Protocol of the Session on November 30, 2005

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist unglaublich!)

Zum Zweiten können sie dieses auf deutschen Feldern angebaute Getreide zollabgabenfrei in die Schweiz einführen, und sie erhalten zum Dritten deutlich höhere Prämien als die deutschen Bauern.

Herr Kollege Capezzuto, machen Sie sich darüber nicht lustig. Das sind Bürger in Baden-Württemberg mit genau denselben Rechten und Pflichten, die genau denselben Schutz des Staates verdient haben wie einer im mittleren Neckarraum, im Odenwald oder auch woanders.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Drautz FDP/DVP und Dr. Witzel GRÜNE)

Die aufgezeigten Wettbewerbsvorteile der schweizerischen Landwirte heizen seit Jahren die Nachfrage nach hochwertigen Ackerflächen in der deutschen Zollgrenzzone an. Schweizer Landwirte sind ausnahmslos in der Lage, jedes von einheimischen Landwirten auf der Grundlage der hiesigen Einkommensverhältnisse kalkulierte Angebot zu überbieten. Kauf- und Pachtangebote bis zu 50 % über den ortsüblichen Preisen sind daher an der Tagesordnung.

Die Folgen des Expansionsdrucks auf die Agrarstruktur der deutschen Zollgrenzzone sind fatal. Frei werdende Flächen guter Bonität gehen immer häufiger an Schweizer Landwirte. Der einheimische Landwirt kann nicht mehr expandieren und fällt gegenüber seinen Schweizer Kollegen weiter zurück.

(Abg. Teßmer SPD: Die haben doch gern ver- kauft!)

Man kann nun ins Feld führen, dass die Schweiz ein wichtiger Handelspartner ist – das ist wahr – und täglich rund 30 000 baden-württembergische Arbeitnehmer in die Schweiz einpendeln. Man kann damit argumentieren und zu dem Schluss kommen, dass die Auswirkungen der Kaufund Pachtaktivitäten Schweizer Landwirte gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung als Lappalien erscheinen, als

Randproblem im wahrsten Sinn des Wortes. Die Landesregierung hat sich mit dieser Bewertung nie abgefunden. Sie hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Existenz von rund 600 betroffenen Betrieben in der Region nicht gegen Handelsinteressen und Pendlerarbeitsplätze aufgerechnet werden darf.

(Abg. Teßmer SPD: Aber die deutschen Landwirte haben es gern verkauft!)

Die Landesregierung hat die Bundesregierung seit Jahren über verschiedene Initiativen des Bundesrats immer wieder gedrängt, auf europäischer wie nationaler Ebene die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Kauf- und Pachtaktivitäten Schweizer Landwirte eingedämmt werden können. Erst nach hartem und zähem Ringen ist es uns gelungen, eine wenn auch nicht ganz unseren Vorstellungen entsprechende Gesetzesänderung zu erreichen, die uns eine Handhabe bietet, gegen regionale Fehlentwicklungen der Agrarstruktur vorzugehen.

(Abg. Teßmer SPD: Da haben Sie aber auch keine Solidarität der Landwirte!)

Ich will an dieser Stelle den Bundestagsabgeordneten Segner, Dörflinger, Drobinski-Weiß und Burgbacher ausdrücklich für ihre Hilfe danken, mannigfache Widerstände zu überwinden.

Das am 18. August in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Grundstücksverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes des Bundes verschafft den Ländern mit Öffnungsklauseln die Möglichkeit zur Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur.

(Abg. Teßmer SPD: Dann loben Sie es wenigstens mal!)

Das habe ich doch gerade gesagt. Ich sage ausdrücklich Dank dem Bund und den Mitstreitern, die unser Anliegen, weil wir es im Bundesrat eingebracht haben, dann im Bundestag – –

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Herr Kollege Teßmer, das war eine Gesetzesinitiative des Bundesrats – Sie vergessen, dass auch der Bundesrat Gesetzesinitiativen ergreifen kann –, die in den Bundestag überwiesen wurde, dort zuerst einmal ewig liegen blieb und auf den letzten Drücker, als sich die Bundestagswahl abzeichnete, Gott sei Dank, wenn auch modifiziert und nicht ganz in unserem Sinne, aber immerhin dem Grunde nach eine rot-grüne Mehrheit mit erhielt.

(Abg. Teßmer SPD: Also: „Es war gut“!)

Ja, gut. Man muss die Umstände einfach kennen, und ich glaube, ich habe sie deutlich dargelegt.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Aber so waren sie nicht! – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Wir schöpfen mit unserem Gesetz zur Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur die Spielräume für unsere Landwirte voll aus. Kaufverträgen ist demnach die Genehmigung zu versagen, wenn der in dem jeweiligen Vertrag vereinbar

(Minister Hauk)

te Kaufpreis – dasselbe gilt auch für den Pachtpreis – über 120 % des ortsüblichen Verkehrswerts liegt. Dieser Sonderversagungs- und Beanstandungsgrund findet Anwendung auf alle Verträge über landwirtschaftliche Grundstücke, die auf den zur deutschen Zollgrenzzone gehörenden Gemarkungen in den Landkreisen Waldshut, Schwarzwald-Baar, Konstanz und Tuttlingen liegen. Das Gesetz eröffnet unseren einheimischen Betrieben wieder die Chance, Grundstücke zu angemessenen Preisen zu erwerben oder zu pachten.

In diesem Zusammenhang will ich aber auch deutlich machen, dass das Gesetz allein den Konflikt nicht lösen wird. Die Landwirte vor Ort müssen ihren Beitrag dazu leisten. Sie müssen bereit sein, in einen der Genehmigungsbehörde vorgelegten Kauf- oder Pachtvertrag mit einem Schweizer Landwirt einzusteigen und dafür künftig unter Umständen bis an die Preisgrenze von 120 % des Verkehrswerts zu gehen. Geschieht dies nicht, wird das Instrument stumpf und ohne Wirkung bleiben. Sollte der Konflikt erneut aufbrechen, weil die einheimischen Landwirte nicht entsprechend einsteigen, wird es nach den Erfahrungen aus den bisherigen Verhandlungen schwierig werden, weiter gehende Lösungen zu erreichen.

Einen weiteren Punkt will ich zum Schluss erwähnen: Prämienzahlungen der EU an Schweizer Landwirte. Nach jetzigem Bearbeitungsstand haben 128 Schweizer Landwirte für eine Fläche von 1 787 Hektar Ackerland und 561 Hektar Dauergrünland Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen gestellt. Daraus resultiert ein Prämienvolumen von 575 000 €. Nach einer sehr groben Schätzung dürfte etwas mehr als die Hälfte, das heißt rund 1 400 Hektar der mit Anträgen belegten Fläche, als so genannte angestammte Fläche gelten.

Es ist schon ein Ärgernis: Da erhalten Schweizer Landwirte für angestammte Flächen, das heißt Flächen, die mindestens seit 1984 ununterbrochen in der deutschen Zollgrenzzone bewirtschaftet werden, von der Schweiz Direktzahlungen von rund 770 € pro Hektar – das sind 75 % der Direktzahlungen für Flächen in der Schweiz –, und im Vergleich dazu erhalten unsere Landwirte 300 € an Direktzahlungen durch die Europäische Union, und dann sollen die Schweizer Landwirte von der EU mit Direktzahlungen in gleicher Höhe wie die baden-württembergischen Landwirte noch einmal zusätzlich belohnt werden. Damit würden Schweizer Bauern für die Bewirtschaftung von Flächen in Deutschland nicht nur doppelt gefördert, sondern erhielten am Ende pro Hektar in Deutschland bewirtschafteter Fläche sogar rund 40 € mehr als innerschweizerische Landwirte. Kein Wunder, dass dies für die Schweiz ein willkommener Anlass ist, ihre Direktzahlungen um diesen Beitrag zu kürzen, den Schweizer Landwirte aus der EU-Kasse erhalten sollen. Die EU hat eine solche Anrechnung erst gar nicht geprüft.

Meine Damen und Herren, die Schweiz hat 1998 Direktzahlungen zum Teil gestrichen. Jetzt hält die Europäische Union Schweizer Bauern schadlos. Warum das alles? Das liegt auch daran, dass die EU nicht bereit ist, die Betriebsdefinition so zu fassen, dass nur solche Betriebe Direktzahlungen aus EU-Mitteln erhalten können, die auch in der EU niedergelassen sind – das ist, glaube ich, der Knackpunkt –, und es künftig nicht mehr ausreicht, nur Flächen innerhalb der Europäischen Union zu bewirtschaften. Vielmehr müss

te als Voraussetzung gegeben sein, dass sie niedergelassen sind.

(Abg. Teßmer SPD: Das kann der Herr Seehofer ja jetzt ändern!)

Wir haben daraufhin im Bundesrat einen Entschließungsantrag gestellt und die damals noch rot-grüne Bundesregierung gebeten, etwas zu tun. Jetzt ist es die schwarz-rote Bundesregierung. Sie steht in derselben Kontinuität.

(Abg. Teßmer SPD: Hoffen wir es!)

Herr Kollege Walter, wenn wir Länderinteressen vertreten, kennen wir zunächst keine Parteien, sondern nur die Bürger des Landes Baden-Württemberg.

(Abg. Teßmer SPD: Oh! – Abg. Walter GRÜNE: Mir kommen die Tränen!)

Deshalb haben wir die Bundesregierung gebeten, bei der Europäischen Union entsprechend vorstellig zu werden.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Tut die was?)

Wir setzen deshalb alles daran, dass Schweizer Landwirte keine weitere Flächen mehr aufnehmen können und mit ihrem Geld anschließend auch noch Unruhe im Handel mit Zahlungsansprüchen stiften.

Ich bitte um eine wohlwollende Beratung dieses Gesetzes im Ausschuss und schlussendlich nach der Zweiten Beratung dann auch um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schüle.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bitte kurz!)

Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! Das am 18. August 2005 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Grundstücksverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes verschafft den Ländern eine Öffnungsklausel und damit die Möglichkeit zur Abwehr der, wie es heißt, Gefahren für die Agrarstruktur in unserer Grenzregion. Das Land Baden-Württemberg hat von dieser Möglichkeit umgehend Gebrauch gemacht. Wir werden diesem Gesetz daher – das sage ich vorab – zustimmen. Das jetzt auf den Weg gebrachte Gesetz ist dringend erforderlich, um den Kauf, aber auch die Pacht schweizerischer Landwirte im Grenzbereich – also in den Landkreisen Waldshut, Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Konstanz – zum Nachteil der deutschen Landwirte zurückzudrängen.

Fakt ist: Von 1993 bis 2002 gingen 78 Hektar Fläche pro Jahr in das Eigentum von Schweizer Landwirten über. Dieser Wert hat sich in den Jahren von 2003 bis Mitte 2005 auf 512 Hektar erhöht. So hoch war allein der Eigentumsübergang. Deswegen haben wir im Augenblick die Situation, dass im Grenzbereich bereits 3 500 Hektar in Schweizer Hand sind.

Meine Damen und Herren, die Kernursache für diese Entwicklung basiert auf drei Punkten: Erstens erhalten die Schweizer Landwirte eine wesentlich höhere Grundförderung in Höhe von ungefähr 900 € pro Hektar, baden-württembergische hingegen nur 300 €. Zweitens erzielen sie höhere Verkaufserlöse, und zwar teilweise das Dreifache dessen, was in Deutschland zu erzielen ist. Drittens wissen wir, dass die Schweizer Agrarsubventionen weltweit am höchsten sind. Dazu kommt das deutsch-schweizerische Zollabkommen vom 5. Februar 1958, das noch immer in Kraft ist, das es den schweizerischen Landwirten erlaubt, zollfrei in die Schweiz zu importieren.

Deswegen ist diese Gesetzesänderung dringend notwendig. Die Kaufverträge werden zukünftig bei einem vereinbarten Kaufpreis von über 120 % des Verkehrswerts vergleichbarer Grundstücke nicht mehr genehmigt.

Meine Damen und Herren, dass im Deutschen Bundestag und im Bundesrat letztendlich die gesetzgeberischen Weichen gestellt werden konnten und wir das heute beraten können, ist allein auf die Initiative des Landes Baden-Württemberg zurückzuführen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Was? Also bitte! Herr Kollege, das ist aber neu! – Abg. Teßmer SPD: Nicht lügen! Jetzt aber! Jetzt geben Sie doch mal zu, dass etwas gemeinsam gelungen ist!)

Herr Kollege Winkler, Sie kommen ja noch ans Mikrofon. Ganz ruhig, Herr Kollege Winkler. Zu Ihnen und zu Ihrer fadenscheinigen Kritik in der „Badischen Zeitung“ komme ich noch.

(Abg. Teßmer SPD: Geben Sie doch einmal zu, dass es gemeinsam gelungen ist!)

Das Land Baden-Württemberg war frühzeitig aktiv. Bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für die Ratifizierung des Freizügigkeitsabkommens im Jahr 1999 hat das Land Baden-Württemberg verlangt, die Interessen der Landwirte in dieser Region in dieses Verfahren mit einzubeziehen. Das ist nicht gelungen.