Protocol of the Session on October 24, 2001

Deswegen hat Ihre Rede für mich hier keinerlei faire Begründung Ihres Antrags gebracht.

(Zurufe von der SPD)

Wir müssen zunächst sehen, dass nach dem deutschen Atomrecht in Baden-Württemberg wie in anderen Ländern mit Kernkraftwerken in Betrieb eine im Atomrecht angelegte Funktionsteilung vorgesehen ist, die bis heute überall gilt und die vom Prinzip der Eigenverantwortung eines zuverlässigen und sachkundigen Betreibers ausgeht. Das heißt, der Staat setzt sich erstens nicht an die Stelle des Betreibers im sicheren Betrieb, sondern er kontrolliert bei der Betriebsaufnahme die Zuverlässigkeit und Sachkunde, und dann ist die Eigenverantwortung zuallererst gefragt.

Zweitens: Er bedient sich sachkundiger Prüfer und Gutachter. Der TÜV in ganz Deutschland – der TÜV Südwest, der TÜV Rheinland, andere TÜVs – ist federführend für die Prüfung von Industrieanlagen in Deutschland, seit vielen Jahren Partner von Wirtschaft und Politik. Wenn es hier Missstände gibt, gehen wir denen nach. Aber es war auch hier und bleibt für mich der Tatbestand, dass ein Grundvertrauen in die Arbeitsteilung aufgrund des Atomrechts besteht und Sie deswegen hier dem Staat und der Ministerialverwaltung Dinge zuordnen, die kraft der bewährten Praxis des Atomrechts zunächst nicht deren Sache sind.

(Beifall bei der CDU)

Dann bleibt, dass die Aufsicht entlang den Mitteilungen und dem, was man anfordert, in der Tat im Ministerium

sitzt. Auf das Stichwort „Ministerium“ komme ich nachher zurück. Die Kernaufsicht ist Angelegenheit des Ministeriums in Stuttgart und des Ministeriums in Berlin, nicht nur des Ministeriums in Stuttgart.

(Abg. Drexler SPD: Aber in dieser Reihenfolge! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Aber die in Berlin ha- ben reagiert!)

Kollege Salomon, ganz cool bleiben. Ich komme nachher darauf zurück.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Bleiben Sie cool!)

Noch einmal: Verursachung und Verantwortung liegen beim Betreiber, den ich nicht zu verurteilen habe, aber dem ich die beiden Angelegenheiten zuordne, die nicht vom Staat übernommen werden können. Verursachung und Verantwortung hat der Betreiber selbst.

Weiter: Aufklärung und Beseitigung sind Angelegenheit der Aufsicht. Deswegen messen wir das Ministerium zuallererst entlang der Frage: Was wurde ab welchem Kenntnisstand an Aufklärung, Aufarbeitung und Folgerung in der Aufsicht getan?

(Beifall bei der CDU – Abg. Döpper CDU: So ist es! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Mein Gott!)

In diesem Zusammenhang ist bei allem sinnvollen und notwendigen Streit – dass Sie das Recht haben, hier einen Antrag zu stellen und zu streiten, bestreite ich nicht – trotzdem die notwendige Wahrheitsliebe gefragt.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sehr richtig!)

Wenn der Kollege Witzel aus einer nichtöffentlichen Sitzung des Umweltausschusses – –

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Jetzt blasen Sie sich doch nicht so auf!)

Kollege Salomon, ich blase mich auf, wie mir es passt, und Sie hören bitte zu.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit – Abg. Teßmer SPD: Blasen Sie weiter!)

Wenn der Kollege Witzel einmal eine formale Regel unseres Parlaments verletzt, nämlich im Grunde genommen, statt im Ausschuss zu arbeiten, draußen vor der Presse schwätzt und Nichtöffentliches ausplaudert – wenn es wenigstens wahrheitsgemäß gewesen wäre, wäre es in Ordnung –, dann noch die Wahrheitsliebe verletzt und behauptet, was widerlegt werden konnte, der Minister habe im Ausschuss eingeräumt, er persönlich habe schon am 28. August den notwendigen Kenntnisstand erhalten, ist das entweder dumm oder gelogen. Kollege Witzel, Sie haben mit diesem Vorgang die objektive Gutachterrolle im Grunde genommen missbraucht und haben für mich hier keinerlei Autorität und kollegiales Ansehen mehr.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Witzel GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Oettinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Augenblick nein.

(Zuruf von der CDU: Er kann sich doch nachher zu Wort melden! – Weitere Zurufe)

Wir haben es mit einem Sachverhalt zu tun, bei dem der Zeitplan und die Informationsfolge vom Minister zweifelsfrei und umfassend aufgearbeitet und dargelegt worden sind. Deswegen will ich ausdrücklich sagen: Dieser Minister hat unser Vertrauen, weil er Informationen nicht bunkert, sondern das Parlament und die Öffentlichkeit offen, glaubwürdig und umfassend informiert,

(Abg. Drexler SPD: Das ist falsch!)

was er wann wusste und was wann daraus geschehen ist.

(Beifall bei der CDU)

Dann rückt die Frage, was im September/Oktober wann gemacht oder später oder nicht gemacht wurde – 10. bis 28. September und dann 4. Oktober –, in den Mittelpunkt. Da wird man im Rückblick – prüfe ein jeder, ob er nicht auch im Nachhinein klüger ist –

(Abg. Teßmer SPD: Fangen Sie einmal bei sich an! – Abg. Seimetz CDU: Bei Herrn Teßmer kann man das nicht erwarten!)

feststellen – zumindest glaube ich das –, dass dies eine ganz objektive und faire Betrachtung sein mag. Man wird im Nachhinein immer bewerten können, dass vielleicht ein Vorgehen gegenüber Philippsburg mit noch mehr Biss, noch früher, noch kritischer angezeigt gewesen wäre.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Überhaupt!)

Aber ich glaube, dass der Minister mit Maß und Entschiedenheit in der Aufarbeitung in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Betreiber vorgegangen ist und Konsequenzen gezogen hat.

(Beifall bei der CDU)

Nur, in beiden Ministerien, in Stuttgart und in Berlin, war ab dem 10. September ein Kenntnisstand da, und in den 18 Tagen hat der Bundesminister gleich viel oder gleich wenig gemacht wie der Landesminister. Er wurde erst nach 18 Tagen durch seinen Gutachter – insoweit ist das ein Unterschied zum Gutachter des Landes –

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Weil der erst tätig wird, wenn er etwas weiß!)

auf das Vorgehen hingewiesen und dann in Trab gesetzt. Deswegen ist meine Bitte: Derjenige, der in Berlin durch Parteifreunde mitregiert, muss prüfen, ob es wirklich die gravierenden Unterschiede zwischen dem Handeln des Bundes- und des Landesministeriums gibt. Ich behaupte: nein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lebhafte Zurufe von der SPD – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Was ist denn das für eine Ver- schwörungstheorie? – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU)

Deswegen halte ich die hier erkennbare Linie für ziemlich pharisäerhaft.

(Abg. Teßmer SPD: Das sagt der Richtige!)

Es liegt ein Ergänzungsantrag der Fraktion GRÜNE vor, der begehrt, dass jedes Kernkraftwerk, das in Baden-Württemberg in Miteigentum des Betreibers Energie BadenWürttemberg Strom produziert, sofort abzuschalten sei.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Richtig! Sehr gut!)

Den Antrag nehmen wir ernst. Wir haben ihn geprüft.

(Lachen bei den Grünen)

Wir glauben, dass die Wiederinbetriebnahme des Blocks in Philippsburg nicht Sache der Energie Baden-Württemberg sein darf. Deswegen ist ihre Ankündigung, im November gehe es dort los, meines Erachtens grundfalsch. Über die Wiederinbetriebnahme entscheidet nach Herstellung des vollen Vertrauens in Sachkunde und Zuverlässigkeit

(Abg. Teßmer SPD: Das dauert aber lange!)

das Ministerium, die Aufsicht, und niemand sonst.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Jetzt plötz- lich! Haben Sie den Antrag gelesen? – Abg. Drex- ler SPD: Entweder man hat Vertrauen, oder man hat kein Vertrauen!)

Aber umgekehrt halten wir eine Stilllegung aller atomtechnischen Anlagen im Eigentum und Miteigentum der Energie Baden-Württemberg für unverhältnismäßig, für willkürlich und für nicht angebracht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Haben Sie noch Vertrauen?)

Entlang der umfassend vorgelegten Antworten der Landesregierung zu allen parlamentarischen Initiativen – von der Fraktion der SPD, der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der CDU – und entlang der uns in der Fraktion dargelegten umfassenden Information durch den Minister selbst, die er Ihnen nachher in seiner Rede vortragen wird, sowie entlang dessen, was in den letzten Wochen und Tagen von ihm geleistet und an Information gegeben und an Konsequenzen gezogen worden ist,