Protocol of the Session on October 6, 2005

Er muss gekoppelt sein mit einem Jugendstrafrecht, das dazu beiträgt, den Einstieg von Jugendlichen in Kriminalitätskarrieren zu verhindern. Das muss unser größtes Anliegen sein. Wenn sie schon kriminell geworden sind, dann muss man sie herausholen.

(Beifall bei der SPD)

Auch hier, Herr Justizminister, wundert man sich ja manchmal: Haus des Jugendrechts. Sie loben das zu Recht. Wir alle, die es besucht haben, loben es zu Recht: sofortige Zusammenarbeit Polizei, Jugendamt, Staatsanwaltschaft, Richter; intensive Befassung mit den jugendlichen Delinquenten, Gesamtschau von Tat und Täter, schnelle Reaktion. Das ist bei jungen Leuten ganz wichtig. Das weiß man von den Kindern. Du kannst nicht sagen: „Abends verhaut dich der Papa, wenn er heimkommt.“

(Heiterkeit – Abg. Theurer FDP/DVP: Wie meinen Sie das? – Zurufe von der CDU)

Vielmehr musst du dich mit dem Kind auseinander setzen.

(Unruhe und Zurufe)

Nein, eben nicht. Du musst es nicht verhauen. Du musst dich mit der Situation auseinander setzen.

Herr Justizminister, Sie loben es zu Recht, aber Sie machen das nicht, weil Sie in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage sagen, das koste zu viel. Sie werden also Ihrem Ruf als Prävention unterstützender und die richtigen Maßnahmen unterstützender Minister nicht gerecht, sondern irgendwie sind Sie ein rechtspolitischer Haudrauf. Das kennen wir: beim Vaterschaftstest, beim Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit, beim Antidiskriminierungsgesetz.

(Abg. Blenke CDU: Ha no! Das ist ein liberaler Haudrauf! – Unruhe)

Zu dem, was Sie vorschlagen, hat Kollege Oelmayer alles gesagt. Alle Ihre Maßnahmen klingen markig, wenn man die Einzeltaten ansieht. Aber Sie verschweigen natürlich, dass die Jugendkriminalität damit nicht zurückgedrängt werden kann und dass Sie nur so tun, als ob, dass Sie zu spät anfangen. Damit haben Sie die Lufthoheit über den Stammtischen. Aber der Skandal ist: Das reicht nicht. Die Jugendkriminalität drängen Sie damit nicht zurück.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Carla Bregenzer SPD: Im Gegenteil!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

(Abg. Röhm CDU: Nicht der Frau Fauser? – Abg. Carla Bregenzer SPD: Der rettet das auch nicht mehr! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Hat der nicht schon geredet?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal finde ich es schon ziemlich billige Polemik von der Kollegin Weckenmann, wie sie hier in das Thema eingestiegen ist.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Drex- ler SPD: Die Kollegin Weckenmann kann gar nicht polemisch sein!)

Die Kollegin Weckenmann zeichnet hier ein Bild, das einer geschlechterneutralen Behandlung des Themas überhaupt nicht gerecht wird. Da werden Männer als Kinder schlagende Väter dargestellt,

(Minister Rech: Frau Weckenmann lässt ihre Kin- der schlagen! – Große Heiterkeit bei der CDU)

und dann wird auch noch jemand als „Haudrauf“ bezeichnet. Jemand, der immer von Gender Mainstreaming spricht, sollte anders mit diesem Thema umgehen.

(Abg. Drexler SPD: Kinder schlagende Männer? Können das auch Frauen sein? Oder Mütter? Was ist denn das für ein Geschwätz?)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, meine Damen und Herren. Es geht um die Frage der Zunahme der Anzahl von Tatverdächtigen bei Kindern und Jugendlichen. Die Zahl der Tatverdächtigen ist zwischen 1993 und 2002 angestiegen. Dann ist sie kurz wieder zurückgegangen.

(Abg. Drexler SPD: Jetzt reden Sie doch nicht alles schwarz! Katastrophenszenario wieder!)

Ich rate also dazu, dass wir das Thema nicht dramatisieren, aber genau im Auge behalten.

Dabei sollte man sich auch einmal kurz anschauen, wo die Tatverdächtigen sind. Die meisten Delikte sind Diebstahl – den darf man nicht bagatellisieren –, eine ganze Reihe von Delikten im Bereich der Verkehrsdelikte – auch das muss man sehen –, und dann haben wir Betäubungsmittelmissbrauch. Auch das ist besorgniserregend. Hiergegen muss man vorgehen.

Wirklich besorgniserregend ist der Anstieg der Gewalttaten und der Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen und Heranwachsenden.

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

Meine Damen und Herren, wenn man sich das differenziert anschaut, kann man hier auch festhalten – das haben ja die Untersuchungen gezeigt –, dass für die meisten, für die weit überwiegende Mehrzahl der jugendlichen Tatverdächtigen und Straftäter die Straftat und die Kriminalität episodenhaft bleibt. Das heißt, glücklicherweise finden die meisten Jugendlichen wieder zurück, finden auf den rechten Weg hinein in die Gesellschaft. Das muss man zunächst einmal positiv darstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Blenke CDU)

Dem soll ja nun auch – das ist ja ganz klar; das ist ja auch unstrittig – die staatliche Repression dienen. Wir wollen ja, dass die Strafe auf den Fuß folgt. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche, die über die Grenze hinausgehen, merken, dass das in diesem Entwicklungsstadium zu weit geht, und dann in die Gemeinschaft zurückkommen. Deshalb enthält das Jugendstrafrecht natürlich auch besondere Regelungen.

Das ist auch in Ordnung. Wir als FDP/DVP-Fraktion sehen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts nicht als Allheilmittel.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aha! Hört, hört!)

Vielmehr geht es bei den Vorschlägen des Justizministers zu Recht darum, einmal kritisch zu hinterfragen, ob es in bestimmten Bereichen – bei Heranwachsenden, bei Menschen, die 18 Jahre alt und damit volljährig sind – sinnvoll ist, wenn mittlerweile in der weit überwiegenden Zahl der Fälle von einer Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht wird. Das hat der Gesetzgeber mit Sicherheit so nicht gewollt, und in den Vorstößen des Justizministers geht es ja vor allem darum, dass man hier die Umdrehung von Regel und Ausnahme korrigiert und den Willen des Gesetzgebers präzisiert. Ebendarum geht es dem Justizminister,

(Abg. Oelmayer GRÜNE: So kann bloß jemand re- den, der noch nie bei einem Jugendgericht war!)

und das trägt die FDP/DVP-Fraktion auch mit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Wir sollten die weiteren Erfolge allerdings nicht zerreden. Das Haus des Jugendrechts ist angesprochen worden. So ein Haus des Jugendrechts kann man nicht überall machen – das ist auch eine Kostenfrage –, aber die verbesserte Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichten, Jugendgerichtshilfe und Jugendämtern in den Kommunen ist sinnvoll. Sie ist verstärkt worden, und sie muss auch weiterhin verstärkt werden. Neben der Repression bildet ja auch die Arbeit in der Prävention eine ganz wichtige und zentrale landespolitische Aufgabe, eine Aufgabe, in die auch die Kommunen massiv mit eingebunden werden müssen.

Untersuchungen zeigen ja, meine Damen und Herren, dass die Polizei ein ganz aktiver Partner bei diesen Projekten der kommunalen Kriminalprävention ist – trotz der Sparzwänge und trotz der vielen, vielen anderen Aufgaben – und dass vor Ort häufig auch die freien Träger massiv mit dabei sind. Man würde sich wünschen, dass sich in dem einen oder anderen Landkreis auch die Jugendämter noch aktiver in diese Präventionsprojekte einbringen würden.

Ich finde es auch ziemlich billig – das sage ich ganz offen –, wenn man sich angesichts einer sehr schwierigen Haushaltslage bei Bund, Ländern und Gemeinden hier hinstellt und Forderungen nach Präventionsprojekten aufstellt, dabei aber nicht sagt, woher man das Geld dafür nehmen soll.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aber jeder Arrestplatz, Herr Kollege, kostet heute 60 000 €! Wer zahlt denn das? – Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

Ich plädiere für pragmatische Projekte, und ich plädiere dafür, das bürgerschaftliche Engagement in diesem Bereich zu stärken. Wir als FDP/DVP-Fraktion sind für Prävention. Die Landesstiftung ist angesprochen worden. Hier sind aus Privatisierungserlösen Projekte finanziert worden, wodurch

das alles ermöglicht wurde, meine Damen und Herren. Da ist das Land Baden-Württemberg vorbildlich. Aber diese Aufgabe bleibt eine Daueraufgabe, und ich empfehle gerade in Zeiten knapper Kassen, pragmatische Lösungswege im Miteinander der vor Ort vorhandenen Institutionen zu gehen.

Um eine Einsicht kommen wir auch nicht herum: Das Entscheidende passiert immer noch bei den Familien und innerhalb der Bürgerschaft.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Was heißt denn das für die Kinder, die betroffen sind? Mensch, Herr Theurer!)

Hier ist die Verantwortung der Familien für Staat und Gesellschaft wieder zu stärken; denn häufig haben wir da einfach Erziehungsdefizite.

Deshalb, meine Damen und Herren, meine ich, dass der erfolgreiche Weg eines Miteinanders von Repression und Prävention auch in Zukunft weiter beschritten werden muss. Wir sollten die Gefahren nicht kleinreden, aber wir müssen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Maßnahmen versuchen, diese Tatverdächtigenzahlen

(Abg. Blenke CDU: Herr Zeller meldet sich! Jetzt kommt die Ganztagsschule!)

zu senken.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Theurer, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abg. Zeller?

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Das geht leider nicht auf die Redezeit!)

Ja, bitte.

Herr Kollege Theurer, können Sie mir kurz erklären, welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen, um die Defizite in den Familien, die Sie gerade beschrieben haben, zu beseitigen?