Protocol of the Session on November 30, 2005

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Reichardt CDU: Antragsrecycling! – Abg. Stickelberger SPD: Nicht versetzt! – Oh-Rufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne begrüße ich besonders eine Delegation der beiden Kammern des Parlaments von Bosnien und Herzegowina.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Geleitet wird die Delegation vom Präsidenten der Völkerkammer, Herrn Mustafa Pamuk, und dem Präsidenten des Repräsentantenhauses, Herrn Nikola Spiric.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Der Botschafter von Bosnien und Herzegowina in der Bundesrepublik Deutschland, Herr Mitar Kujundzic, und der Generalkonsul mit Sitz in Stuttgart, Herr Dragan Bagaric, begleiten die Parlamentarierdelegation. Auch Sie herzlich willkommen!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Verehrte Gäste aus Bosnien und Herzegowina, ich wünsche Ihnen weiterhin einen angenehmen und informativen Aufenthalt in unserem Land. Außerdem wünsche ich Ihnen sowie allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Ihres Landes eine friedliche und gute Zukunft.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich nun Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten den letzten Haushalt vor der Landtagswahl, und wir als Grünen-Fraktion haben ein zukunftsorientiertes, schlüssiges und seriös gegenfinanziertes Konzept zu diesem Haushalt vorgelegt. Sie haben einen Teil der Anträge vor sich liegen. Wir investieren zum einen mit unserem Konzept in die Zukunft von Baden-Württemberg. Wir investieren in kluge und kreative Köpfe und in den chancengleichen Zugang zum Bildungssystem. Wir setzen auf eine aktive Bürgergesellschaft. Wir halten im Kulturbereich Versprechungen, die der Ministerpräsident gemacht hat, aber nicht einlöst.

(Abg. Reichardt CDU: A wa!)

Wir setzen mit unserer Strategie „Weg vom Öl“ auf eine intakte Umwelt, und wir schaffen damit mehr Arbeitsplätze in diesem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der CDU: Ihr setzt dabei nur auf die falsche Kom- ponente!)

Aber wir bringen hier nicht nur Haushaltsanträge ein, bei denen wir mehr Finanzmittel brauchen, sondern alle Anträge sind gegenfinanziert, und wir kommen noch zu einer Einsparung von 7 Millionen €. Wir stellen uns der wichtigen Aufgabe der Aufgabenkritik. Wir machen Vorschläge, wo Schwerpunkte gesetzt werden sollen und wo eingespart werden soll.

Mit unserem Entschließungsantrag „Fahrplan 2015“, Drucksache 13/4873-21, zeigen wir die längerfristigen konkreten Handlungsbedarfe in diesem Land auf. Wir nehmen das Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik ernst. Wenn Sie, Herr Kollege Herrmann, von einem nachhaltigen Haushalt sprechen, dann sieht man, dass das Thema Nachhaltigkeit bei der CDU

(Abg. Reichardt CDU: Gut aufgehoben ist, bestens aufgehoben ist!)

wirklich noch nicht verstanden worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir setzen uns für Generationengerechtigkeit ein, wir schlagen Instrumente wie die Schuldenbremse vor, und wir machen Vorschläge zur strukturellen Haushaltsentlastung wie die Streichung der 13. Monatspension im gehobenen und höheren Dienst.

Wir erwarten, dass sich diese Landesregierung und die Regierungsfraktionen ernsthaft mit diesen Vorschlägen auseinander setzen und Sie, Herr Finanzminister Stratthaus, Stellung zu den Vorschlägen beziehen, zum Beispiel zu unserem Vorschlag, die 13. Monatspension zu streichen, und uns sagen, wie Sie mit den Pensionsverpflichtungen im Land zukünftig umgehen wollen.

Das Postulat, dass es eines Tages anders wird, dass es dann besser wird, wenn wir mehr Wirtschaftswachstum haben, oder dass es schon in der Generation des Ministerpräsidenten zu einer Besserung, zu einer Konsolidierung im Landeshaushalt kommt, ist uns zu vage und reicht nicht aus.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Lassen Sie mich die einzelnen Schwerpunkte aufzeigen.

Schwerpunkt Bildung: Demografischer Wandel bedeutet: Wir können auf kein einziges Kind und keinen einzigen Jugendlichen verzichten. Deshalb schlagen wir vor, die Mittel aus dem Projekt „Schulreifes Kind“ für den Orientierungsplan vorzusehen; denn wir wollen nicht, dass die Selektion, die im Schulsystem nachweislich stattfindet, in den Kindergarten vorverlegt wird.

Wir sorgen für einen raschen flächendeckenden Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Wir investieren in pädagogisches Personal für die Ganztagsschulen. Das ist

nach wie vor bei den Vorschlägen der Landesregierung und der Regierungsfraktionen nicht der Fall. Wenn Sie Ganztagsschulen als wichtig ansehen, dann kann man sie nicht auf der Grundlage von Ehrenamt ausgestalten, sondern dann muss es mehr pädagogisches Personal für bessere Schulen geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Schließlich steigen wir heute in das Bruttokostenmodell für die freien Schulen ein. Wir schließen uns der Verzögerungstaktik nicht an; schon heute stellt sich die Aufgabe, diesen Schulen mit dem Bruttokostenmodell eine neue Grundlage zu geben.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren rasant ansteigen. Wir wissen das alle. Deshalb ist unsere Gesellschaft darauf angewiesen, dass alle, auch Familienangehörige, aktiv bei der Pflege mithelfen. Hier zu streichen, wie es die Landesregierung tut, ist kontraproduktiv und wird von uns entschieden abgelehnt. Das gilt auch für das Aushungern der Stabsstelle für bürgerschaftliches Engagement. Nur von der Bedeutung der aktiven Bürgergesellschaft zu reden, aber dann anders zu handeln, passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zweite Zukunftsinvestition: Weg vom Öl. Jede Preissteigerung beim Rohöl um einen Dollar je Barrel kostet die deutsche Volkswirtschaft 1 Milliarde €. Deshalb brauchen wir auch in Baden-Württemberg dringend eine Strategie, die uns vom Öl unabhängiger macht und die auf energetische Sanierung, Energieeinsparung sowie eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien setzt. Das ist die Wachstumsbranche der nächsten Jahrzehnte, meine Damen und Herren – nicht die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Letzteres ist ein Arbeitsplatzverhinderungsprogramm. Die Investition in erneuerbare Energien ist das, worum es in Zukunft geht.

(Abg. Fleischer CDU: Wie Sie die Probleme lösen! Oh weh, oh weh!)

Hier müssen Sie nachlegen, wenn Sie die Ziele, die Sie in Ihrem Umweltplan festgeschrieben haben, tatsächlich auch erreichen wollen. Sie können heute durch Ihre Zustimmung zu unseren Anträgen zeigen, ob es Ihnen mit Ihren Zielen tatsächlich ernst ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Zur Aufgabenkritik, meine Damen und Herren: Ja, wir treten dafür ein, die Förderung der Regionalmessen zu streichen. Wir tun dies mit den Begründungen, die der Landesrechnungshof für seine Kritik an der Förderung in seiner aktuellen Denkschrift angeführt hat. Darin heißt es: „Die Förderung … hat … zu einem verschärften Wettbewerb beigetragen.“

Das Gleiche gilt für die Regionalflughäfen. Auch hier gibt es mittlerweile Untersuchungen, wonach ein Ausbau der Regionalflughäfen zu Fehlallokationen von Ressourcen führt.

Schließlich: Was den Straßenbau angeht, Herr Kollege Herrmann, da wird auf „Teufel komm raus“ oder auf „Oettinger komm raus“ geplant, geplant und geplant.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Vom Bund werden ständig mehr Mittel gefordert. Zukunftsinvestitionen sind das allemal nicht.

(Abg. Herrmann CDU: Aber sicher! – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Das ist ein Spiel ohne Gewinnchancen. Da machen wir nicht mit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Jetzt stellt sich die entscheidende Frage: Wie soll es in Baden-Württemberg langfristig weitergehen? Der Horizont, den wir im vorliegenden Nachtrag finden, reicht bis zum 26. März 2006.

(Abg. Scheuermann CDU: Immerhin! – Zuruf des Abg. Dr. Schüle CDU)

Alles für die Zeit danach sind Luftbuchungen, fromme Wünsche und ist Gesundbeten. Bei der mittelfristigen Finanzplanung sehen wir, dass die strukturellen Defizite bei einem Stand von 3 Milliarden € bleiben.

Der Kollege Herrmann hat gerade ausgeführt: Die Kreditaufnahme sinkt, aber in der gleichen Weise steigen auch die Deckungslücken. Sie, Herr Kollege Herrmann, sagen, wir brauchten eine realistische Schätzung des Wirtschaftswachstums und der Steuereinnahmen. Dann aber werden die Deckungslücken noch größer sein, als sie in der mittelfristigen Finanzplanung dargestellt sind.

(Abg. Herrmann CDU: Abwarten! Grün regiert nicht mehr! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Der vorgelegte Haushalt stellt keinen nachhaltigen Haushalt, keine Planung für die Zukunft dar. In ihm spiegelt sich vielmehr kurzfristiges Denken wider.

(Abg. Scheuermann CDU: Sie haben doch sieben Jahre Zeit gehabt, so etwas zu machen!)

So sehen wir das auch beim Thema „Verfassungsmäßiger Haushalt“. Es ist auch Ihr Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, einen verfassungsmäßigen Haushalt aufzustellen.