Im Übrigen wird dieser Ausleseprozess verschärft durch die Situation, die Sie jetzt mit dem Konzept der G-8-Schule angerichtet haben. Wir müssen feststellen – und das ist keine Erfindung des Landeselternbeirats –, dass die Kinder inzwischen 45 Stunden in der Woche arbeiten. Ich meine, dass das nicht mehr zu verantworten ist.
Eines hat PISA gezeigt – ich will es einmal ganz überspitzt formulieren –: Die Wahl der Schulform wird nicht im Wesentlichen vom Leistungspotenzial der Schülerinnen und Schüler bestimmt, sondern zu einem erheblichen Teil von deren sozialem Hintergrund.
Noch eine interessante Feststellung: PISA hat gezeigt, dass zwei Drittel der baden-württembergischen Realschüler und gut ein Viertel der Hauptschüler, bezogen auf die Mathematikleistungen, auch ein Gymnasium besuchen könnten.
Zwei Drittel der Realschüler könnten das Gymnasium besuchen. Da müssen Sie sich doch fragen: Was macht Ihre starre, gegliederte Schulstruktur eigentlich noch für einen Sinn?
Längeres gemeinsames Lernen gilt für die tägliche Lernzeit als vorteilhaft. Das gilt aber auch für die Lernzeit über die Schuljahre hinweg.
Wir haben einen enormen Reformbedarf bei der Ganztagsschule und der Schulstruktur. Wir wollen, meine Damen und Herren, die sechsjährige Grundschule und, darauf aufbauend, eine vierjährige Regionalschule und ein sechsjähriges Gymnasium.
Geradezu abwegig ist die Antwort der Landesregierung auf unsere Forderung. Da werden Horrorszenarien an die Wand gemalt, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Ich nenne das nicht nur grotesk, sondern bezeichne das als bewusst irreführend.
Sie leugnen, dass unsere vierjährige Regionalschule die wohnortnahen Standorte stärkt. Schauen Sie doch einmal nach Rheinland-Pfalz!
Dort gibt es sogar CDU-regierte Gemeinden, die diese Regionalschule beantragen. Da können Sie doch nicht solche Horrorszenarien an die Wand malen.
Wenn Sie selbst nicht überzeugt sind: Wir waren in Thüringen und haben uns dort Schulen angeschaut. Der Schulausschuss hat sich dort über die Zweigliedrigkeit informiert und hat festgestellt, dass das hervorragend funktioniert. Thüringen hat bei PISA-E enorm zugelegt. Sachsen, das ebenfalls das zweigliedrige Schulsystem besitzt, hat BadenWürttemberg sogar überholt.
Das alles ignorieren Sie, meine Damen und Herren, weil Sie diese Dinge ideologisch verblendet sehen.
Im Übrigen ist den Schulen in Thüringen freigestellt, ob sie die zusammengelegte Haupt- und Realschule additiv oder integrativ führen. Mich hat es nicht erstaunt: Inzwischen werden drei Viertel der Schulen integrativ geführt. Die Tendenz ist steigend, wie wir erfahren konnten.
Schauen Sie sich um, schauen Sie über den Tellerrand des eigenen Bundeslandes hinaus, und erkennen Sie, was um uns herum stattfindet und wie erfolgreich andere Länder sind!
Bezeichnend sind auch die Ausführungen der Landesregierung in ihrer Stellungnahme zum CDU-Antrag zur Verlängerung der Grundschulzeit. Ich nehme an, Herr Rau wird nachher selbst ins gleiche Horn stoßen. Da werden Gegner der sechsjährigen Grundschule zitiert. Wo bleiben aber die positiven Aussagen zum Beispiel des runden Tisches der Pädagogen und der Eltern, die wir hier alle gehört haben? Wer so einseitig argumentiert, ist nicht nur blind auf einem Auge, sondern der fürchtet die bildungspolitische Bewegung, so, wie Sie es bei der Ganztagsschule ja erleben mussten. Sie haben sich – und das haben wir heute Morgen ja ausführlich debattiert – intensiv und massiv gegen die Ganztagsschulbewegung gewehrt, Sie haben blockiert, wo es ging. Was musste ich mir, was musste sich meine Fraktion hier, was mussten wir uns hier anhören? Eigentlich müssten Sie sich heute entschuldigen! Das wäre der richtige Weg.
Was bei Ihnen herauskommt, ist so ein bisschen „Ganztagsschule light“. Ich sage Ihnen voraus: Das, was Sie jetzt vorhaben – die Kommunen sind für die Halbtagsschule zuständig; dann gibt es ein bisschen Betreuung –, birgt die Gefahr in sich, dass hier letztendlich auch Betreuungsgebühren verlangt werden. Damit betreiben Sie die Einführung des Schulgelds durch die Hintertür. Das kann doch wohl nicht sein.
Sie haben den enormen Bedarf an Ganztagsschulen – ausgelöst durch das IZBB-Programm – verkannt. Sie handeln vor der Landtagswahl meiner Ansicht nach nicht aus Überzeugung oder Einsicht, sondern deshalb, weil Sie die Hosen voll haben.
Die Kommunen haben eingelenkt – das ist doch klar –, weil ihnen der Spatz auf der Hand wichtiger ist als die Taube auf dem Dach. Die Kommunen tragen den Löwenanteil dieser Finanzierung.
Jetzt haben Sie das Programm auf neun Jahre angelegt. Das müssen Sie sich einmal vorstellen: Ein ganzer Schülerjahrgang durchläuft die Schule, bevor überhaupt einmal die Möglichkeit besteht, in den Genuss einer Ganztagsschule zu kommen. Das ist Ihr Konzept. Das halte ich für nicht akzeptabel.
Dass Sie nichts davon kapiert haben, was der flächendeckende Ausbau einer Ganztagsschule wirklich bedeutet, wird daran ersichtlich, dass Sie nicht bereit sind, zusätzliches pädagogisches Personal zur Verfügung zu stellen. Ich wiederhole es auch: Ich nenne so etwas beschämend.
Noch immer müssen Schulträger nach § 22 einen Antrag stellen, noch immer geht die Landesregierung von Brennpunktschulen aus. Schauen Sie sich die Antwort an, wenn es um das pädagogische Personal geht!
Herr Röhm, lesen Sie einfach einmal nach, was Ihre eigene Regierung geantwortet hat! Zumindest sollten Sie doch lesen und das aufnehmen können, was hier geschrieben wird.
Daraus wird klar, dass die Landesregierung eben nicht bereit ist, weiteres pädagogisches Personal zur Verfügung zu stellen. Das ist der entscheidende Punkt.
Ich will jetzt gar nicht die Diskussion über die Anzahl der Ganztagsschulen hier vertiefen, obwohl das ja interessant wäre. Die Regierung spricht in ihrer Stellungnahme ja von
Viel entscheidender ist aber, einmal zu hinterfragen, wie viele Schülerinnen und Schüler, Herr Wacker, eigentlich eine Ganztagsschule besuchen.
Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Von den insgesamt – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – 1,3 Millionen Schülerinnen und Schülern sind es gerade einmal knapp 80 000,
wobei der größte Teil der Ganztagsschulen in teilgebundener oder in offener Form existiert. Das heißt, das sind 6 % – 6 %! – der Schülerinnen und Schüler, die in einer öffentlichen Ganztagsschule sind.