Wir müssen die Prinzipien festlegen und die Patientenverfügung dann so konkret wie möglich ausgestalten. Wir müssen übrigens auch dafür sorgen, dass der Arzt im Zweifelsfall weiß, dass es eine Patientenverfügung gibt. Notwendig ist also eine zentrale Stelle, bei der man nachfragen kann. Eine Patientenverfügung nützt in kritischen Fällen oft nichts, wenn der Arzt nichts von ihrem Vorhandensein weiß. Aber diese Grundsätze können dem Arzt die eigene Verantwortung in der konkreten Situation nicht abnehmen. Alle Entscheidungen müssen letztendlich individuell erarbeitet werden.
Selbstverständlich verantwortlich. Umso wichtiger ist es, eventuelle strafrechtliche Grauzonen so zu regeln, dass er
bei dieser individuellen Entscheidung letztendlich nicht noch gegen Regelungen des Strafrechts verstößt.
Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt sagen. Wir nutzen diese Debatte ein Stück weit auch dazu, Aufklärung zu betreiben. Mir ist wichtig, dass wir die in der Palliativmedizin unbestritten schon bestehenden Strukturen weiter ausbauen müssen bis hin zur Einrichtung eines Lehrstuhls für diesen Bereich.
Ich höre immer wieder die Auffassung: Palliativmedizin gleich Schmerzmedizin. Im Prinzip läuft es im Wesentlichen darauf hinaus, aber es handelt sich nicht alleine um Schmerztherapie, sondern auch um soziale Begleitung. „Palliativ“ kommt ja von dem lateinischen Wort „pallium“ – der Mantel, das Tuch. Bei diesem Begriff zeigt sich wiederum ein Umdenken. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Palliativmedizin für Ärzte früher geheißen hat: „Sag dem Patienten möglichst nicht, dass er todkrank ist, sondern behandle ihn so, dass er meint, du behandelst ihn, damit er wieder gesund wird.“ Das ist der eigentliche Sinn des Wortes „Palliativmedizin“. Wir benutzen es jetzt zu Recht anders. Wir müssen heute mit dem Sterben als integrativem Bestandteil des Lebens anders umgehen. So wie zu Lebensbeginn ethische Fragen auftauchen, so ist es auch zum Ende des Lebens. Fragen, mit denen sich jeder auseinander setzen muss, werden dann im Mittelpunkt stehen, sodass wir unter diesem „Mantel“, unter dieser Behandlung heute etwas anderes verstehen als früher.
Zum Thema Schmerztherapie muss man der Ehrlichkeit halber schon noch eines sagen. Beim Thema Betäubungsmittelverordnung gingen, wie sich auch bei Diskussionen in diesem Haus zeigte, auch bei der Ärzteschaft immer sofort die Warnlampen an. Man hat nicht so gern ein solches Rezept ausgestellt, weil man immer wusste: Das könnte schwierig werden. Die Zeiten sind vorbei, Kollege Lasotta. Aber das war schon auch ein Hemmschuh, verursacht durch den etwas abstrusen Gedanken: Diese Mittel machen doch süchtig. Das war tatsächlich ein Hemmnis, und zwar auch in den Köpfen der Ärzte, die etwas verordnen mussten. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Ich will bloß noch einmal darauf hinweisen.
Ein weiterer Hinweis muss natürlich auch sein: Wirtschaftlichkeit – das sagen wir alle – darf nicht die zentrale Rolle spielen, sie soll möglichst überhaupt keine Rolle spielen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Es darf also weder dazu kommen, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen Maßnahmen eingespart werden, noch dazu, dass Maßnahmen durchgeführt werden, um an ihnen gar noch zu verdienen. Vielmehr haben wir auch schon bei der Vergütung dafür zu sorgen, dass derjenige, der von diesen Möglichkeiten wirklich korrekt Gebrauch macht, anschließend nicht über Budgetkürzungen und solche Dinge bestraft wird. Da sind natürlich auch ganz konkrete Details diesem neuen Denken anzupassen.
Lassen Sie mich schließen. Wir sind uns Gott sei Dank sehr in einem klaren Nein zur aktiven Sterbehilfe einig und auch darin, dass wir selbstverständlich die Möglichkeiten, die die moderne Medizin bieten kann, aber auch die Möglichkeiten, die bürgerschaftliches Engagement uns schon heute an vielen Stellen vorlebt, gemeinsam voranbringen müssen. Damit befassen wir uns zum Teil tatsächlich mit einem Tabu, dessen Botschaft viele weit von sich stoßen. Es geht darum, sich konkret mit der eigenen Endlichkeit des Lebens
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch ein paar Ausführungen zum Thema „Ausbau der Hospize und Palliativmedizin“ machen. Die Diskussion, die sich daraus ergeben hat, dass die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland wieder zum Thema geworden ist, hält Eugen Brysch, der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, für eine Scheindiskussion. Das eigentliche Problem liegt in seinen Augen darin, dass Sterbende in Deutschland nicht genügend versorgt sind und dass aufgrund dieser Erfahrung die Angst vor Pflegebedürftigkeit im Alter wächst. Von 850 000 Sterbenden und Schwerstkranken werden nach seinen Angaben nur 4,1 % in Hospizen und 2 % in Einrichtungen mit intensiver Schmerztherapie betreut. Das muss geändert werden. Ich bin mit Herrn Brysch einer Meinung, dass die Zustimmung zur Sterbehilfe sinkt, wenn die Versorgung Schwerstkranker besser wird.
Dies wird auch durch eine Umfrage bestätigt, die aufzeigt, dass die Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe sinkt, wenn die Befragten über die Möglichkeiten der Sterbebegleitung und der Palliativmedizin aufgeklärt werden. So bevorzugen 56 % Schmerzmedizin und Hospizarbeit, aber immerhin 35 % die Sterbehilfe. Dabei muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass nur 3 % der Bevölkerung überhaupt etwas mit dem Begriff „Palliativmedizin“ anfangen können. Ich glaube, da herrscht noch ein großer Bedarf an Aufklärung, die wir alle gemeinsam leisten müssen.
Jetzt noch ein Punkt zum Thema Patientenverfügung. Dass ein großer Bedarf an Diskussionen über die Patientenverfügung besteht, zeigt allein die Tatsache, dass immerhin schon 7 Millionen Menschen Patientenverfügungen haben. Aber die Rechtsunsicherheit bei den Patientenverfügungen ist groß. Deshalb muss sich der Deutsche Bundestag mit diesem Thema auseinander setzen. Nach einem Beschluss der Justizministerkonferenz – ich glaube, von letzter Woche – ist Frau Justizministerin Zypries jetzt beauftragt, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten.
Über diesen Gesetzentwurf müssen wir dann einfach streiten. Es muss gesellschaftlich diskutiert werden, wie weit eine solche Patientenverfügung reichen soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist aber keine rein juristische Diskussion, sondern auch eine Diskussion über die Frage nach un
serem Menschenbild. Die Würde des Menschen zu schützen kann sowohl den Verzicht auf sterbebeschleunigende Maßnahmen als umgekehrt auch den Einsatz lebensverlängernder Maßnahmen bedeuten.
Die Schlussfolgerung ist für mich ganz klar ein unmissverständliches Verbot der aktiven Sterbehilfe. Passive Sterbehilfe jedoch, die auf ein menschenwürdiges Sterbenlassen hinzielt, ist erlaubt und in manchen Fällen sogar geboten.
Ich habe schon in der ersten Runde den Ausbau der Hospizund der Palliativmedizin angesprochen. Jetzt möchte ich noch einmal auf das eingehen, was Sozialminister Renner vorhin gesagt hat.
Der Sozialminister hat angesprochen, dass wir die Einrichtung eines Lehrstuhls für palliative Versorgung in der Medizin auch in Baden-Württemberg brauchen. Dieser Vorschlag ist ja nicht neu, sondern ihn gibt es schon seit einigen Jahren. Wenn dieser Vorschlag aufgenommen und auch umgesetzt würde, würde ich das sehr begrüßen. Ich fordere das Sozialministerium daher auf, in dieser Richtung tätig zu werden – genauso wie im Bereich des Ausbaus der Schmerztherapie.
Vor vier Jahren hat sich in Baden-Württemberg das Schmerzforum Baden-Württemberg gegründet und eine Schmerzkonzeption für das Land Baden-Württemberg entwickelt. Im Endausbau sollen landesweit an zwölf Standorten regionale Schmerzzentren ausgewiesen sein. Von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt. Auch in diesem Bereich müssen wir zukünftig Schwerpunkte setzen, damit das Ganze nicht eine Vision bleibt, sondern damit diese zwölf regionalen Schmerzzentren auch eingerichtet werden.
Zudem muss das Sozialministerium eine aktivere Rolle im Hinblick auf die Qualifizierung und Weiterbildung der Mediziner und der Pflegekräfte einnehmen. Die Zusammenarbeit mit der Ärztekammer muss intensiviert werden.
Wenn wir das alles tatsächlich machen und zudem in den nächsten Jahren einen finanziellen Schwerpunkt im Bereich der Hospizarbeit und der Palliativmedizin setzen, dann, denke ich, sind wir hier in Baden-Württemberg auf einem guten Weg.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze – Drucksache 13/4858
Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Regierung freie Redezeit festgelegt.
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf – lassen Sie mich das vorweg bemerken – wird sicherlich bei eini
gen Zuhörerinnen und Zuhörern Emotionen auslösen. Ich weise aber darauf hin, dass es nach der Geschäftsordnung unseres Landtags nicht zulässig ist, von der Tribüne aus Beifalls- oder Missfallensbekundungen abzugeben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Einführung allgemeiner Studiengebühren ist eine Art Schlussstein einer grundlegenden Innovationsstrategie für unser Hochschulsystem. Es schließt sich an die umfassende Gesetzgebung des Landeshochschulgesetzes vor ca. einem Jahr an, mit dem wir den Weg der Deregulierung, der Ausweitung der Hochschulautonomie und der Schaffung klarer Leitungsstrukturen für unsere Hochschulen gegangen sind und bundesweit Maßstäbe gesetzt haben.
Hinzu kam die Novelle zur Stärkung der Selbstauswahl der Studierenden durch die Hochschulen und schließlich im gleichen Kontext die durchgreifende Reform der ZVS, die in der Kultusministerkonferenz ebenso hart hat durchgekämpft werden müssen wie die hochschulrechtliche Anerkennung der Abschlüsse unserer Berufsakademien.
Unser Land steht vor großen Herausforderungen, ebenso wie die Hochschulen als Grundstein der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs von Baden-Württemberg. Dazu bedarf es einer neuen Mentalität und zusätzlich zu den stabilen staatlichen, öffentlichen Ressourcen weiterer Finanzierungsquellen für die Hochschulen. Dies sind Forschungsdrittmittel, Sponsorengelder, aber eben notwendigerweise auch Studiengebühren.
Es gibt kaum ein größeres, mit uns vergleichbares Land auf dieser Erde, das keine Studiengebühren für die Hochschulfinanzierung eingeführt hätte.
Den Weg zu Studiengebühren hat erst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar dieses Jahres geöffnet. Baden-Württemberg hat dies durch seinen Normenkontrollantrag maßgeblich mitinitiiert. In dieser Grundsatzentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht das im Hochschulrahmengesetz etablierte Studiengebührenverbot des damals noch von SPD und Grünen regierten Bundes für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt.
Wir haben aufgrund des Handlungsspielraums, den dieses Urteil dem Land eröffnet hat, schnell, aber sorgfältig und mit Bedacht reagiert und gehandelt. Das Ergebnis ist der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf: ein ausgewogener, juristisch abgesicherter Entwurf, dem das Kunstwerk gelingt, die Balance zwischen nennenswerten Mehreinnahmen für die Hochschulen auf der einen Seite und der Wahrung des Sozialstaatsgebots auf der anderen Seite herzustellen. Für uns bedeutet das, dass durch die Einführung von Studienge
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Regina Schmidt- Kühner SPD: Tosender Beifall! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)
Baden-Württemberg setzt mit diesem Gesetzentwurf seine Vorreiterfunktion bei hochschulrechtlichen Innovationen fort. Wir haben als erstes Land die Planungen konkretisiert und waren maßgebend für die gemeinsamen Grundsätze aller Länder, die Studiengebühren einführen. Wir bringen als erstes Land ein vollständiges und eigenständiges Gesetzeswerk in den Landtag ein.
Aber wir haben bewusst keinen Alleingang vorgenommen, sondern uns mit allen Ländern, die Studiengebühren einführen, abgestimmt. Wir haben dabei darauf geachtet, dass gerade auch durch unsere Vorarbeiten harmonisiert worden ist und dass mobilitätshemmende Unterschiede in der Gebührengesetzgebung vermieden worden sind. Die Gebührengesetze anderer Länder folgen in vielem unserem Gesetzentwurf. Auch die Kultusministerkonferenz hat eine Arbeitsgruppe zu Studiengebühren eingerichtet, in der übrigens alle Bundesländer mitarbeiten, auch die SPD-regierten Länder.