Protocol of the Session on December 1, 2005

len auseinander setzen und Einzelfallgerechtigkeit herstellen kann.

Generell könnte man auf zwei Wegen zu einer Lösung kommen: Der eine Weg wäre – Frau Utzt hat das eben auch schon angedeutet – eine weniger restriktive Anwendung des Zuwanderungsgesetzes, das ja in seinem § 25 Abs. 5 einen humanitären Aufenthaltstitel ermöglicht. Im Land wird von dieser Möglichkeit aber so gut wie kein Gebrauch gemacht.

Die Abschaffung von Kettenduldungen war jedoch eine der Zielsetzungen des Zuwanderungsgesetzes, auch wenn Herr Innenminister Rech vor kurzem in einer Presseerklärung öffentlich erklärt hat, wir hätten das falsch verstanden. Wir empfehlen Ihnen einen Blick in die Begründung des Gesetzes; darin steht explizit, dass es auch um die Abschaffung von Kettenduldungen geht. Das hat auch die große Koalition jetzt in ihrem Koalitionsvertrag nochmals bestätigt und festgestellt, die intendierte Abschaffung von Kettenduldungen sei bislang nicht erreicht worden. Deswegen liegt es nahe, entweder über § 25 Abs. 5 oder – und das ist die zweite Möglichkeit – über eine Altfallregelung zu einer Verbesserung der Situation zu kommen.

Ich hoffe, zumindest der neue Koalitionsvertrag der großen Koalition ermutigt Sie, Herr Innenminister, sich in dieser Sache zu bewegen.

Für eine bundesweite Altfallregelung, auf die sich die Innenministerkonferenz einigen könnte, gibt es ja auch einige Vorbilder aus den vergangenen Jahren. Es gab 1996 und 1999 Altfallregelungen, die positiv hervorzuheben sind. Die Länder hatten damals den Spielraum, den Aufenthaltstitel zunächst quasi auf Probe zu erteilen und den Betroffenen damit zu ermöglichen, sich auf der Grundlage dieser Regelung erst einmal eine Erwerbstätigkeit zu suchen. Erst bei der Verlängerung ihres Titels wurde dann festgestellt, ob sie es in der Tat geschafft haben, sich eigenständig zu finanzieren. Das ist, glaube ich, ein gutes Modell, das man auch jetzt wieder ermöglichen sollte.

Im Gegensatz dazu ist der von der FDP in Nordrhein-Westfalen initiierte Vorschlag für eine Bleiberechtsregelung, glaube ich, ein Vorschlag, der ins Leere läuft. Denn er trägt den aktuellen Gegebenheiten und der aktuellen Lage nicht genügend Rechnung.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: E i n Vorschlag!)

NRW schlägt ja ein Bleiberecht für Personen vor, die seit sechs Jahren hier leben, geduldet sind, ihren Lebensunterhalt seit zwei Jahren durch Arbeit sichern und hierzu einen unbefristeten und sozialversicherten Arbeitsvertrag vorlegen. Da muss man sich doch fragen: Wer hat – insbesondere von den Leuten in dieser Lebenslage – heutzutage eigentlich einen unbefristeten sozialversicherten Arbeitsvertrag? Das kommt kaum mehr vor. Warum sollen nicht auch 400-€-Jobs herangezogen werden? Dieser Vorschlag entspricht, glaube ich, nicht den heutigen Realitäten. Ich glaube, damit stößt man ins Leere.

(Zuruf des Abg. Heinz CDU)

Man muss ja auch berücksichtigen: Seit das Zuwanderungsgesetz in Kraft ist, kommen immer mehr Geduldete, wenn

sie ihre Aufenthaltsgenehmigung und ihre Arbeitsgenehmigung verlängern lassen wollen, in die Situation, dass sie deshalb keine Verlängerung erhalten, weil sie durch das Vorrangprinzip bei der Besetzung von Arbeitsplätzen nicht mehr zum Zuge kommen. Immer mehr Leute werden also unfreiwillig aus dem Arbeitsleben herausgedrängt. Man kann jetzt nicht von genau den Leuten, die unfreiwillig nicht mehr arbeiten dürfen, als Voraussetzung für ein weiteres Bleiberecht verlangen, einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorzulegen. Deshalb empfehlen wir, das NRW-Modell nicht zu übernehmen und sich eher an den Vorschlägen aus Berlin zu orientieren.

Wir bitten Sie also abschließend und fordern Sie auf: Treten Sie der Forderung der baden-württembergischen Härtefallkommission bei, schließen Sie sich dem Vorschlag der Oppositionsfraktionen an, und sorgen Sie dafür, dass die Innenministerkonferenz den Weg für eine Altfallregelung frei macht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Zimmermann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe um diese späte Uhrzeit schon mit einer Präsidentin gerechnet und so auch meinen Redebeitrag geschrieben, aber ich habe mit einer anderen Präsidentin gerechnet.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ganz schön clever! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das muss doch jetzt nicht sein! Was soll denn das?)

Aber bei der Recherche „Wo ist jetzt die Präsidentin?“ habe ich festgestellt – Sie haben ja gebeten, der Ausländerbeauftragte solle kommen; er wird wahrscheinlich nicht so schnell kommen können, bevor die Dunkelheit noch weiter fortschreitet –: Wir müssten jetzt in das Klosterhotel Hirsau gehen, denn heute um 17 Uhr hat die Frau Präsidentin

(Abg. Scheuermann CDU: Reine Erpressung!)

den Ausländerbeauftragten und Justizminister in das Hirsch-Hotel nach Hirsau eingeladen, um eine Diskussion zu führen.

(Abg. Drexler SPD: Am Plenartag? – Abg. Birzele SPD: Wer hat das gemacht? – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Was hat denn das mit dem Thema zu tun? Also das geht nicht!)

Das nur zur Aufklärung.

(Abg. Drexler SPD: Das ist ja ungeheuerlich! Wir hatten doch ausgemacht, dass das gar nicht geht! – Abg. Birzele SPD: Das ist ja unerhört! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Was hat das mit dem Thema zu tun? – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)

Ich habe trotzdem dafür gestimmt, dass wir heute diesen Tagesordnungspunkt behandeln. Denn, meine Damen und

Herren, beide Anträge, der Antrag der SPD und der Antrag der Grünen, haben zwar unterschiedliche Formulierungen, aber dieselbe Zielrichtung, und zwar ein Bleiberecht für geduldete Asylbewerber und Flüchtlinge hier in Deutschland herbeizuführen.

Wie Sie wissen, ist in das Zuwanderungsgesetz gerade nicht eine allgemeine Bleiberechtsregelung eingefügt worden, auch nicht für so genannte Altfälle. Die Forderung nach einem Bleiberecht für langjährig Geduldete ist im Gesetzgebungsverfahren zum Zuwanderungsgesetz zwar immer wieder vehement gestellt worden, insbesondere von der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung und von den Kirchen. Eine Einigung ist hier aber nicht zustande gekommen, auch aufgrund der Forderungen der Grünen, die dazu in einer Arbeitsgruppe Erhebliches beigetragen haben. Die Bleiberechtsforderung wurde vonseiten der Union stets mit Nachdruck zurückgewiesen.

Meine Damen und Herren, weshalb weisen wir diese Forderung zurück? Wir brauchen in der Ausländerpolitik Glaubwürdigkeit, und wir müssen einen Anreiz vermeiden.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: 1996 gab es das schon einmal!)

Darauf komme ich schon noch, Frau Bauer.

Bleiberechtsregelungen betreffen ausreisepflichtige Ausländer. Sie sind das Gegenteil von Zuwanderungsbegrenzung. Für diejenigen, die von den wesentlichen Verbesserungen, die das Zuwanderungsgesetz im humanitären Bereich gebracht hat – die dazu führen, dass diese Personen nicht abgeschoben werden können –, nicht erfasst sind und denen eine freiwillige Ausreise nicht möglich ist, haben wir uns auf die Einrichtung der Härtefallkommission geeinigt. Wer auch diese nicht mit positivem Ergebnis durchläuft, muss das Land verlassen. Alles andere schadet der Glaubwürdigkeit in der Ausländerpolitik.

Seien wir ehrlich, Frau Bauer: Eine Bleiberechtsregelung belohnt doch letztlich diejenigen, die sich hier nicht rechtmäßig aufhalten. Sie können untergetaucht sein, sie können sich zwischenzeitlich unter einem anderen Namen im Land aufhalten oder in einem anderen Bundesland aufhalten. Da muss ich sagen: Wenn die ihrer Ausreisepflicht nachkommen und die anderen nicht, dann fragt mich jeder: Warum bin ich ausgereist, und ein anderer, der sich hier illegal aufhält, hat jetzt ein Bleiberecht erhalten? Da muss ich ehrlich sagen: Diese Legalisierung, die Sie beabsichtigen, widerspricht der allgemeinen Rechtsauffassung.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Anträge lesen, Herr Zimmermann! – Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD – Abg. Birzele SPD: Die Innenminister haben doch bisher verschiedene Altfallregelungen be- schlossen!)

Wir haben ja hierfür das Petitionsverfahren, und jetzt haben wir noch die Härtefallregelung.

(Zurufe der Abg. Theresia Bauer und Oelmayer GRÜNE)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie haben ja vorhin diese 18%-Regelung genannt. 18 % der Fälle sind jetzt schon in der

Härtefallkommission als berücksichtigungsfähig erkannt worden

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

und zur Weiterbearbeitung an das Innenministerium gegangen.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Es funktioniert doch. Aber wollen Sie jetzt daraus ableiten, dass es dann ein Bleiberecht gibt? Dafür haben wir die Härtefallkommission.

Ich habe mir heute auch Gedanken darüber gemacht: Man reist ein, es kommt ein Asylantrag. Der Asylantrag wird abgelehnt. Dann kommt der Asylfolgeantrag. Der wird abgelehnt. Dann kommt der Asylantrag für die Frau, für ein Kind. Es kommen Asylfolgeanträge dazu. Für alle Familienmitglieder wird das durchgemacht. Um welchen Zeitraum geht es da? Ich weiß nicht, ob Sie im Petitionsausschuss sind. Herr Oelmayer, in der Regel sind diese Leute mindestens acht Jahre – acht Jahre! – da und haben den Rechtsweg – ich sage jetzt nicht: ausgenutzt – ausgeschöpft.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ja!)

Richter haben entschieden: „Nein, du genießt kein Asylrecht.“ Dann ist dieses richterliche Asylverfahren abgeschlossen. Jetzt geht es auf die Verwaltungsebene, und dort spricht man Duldungen – Dreimonatsduldung, Einmonatsduldung – aus.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Es gibt auch einfach Härtefälle!)

Passen Sie doch auf! Acht Jahre sind es allein, wenn der Rechtsweg bei uns ausgeschöpft wird. Und Sie stellen den Antrag, schon nach sechs Jahren ein Bleiberecht herbeizuführen! Wenn Sie einen Antrag gestellt hätten, um diese Verfahren schneller zu machen und zu beschleunigen, damit das nicht fast zehn Jahre dauert, sondern endgültig und rechtskräftig in fünf Jahren entschieden sein muss,

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Kollege Zimmermann, das ist Bundesrecht!)

dann wäre ich auf Ihrer Seite.

(Abg. Behringer CDU: So ist es! Genau!)

Aber Sie wissen haargenau, dass diese Rechtswegausschöpfung gegeben ist.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Aus diesem Grund – meine Sprechzeit ist zu Ende –