Protocol of the Session on October 24, 2001

(Abg. Fischer SPD: Das war Aufsicht!)

Im Übrigen muss ich Ihnen von den Grünen noch eines dazusagen, weil wir gerade vom Landesamt für Verfassungsschutz sprechen: Wer bis vor drei Wochen diese Institution noch abschaffen wollte,

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Salo- mon GRÜNE: Mit der Begründung, dass sie bis- lang nicht sonderlich erfolgreich waren!)

der sollte nicht zugleich kritisieren, dass es vor drei Monaten

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

hätte besser funktionieren sollen. Nach Ihrer Vorstellung hätte es sie vor drei Monaten noch gar nicht gegeben. Das ist das Problem.

(Zurufe von den Grünen)

Gesetz der Serie – das war wohl nichts.

Der zweite Punkt, den ich in der politischen Debatte ansprechen möchte: Überhaupt nicht mehr lustig finde ich,

(Minister Müller)

wenn mit gezielten Unwahrheiten operiert wird. Da gibt es die gezielte Unwahrheit von Ihnen, Herr Dr. Witzel. Bisher galt immer der Spruch: Lügen haben kurze Beine. Aber in diesem Fall ist es nicht so.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Wit- zel GRÜNE: Wenn Zwischenrufe erlaubt wären, würde ich ja gerne etwas sagen! Ich beantrage, Zwischenrufe zuzulassen! – Weitere Zurufe von den Grünen)

Zum Beispiel hat ein ehemaliger grüner Abgeordneter aus Rheinland-Pfalz in einem Radiointerview gesagt, ich hätte während dieses berühmten Gesprächs in Berlin eine Auszeit gebraucht, um mit jemandem in Stuttgart oder mit sonst jemandem zu telefonieren und mir Weisungen abzuholen. Davon ist kein Wort wahr, aber so etwas kommt im Radio. Was soll man dagegen tun?

(Zuruf: Radio abschalten!)

Es sind gezielte Lügen. Das war in einem Radiointerview, das ich selbst geführt habe – mit einem ehemaligen grünen Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz, der genau dies behauptet hat. Das ist schlicht erstunken und erlogen. So ist es.

(Zuruf von den Grünen: Was interessiert ein ehe- maliger Abgeordneter aus Rheinland-Pfalz?)

Wenn er lügt, schon.

Ich will Ihnen nur die Methoden schildern, mit denen Sie operieren. Ich spreche von der Instrumentalisierung einer Debatte, bei der Sie vor keinem Mittel zurückschrecken. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Eben kam noch der falsche Vorwurf in Bezug auf den BMU, den ich vorhin schon erwähnt habe. Ich muss abgesehen davon sagen, dass dies das Einzige ist, was mich in diesem Fall am BMU stört: die direkten Kontakte, die es dazu gibt, das Weitertragen aus amtlichen Dokumenten und aus unmittelbaren Fachgesprächen beim BMU hinein in die Medien in Baden-Württemberg und zu den politischen Gesinnungsfreunden. Das ist schon etwas, was ich als politischen Sittenverfall bezeichnen möchte.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Offensichtlich ist der Kolle- ge Witzel oder ein ehemaliger grüner Abgeordne- ter aus Rheinland-Pfalz schuld! Jetzt kommen Sie doch einmal zur Sache!)

Sie werden es kaum merken, aber ich bin die ganze Zeit dabei. Ich lege einmal Ihre Methoden offen, Herr Dr. Salomon. Das tut Ihnen weh, und das soll Ihnen wehtun.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Jawohl! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Ausgerechnet der Kollege Wit- zel taugt zu so etwas nicht! Das ist ja lächerlich!)

Jetzt machen Sie einmal langsam. Ich habe nur Ihre Methoden einmal beschrieben.

Ich konzentriere mich auf die Lösung der Sachfragen, die in den letzten Wochen leider nicht die Bedeutung hatten, die sie eigentlich haben könnten und sollten. Ich kann Sie nur bitten, daran mitzuwirken. Es wäre schön, wenn alle von sich behaupten könnten, dass sie an einer Aufklärung und nicht an einer politischen Auseinandersetzung interessiert sind.

Die letzte politische Bemerkung, meine Damen und Herren, die ich machen möchte, bezieht sich auf die merkwürdige Logik Ihrer Vorwürfe, man könnte auch sagen: auf die Tücke des Objekts Atomaufsicht. Dabei fange ich mit einem relativ ruhigen Gedanken an, aber Sie werden noch genügend Gelegenheit bekommen, sich zu alterieren.

(Abg. Teßmer SPD: Oder Sie!)

Vielleicht merken Sie es, ich bin nicht der Angeklagte, sondern ich bin gerade dabei, den Spieß herumzudrehen. Das tut Ihnen weh.

(Unruhe – Zurufe von der SPD: Unschuldige Op- fer! Das ist eine gesunde Selbstkritik!)

Atomaufsicht, Gutachter und auch die Betreiber bewähren sich zunächst einmal darin, dass der Betrieb der Kraftwerke ordnungsgemäß läuft. Das ist die Grundsituation; das ist die Grundbewährung. Soweit die drei Beteiligten das tun – und das ist die Regel –, leistet die Aufsicht ihren Beitrag zu dem international hohen Sicherheitsniveau, das wir haben. Da ist nicht überall Sodom und Gomorrha, wie Sie es jetzt darstellen. Es gibt sehr wohl Probleme. Aber es ist nicht so, dass man davon sprechen könnte, die Dinge seien aus dem Ruder gelaufen.

(Beifall bei der CDU)

Ich beschreibe einmal ganz genau, welche strukturellen Probleme wir haben, damit Sie das auch einmal sehen. Es handelt sich um drei verschiedene Punkte.

(Zurufe von der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Die strukturellen Probleme, die wir heute in der Atomaufsicht haben, gehen auf drei Quellen zurück: erstens auf ein nur ingenieurmäßig-technisches Denken,

(Abg. Teßmer SPD: Da habt ihr aber lange ge- braucht, bis ihr das gemerkt habt!)

zweitens auf die Stromliberalisierung und drittens auf eine Technologie im Ausstieg, die natürlich auch ihre spezifischen Sicherheitsprobleme aufweist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zurufe von der SPD und den Grünen)

Herr Palmer, abregen!

(Zuruf: Nein! – Heiterkeit – Zurufe von den Grü- nen)

Einverstanden.

Ich habe drei konkrete Gründe nebeneinander genannt. Ich habe einen genannt, der völlig zeitlos ist, nämlich das nur technisch-naturwissenschaftliche Denken. Ich habe einen

(Minister Müller)

zweiten Grund genannt, der seit einigen Jahren besteht, nämlich die Liberalisierung, bei der auch Sicherheitserwägungen quasi unter Kostengesichtspunkten einem Spannungsverhältnis unterliegen können. Das ist ein Problem.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich habe zum Dritten gesagt: Es gibt ein Problem, das sich aus der Ausstiegsphase ergibt. Das Problem haben wir eben. Dafür sind Sie ein bisschen verantwortlich.

(Beifall des Abg. Alfred Haas CDU – Zurufe von der SPD)

In der Phase und in der Tätigkeit der Aufsicht passiert nun etwas ganz Merkwürdiges. Derjenige nämlich, der im Rahmen der Aufsicht ein Problem aufspürt, hat es, bei Licht betrachtet, nicht verursacht, sondern er hat es entdeckt. Das ist ein feiner Unterschied. In der öffentlichen Wahrnehmung und nach der Logik der Opposition erscheint es aber so, als ob derjenige, der aufspürt – also zum Beispiel die Aufsicht –, für die Ergebnisse, die dabei gefunden werden, quasi verantwortlich ist. Nach der Sachlogik Ihrer Argumentation müsste ich eigentlich froh sein, wenn ich nach drei Jahren Amtszeit – –

(Abg. Schmiedel SPD: Was haben Sie denn gefun- den? – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Wir sind gerade dabei. Warten Sie einmal ab. Da kommen vielleicht noch weitere Dinge heraus.

(Lachen bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der SPD und den Grünen)

In der Vergangenheit hat es natürlich vieles gegeben, was im Zuge der Aufsicht sozusagen geräuschlos abgestellt worden ist.