Protocol of the Session on October 6, 2005

Wir halten alle Maßnahmen, die ergriffen werden können, um das Risiko bei einem terroristischen Anschlag zu vermindern, für sinnvoll.

(Zuruf des Abg. Knapp SPD)

Wir halten allerdings das Abschalten von Kernkraftwerken nicht für sinnvoll, auch aus dem Grund, weil man sich sonst bei Al-Kaida in Afghanistan ins Fäustchen lachen würde, wenn man mit dem Anschlag am 11. September in Amerika erreicht hätte, dass wir im Jahr 2005 Kernkraftwerke stilllegen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ach, deshalb! Jetzt begreifen wir es! Alles klar!)

So weit darf es ja nun wirklich nicht kommen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss feststellen: Eigentlich führen wir hier keine Sicherheitsdebatte, sondern eine Stellvertreterdebatte, die der Opposition wieder einmal ermöglichen soll, den Atomkonsens und ihre anders gelagerten energiepolitischen Konzepte auszubreiten.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Sie haben nicht zuge- hört! – Abg. Knapp SPD: So ein Quatsch! Der Atomkonsens ist unterschrieben, und das andere ist das latent vorhandene Risiko!)

Dazu benutzen Sie nun das bewährte Instrument der Angstmache, das unter anderem auch den Herrn Bundesumweltminister dazu bewegt hat, drei Tage vor der Bundestagswahl sein Konzept mit Störsendern und Vernebelung zu bringen, damit die Leute genügend Angst bekommen und dann das Kreuzchen an der richtigen Stelle machen. Ich sage Ihnen eines: Diese Angstmache dient auf jeden Fall nicht der Sicherheit, ganz im Gegenteil. Denn das ist eigentlich ein Thema, das man nun wirklich nicht in der Öffentlichkeit erörtern sollte. Der Kollege Scheuermann hat das schon gesagt.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Aber man darf es auch nicht unter den Teppich kehren, Frau Kollegin!)

Wenn Sie mich ausreden lassen, dann werden Sie dazu von mir etwas hören.

(Abg. Knapp SPD: Was machen wir inhaltlich? Sie haben ja im Untersuchungsausschuss von der ande- ren Putzfrau gesprochen!)

Natürlich ist es eine ganz wichtige Aufgabe sowohl der Bundesregierung als auch der Landesregierung. Aber es gibt auch Dinge, die man still und heimlich ordentlich erledigen muss und die man nicht draußen herumposaunen darf.

(Abg. Rückert CDU: Richtig!)

Ich bin nicht bereit, mitzuwirken an der Erstellung einer Liste für Terroristen, wo sie denn nun tunlichst und am sinnvollsten tätig werden sollen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Jetzt glaube ich nicht, dass wir durch diese Debatte Terroristen auf unsere Kernkraftwerke hinweisen. Aber ich sehe eine ganz andere Gefahr. Dadurch, dass Sie das Thema hier nun wieder an die Öffentlichkeit zerren – wir haben es im Untersuchungsausschuss mehrfach erörtert; ich habe Ihnen auch gesagt, welche Gefahr ich darin sehe –, sehe ich die ganz große Gefahr, dass man da womöglich noch Dummköpfe, die sich profilieren möchten, auf Ideen bringt und sie dann Sachen machen, die der Umwelt mit Sicherheit nicht zuträglich sind, die mit Terrorismus gar nichts zu tun haben, was Sie aber durch Ihre Angstmache hervorgelockt haben. Ihren Anträgen werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Gönner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute in einer öffentlichen Sitzung über ein sehr sensibles Thema, nämlich über Einzelheiten von Sicherheitsstandards von Kernkraftwerken, über Konzepte zur Verbesserung des bestehenden Zustands sowie über Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Herr Kollege Scheuermann hat schon deutlich gemacht: Eigentlich sind das nicht die Themen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten.

Gestatten Sie mir den Hinweis, Herr Knapp, dass die Art, wie Sie das Thema vorhin diskutiert haben, gerade nicht dazu beigetragen hat, dass wir es als sensibles Thema erkennen.

(Abg. Knapp SPD: Ich komme noch einmal!)

Ich finde, wir sollten schon darauf achten, dass wir sensible Themen auch hier entsprechend sensibel diskutieren, und nicht versuchen, eine solche Debatte zur allgemeinpolitischen Diskussion über die Frage „Atomausstieg – ja oder nein?“ umzufunktionieren. Ich glaube, diese Ernsthaftigkeit sollten wir uns dann auch tatsächlich auferlegen.

Ich will ganz kurz auf die Frage eingehen, warum überhaupt über dieses Thema diskutiert wird. In den Anträgen, über die wir heute beraten, wird auf die Ergebnisse einer Studie der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit Bezug genommen. Diese Studie wurde als vertraulich eingestuft und deshalb nur an ganz wenige verteilt. Ich weiß aus meiner früheren Tätigkeit, dass Mitglieder des Bundestags nur nach entsprechenden Sicherheitsüberprüfungen Einsicht in diese Studie erhalten haben. Mit Entsetzen mussten wir als Aufsichts- und Fachbehörden dann allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die wichtigsten Ergebnisse der Studie in Form eines internen Vermerks des Bundesumweltministeriums von – wohlgemerkt – österreichischen Grünen im Januar 2004 auf dem Marienplatz in München als Flugblatt verteilt wurden. Kurz darauf veröffentlichte der BUND im Internet eine Unterlage, in der die Ergebnisse dieser Studie ebenfalls detailliert wiedergegeben wurden. Auch diese Unterlagen stammten aus dem Bundesumweltministerium.

(Ministerin Tanja Gönner)

Wenngleich sich die vermeintlich versehentliche Herausgabe der streng vertraulichen Informationen politisch gut verwenden ließ, sollten wir doch alle verantwortungsbewusst und unabhängig von unterschiedlichen politischen Zielen das Terrorismusproblem gemeinsam angehen. Ich glaube, das wurde vorhin auch dargestellt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Landesregierung hat ihre Position zur Sicherung der Atomkraftwerke gegen Terroranschläge mehrfach dargelegt. Bei einem von Terroristen gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturz handelt es sich – dessen sollten wir uns alle bewusst sein – eben nicht um ein spezifisches Kernkraftwerksproblem. Am 11. September 2001 haben Terroristen in einer bisher nicht gekannten Brutalität Passagierflugzeuge als Waffen eingesetzt. Dessen sollten wir uns bewusst werden. Dies stellt eben eine neuartige Herausforderung für die gesamte Gesellschaft und ihre Infrastruktur dar.

(Abg. Knapp SPD: Ja! Aktuell!)

Die neuartige Form von Terrorismus gefährdet nicht nur Kernkraftwerke, sondern auch – dabei bleibe ich, Herr Knapp – andere Anlagen und Einrichtungen in unserer modernen Industriegesellschaft.

(Abg. Knapp SPD: Aber welches Risikopotenzial geht denn von den anderen Anlagen aus?)

Lassen Sie mich doch einfach ausreden. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, dass von einer Chemieanlage, die angegriffen wird, oder auch von einer Ölraffinerie, die angegriffen wird,

(Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig! – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Tanklager!)

eine ähnlich große Gefahr ausgehen könnte.

Deswegen noch einmal: Dieses Thema eignet sich nicht, ein anderes, immer wieder gern angesprochenes Thema aufzugreifen, nämlich die Frage der Laufzeitverlängerung, über die wir mit Ihnen gern fachlich diskutieren. Deswegen wäre ich dankbar, wenn wir uns dem Thema Terrorismus zuwenden würden.

Wie wir der Terrorismusgefahr begegnen, kann weder allein von den Betreibern der Kernkraftwerke noch im Übrigen allein von den Ländern festgelegt werden, sondern stellt eine gesamtstaatliche und darüber hinaus auch eine internationale Aufgabe dar. Ich weise nur darauf hin, dass die Bundesregierung schon eine gewisse Zeit benötigt hat, um überhaupt auf die Idee zu kommen, sich des Themas anzunehmen; denn sie hätte jederzeit auch über Auflagen reagieren können. Aber dies war nicht der Fall. Angesichts dieser Herausforderung brauchen wir eben ein umfassendes Schutzkonzept. Ein Konzept, welches sowohl Maßnahmen des Staates als auch der Betreiber umfasst, fordern wir als Landesregierung bereits seit vielen Jahren vom Bundesumweltministerium. Es war bis vor wenigen Wochen vergebens.

Die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung eines von Terroristen gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf

gefährdete Anlagen ist im Übrigen zuvörderst die Verhinderung von Flugzeugentführungen. Diese Auffassung wird auch von der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung und der Internationalen Länderkommission Kerntechnik der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen geteilt.

Gegen gezielt herbeigeführte Abstürze größerer Verkehrsflugzeuge sind die Kernkraftwerke – egal, ob in BadenWürttemberg oder andernorts – nicht ausgelegt. Die neuesten Kernkraftwerke im Land sind gegen den unfallbedingten – ganz bewusst noch einmal: unfallbedingten – Absturz einer schnell fliegenden Militärmaschine vom Typ Phantom geschützt. Die älteren Anlagen weisen je nach Zeitpunkt ihrer Errichtung einen geringeren Schutzzustand auf.

Im internationalen Vergleich – das möchte ich an dieser Stelle festhalten – ist das Schutzniveau der Kernkraftwerke in Baden-Württemberg als hoch anzusehen.

(Abg. Schneider CDU: So ist es!)

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden von verschiedenen staatlichen Stellen Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Flugzeugentführungen ergriffen. Ein Beispiel hierfür ist die Einrichtung des „Nationalen Lage- und Führungszentrums für Sicherheit im Luftraum“ in Kalkar. In diesem Zentrum befassen sich die Luftwaffe, der Bundesgrenzschutz und die Deutsche Flugsicherung gemeinsam mit der Abwehr von möglichen Gefahren aus der Luft.

Mein Haus hat sich von Anfang an dafür eingesetzt, den Schutzzustand der Kernkraftwerke gegen terroristische Anschläge zu erhöhen. In den Gesprächen mit den Betreibern wurden verschiedene Lösungen diskutiert. Herr Scheuermann hat darauf hingewiesen, dass auch eine Reihe von Initiativen ergriffen wurden, um das Gesamtkonzept zum Schutz der Kernkraftwerke voranzubringen.

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke haben bereits im Frühjahr 2003 auf freiwilliger Basis ein Maßnahmenpaket für die Kernkraftwerke erarbeitet, das bislang weltweit einmalig ist und nach seiner Realisierung eine deutliche Verbesserung des Schutzes der Anlagen darstellen würde. Grundlage dafür ist ein Konzept, das vorsieht, die Kernkraftwerke im Falle eines terroristischen Angriffs durch künstlichen Nebel einzuhüllen; denn ein Terrorist als Pilot kann so sicherheitsrelevante Teile des Kernkraftwerks nicht oder nicht zielgenau treffen.

Herr Witzel, ich freue mich, dass Sie uns zustimmen, dass dies ein Schutz ist. Wir hätten uns nur gewünscht, dass Sie den von Ihrer Partei gestellten Bundesumweltminister ab dem Jahr 2003 gebeten hätten, nicht in irgendeiner Weise zu versuchen, mit Verfahrensfragen und ständigem Hochschrauben von Detailanforderungen das Ganze zu verzögern, um nicht erst jetzt, drei Tage vor der Bundestagswahl – Frau Berroth hat darauf hingewiesen –, plötzlich zu einer Lösung zu kommen.

(Beifall der Abg. Müller und Kübler CDU – Zuruf des Abg. Knapp SPD)

(Ministerin Tanja Gönner)

Wir hätten uns gewünscht, Sie hätten diese Forderung nach Schaffung einer Möglichkeit zur Vernebelung von Kernkraftanlagen von Anfang an unterstützt.