wollen oder einfach nicht studieren zu wollen, weil sie ein anderes Berufsziel haben und bei sich andere Begabungen sehen.
Wenn wir die Bildungsbeteiligung von Nichtakademikerkindern sehen, so erkennen wir, dass auch nach diesen Statistiken die Einführung von sozialverträglichen Studiengebühren keinen Einfluss auf diese Quote der Bildungsbeteiligung hat. In Deutschland nahmen nur etwa 16 % der Kinder von Eltern, die über keinen Abschluss im Sekundarbereich II verfügen, und nur 23 % der Kinder von Eltern mit einem Abschluss im Sekundarbereich II ein Studium auf. Im Vergleich liegen die Werte in Australien bei 20 bzw. 26 % und in Kanada bei 24 bzw. 42 % – beides Länder mit Studiengebühren.
Die Frage der Bildungsbeteiligung von Kindern aus Nichtakademikerschichten wird – das wissen alle – nicht mit dem Abitur oder nach dem Abitur gesteuert, sondern diese Steuerung findet viel früher statt. Studiengebühren haben darauf keinen Einfluss. Die Antwort auf diese Problematik ist die Initiative „Kinderland“.
Denn die Orientierung auf ein Studium, auf eine akademische Laufbahn findet in einem sehr frühen Kindesalter statt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Flei- scher CDU: Sehr gut! – Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE: Vermessen! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)
(Abg. Zeller SPD: Das ist ein Feigenblatt! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Finden Sie das angemes- sen?)
Das vorliegende Studiengebührenmodell sichert durch seine sozialverträgliche Ausgestaltung gerade auch die Bildungsbeteiligung aller Schichten. Es war ein ausdrücklicher Auftrag der Kabinettsentscheidungen, gerade die Sozialverträglichkeit des Modells sicherzustellen. Dies geschieht durch zweierlei, nämlich durch ein nachlaufendes Kreditmodell, ein Darlehensmodell, und durch Ausnahmen vorab für Studierende, bei denen man nicht der Meinung ist, dass sie überhaupt Studiengebühren zahlen sollten.
Das Darlehensmodell, ausgehandelt mit der L-Bank, garantiert jedem Studierenden ein Darlehen, unabhängig von der Bonität, unabhängig vom Studienfach, unabhängig also von irgendwelchen persönlichen Bedingungen. Einen solchen Kredit kann keine andere Bank als eine öffentliche Förderbank geben. Das muss man gerade wegen der gestrigen Diskussion – bei der offenbar viele, die wenig von Banken verstehen, zu viel gesagt haben – noch einmal deutlich machen. Man muss auch sagen: An diesem Kredit verdient die L-Bank nichts. Man hört immer wieder von Unkundigen, das ganze Modell wirke zugunsten von Banken. Die L-Bank wird an diesem Modell nichts verdienen.
Neben diesem Darlehensmodell, das heißt dem Modell, das jedem garantiert, dass nicht die Eltern die Studiengebühren
bezahlen müssen, sondern dass jeder ein Studiendarlehen erhält, das er oder sie nachher zurückzahlen kann, gibt es die sozialen Komponenten der Ausnahmen vorab. – Übrigens steht bei unserem Modell das Darlehensmodell jeder Bank offen, ebenso die Beteiligung an dem Ausfallfonds. Die einzige Bedingung ist, dass die Kreditbedingungen mindestens denen der L-Bank entsprechen müssen. Wenn sie das tun oder günstiger sind, kann jede Bank an diesem Modell mitwirken. Nur stehen die Banken zu diesen Bedingungen nicht Schlange. Das zeigt, dass das L-BankAngebot offenbar, wenn man den Markt betrachtet, doch recht gut ist.
Wenn wir jetzt das Angebot der KfW sehen, das gestern mit einem angeblich niedrigeren Zins durch die Presse geisterte, muss man sagen: Die KfW ist keine Kundenbank. Sie macht das Kundengeschäft nicht selber. Der Zinssatz von 5,15 %, den die KfW gestern genannt hat, ist der Zinssatz, der ihre Kosten abdeckt. Dazu kommen die Kosten der Bank, die dann das Kundengeschäft macht.
Diese berechnet man mit 250 € pro Fall. Wenn Sie dieses dann addieren – Prozentrechnung gegen Absolutwerte –, dann kommen Sie zu Gesamtprozentwerten, die nicht günstiger sind als das, was die L-Bank anbietet. Aber das war vielleicht zu viel verlangt für einige, die das gestern kommentiert haben.
Wir haben bei diesem Reformprozess, wie stets zuvor, die Beteiligten und die Betroffenen intensiv eingebunden. Wir haben zahlreiche Stellungnahmen erhalten und sie gründlich ausgewertet. Wir haben viele Änderungsvorschläge aufgegriffen, zum Beispiel in Bezug auf die Vereinfachung des Verwaltungsaufwands, indem die Ausnahmetatbestände, also die Tatbestände, aufgrund derer jemand nicht zahlen muss, klarer definiert worden sind, und wir haben beispielsweise in das Gesetz eingeführt, dass die Studierenden als Gremienvertreter an der Ausgabe und der Definition der Verausgabung der Gelder in den Hochschulen beteiligt werden müssen.
Wir haben aber auch klargestellt, dass – das ist auch immer angezweifelt worden – diese Mittel tatsächlich zur Verbesserung der Lehre verwendet werden können. Aber das habe ich schon bei der letzten Anfrage der Grünen deutlich gemacht: Es können Stellen geschaffen werden, selbst bei geltendem Kapazitätsrecht, ohne mehr Studierende aufnehmen zu müssen. Das heißt, erstmals wird es an deutschen Hochschulen rechtlich möglich sein, Niveaupflege in der Lehre zu betreiben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfisterer CDU: Das muss man noch dreimal sagen, damit es geglaubt wird! – Unruhe)
Es gab natürlich Kritik. Neben der allgemeinen und generellen Kritik haben die Hochschulleitungen vor allem zwei Dinge eingewandt: Sie wollen keine Gebührenbefreiungen
vorab, und sie wollen keinen Ausfallfonds. Die Gebührenbefreiungen vorab sind sozial notwendig, und der Ausfallfonds ist notwendig, weil ohne Ausfallfonds der Zinssatz höher wäre, da ohne Ausfallfonds niemandem ohne Ansehen der Person, der Bonität und des Faches, das er studiert, ein Kredit zustehen würde. Das heißt, beides ist notwendig für die soziale Komponente des Studiengebührenmodells.
Natürlich kann man verstehen, dass Hochschulen sagen: Wir hätten gern die gesamten Einnahmen. Aber unser Interesse ist nicht nur, dass den Hochschulen mehr Geld für die Lehre zufließt, sondern unsere Verpflichtung ist, die Sozialstaatskomponente auch in dieses Gesetz einzubringen und hochzuhalten.
Diese Hochschulen sind staatliche Hochschulen, und wir tragen die Verantwortung dafür, dass es eine Balance zwischen der sozialen Komponente – diese Gebühren sollen niemanden vom Studium abhalten – und der fiskalischen Komponente, dass genügend Mittel an die Hochschulen fließen, gibt.
Die Ausfälle sind gewollte Ausfälle. Die Ausfälle können deshalb auch nicht als Verwaltungsaufwand gerechnet werden, was manche in ihrer klugen Prozentrechnung tun. Und der solidarische Ausgleich in einem Fonds aller Hochschulen ist wichtig, weil diese Gebühren keine Lenkungswirkungen zwischen den Hochschularten haben sollen, weder durch die Höhe noch durch eine Differenzierung des Ausfallfonds zwischen den Hochschulen. Dieser Fonds ist eben als Gemeinschaftsfonds der Hochschulen auch ein Teil der Sozialkomponente dieses Systems.
Das Centrum für Hochschulentwicklung hat im Zusammenhang mit der Anhörung festgestellt – das CHE ist sicherlich eine der sachkundigsten Organisationen, die wir im Hochschulbereich haben –, es sei der Initiative Baden-Württembergs zu verdanken, dass nach jahrelanger Diskussion Studiengebühren Wirklichkeit werden, und dies quasi in Form der eigenen Idealvorstellung.
Wir beschreiten in Deutschland mit diesem Modell Neuland. Wir werden deshalb die Auswirkungen des Gebührenmodells sorgfältig beobachten müssen.
Zu diesem Zweck werde ich in unserem Hause ein Monitoringsystem einrichten, und wir werden zu diesem Monitoringsystem einen Beirat hinzuziehen, den wir schon bei der Entwicklung des Gesetzes konsultiert haben und in dem auch Kritiker von Studiengebühren und Kritiker dieses Gesetzes sitzen – AStA-Vorsitzende und Studentenpfarrer –, denn wir wollen eine objektive Bewertung, ein objektives Monitoring haben.
Zum jetzigen Zeitpunkt – das kann ich mit Fug und Recht sagen – hat mein Haus das Mögliche mit bestem Wissen und Gewissen getan und haben die Regierungsfraktionen mit bestem Wissen und Gewissen vieles dazu beigetragen, dass dieses Gesetz so geworden ist, wie es sich jetzt darstellt.
Damit ist nach menschlichem Ermessen alles getan, damit dieses Gesetz zum Erfolg wird: zum Erfolg für die Hochschulen, die nachhaltig besser finanziert werden, und auch zum Erfolg der Studierenden für ein besseres Studium. Ich bin überzeugt – und merke dies auch bei vielen Diskussionen –, es wird letztlich so manchen Gebührengegner überzeugen oder auch manche, die teilweise und lange Gebührenbefürworter waren und dann solidarisch Gebührengegner geworden sind, innerlich aber eigentlich immer noch Gebührenbefürworter sind, zu einer gebührenfreundlichen Einstellung zurückführen.
Ich bin sicher, dass alle an den Hochschulen von der Reform profitieren werden: die Studierenden – auch die Studierenden, die gegen Studiengebühren sind – und die Lehrenden an allen Hochschulen und Berufsakademien. Wir werden damit den Hochschulstandort Baden-Württemberg nach vorne bringen.
Die Hochschulen werden nach Abzug der Befreiungen ca. 200 Millionen € zusätzlich pro Jahr einnehmen. Davon müssen etwa 10 % zurückgestellt werden wegen des Ausfallrisikos von Krediten, die nicht zurückgezahlt werden können – von denjenigen, die später nicht in die Lage kommen, ihr Studiendarlehen zurückzuzahlen –, sodass den Hochschulen netto etwa 180 Millionen € zur Verfügung stehen werden. Wir haben immer gesagt: Netto wird der Betrag der Studiengebühren voll zur Verfügung stehen. Ich hoffe, dass alle den Begriff netto verstehen, wie auch alle die Prozentrechnung beherrschen sollten.