Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Sie dann, wenn Sie länger speichern, unbegrenzt speichern. Da gibt es keine Löschungsvorschriften mehr.
Eine solche Eingriffsnorm, Herr Minister, können wir nicht mittragen. Wir werden Ihnen über entsprechende Änderungsanträge im Innenausschuss im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Gelegenheit bieten, darüber intensiv zu beraten. Wir hoffen darauf, dass Sie sich auch dann, wie heute, auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berufen und stützen. Dann müssen Sie die Regelungen mittragen, die wir hier auch im Sinne der Verfassung zu Recht vorgetragen haben, was Eingriffsrechtfertigungen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern anbelangt. Dann werden wir sehen, ob es eine konstruktive Lösung gibt, die auch die bündnisgrüne Fraktion in diesem Haus mittragen kann.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Rech CDU: Jetzt zahlen Sie mir eine Schorle für meine nicht gestellte Zwischenfrage!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht die Regelung über den Einsatz der Videokamera zur Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze. Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis einer vernünftigen Abwägung zwischen dem Interesse einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung mithilfe der Videokamera einerseits und den Schutzinteressen vieler unbescholtener Bürger andererseits.
Die geplante Regelung zeichnet sich dadurch aus – – Das möchte ich hier betonen, denn es geht auf unseren Einfluss zurück, dass der Gesetzentwurf auf jeden Fall diese Punkte enthält. Ich meine, der liberale Koalitionspartner muss auch sagen, wo seine Schwerpunkte liegen. Nur unter diesen Voraussetzungen haben wir dem Gesetzentwurf auch zugestimmt.
Es handelt sich dabei um eine klare Definition der Kriminalitätsbrennpunkte, um die Pflicht zum Hinweis auf die Videoüberwachung
gleich werde ich es erklären –, um die Möglichkeit der Aufzeichnung nur dann, wenn zugleich beobachtet wird, um Auswertung der gespeicherten Daten nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 Satz 1 des Polizeigesetzes und um klare, kurze Speicherfristen.
Die Definition der Kriminalitätsbrennpunkte ist im Gesetzentwurf klar geregelt, sodass eine Ausuferung der Videoüberwachung flächendeckend verhindert wird. Es wird nur dort überwacht – an bestimmten Punkten –, wo Gefahr im Verzug ist oder wo kriminelle Handlungen drohen. Außerdem entscheidet die Polizei vor Ort. Nicht wir im Landtag entscheiden, sondern die Kommune soll selbst entscheiden, wo sie solche Punkte sieht. Sie ist dann auch verantwortlich. Ich halte es auch für richtig, dass dort die Entscheidung getroffen wird.
Es wird immer wieder das Argument mit der Verdrängung angeführt. Es ist klar: Die Drogendelikte werden verdrängt. Das Dealen wird sich natürlich nicht unter Videokameras vollziehen. Aber andere kriminelle Delikte wie zum Beispiel Taschendiebstähle, Belästigungen, Körperverletzungen, Schlägereien, Einbrüche werden nicht verlagert. Denn die Menschen, die dort leben, müssen über manche Plätze gehen, weil sie zum Beispiel zum Bahnhof müssen. Das sind Gebiete, durch die man zwangsläufig gehen muss. Dort muss die Sicherheit gewährleistet werden. Das ist ein Ziel.
Uns war auch sehr wichtig – das muss offen sein –: Es muss ganz klar gekennzeichnet werden: Hier wird videoüberwacht. Auch bei der Überwachung mit mobilen Geräten kann ich einen Hinweis „Video“ anbringen.
Das ist in der Landtagstiefgarage sehr gut geregelt. Dort steht an der Einfahrt ganz groß: „Diese Tiefgarage wird videoüberwacht.“
Sie vergessen das natürlich, kaum dass Sie durchgefahren sind. Das kann schon sein. Aber die Hinweispflicht ist erfüllt.
Meine Damen und Herren, zur Verhältnismäßigkeit: Wenn Sie, Herr Kollege Oelmayer, in der Öffentlichkeit sind, werden Sie zwangsläufig beobachtet. Sie haben sich ja preisgegeben. Die Polizei beobachtet ja schon jetzt; das ist ja schon jetzt ihre Aufgabe. Den Schutz, dass man ganz intim über Plätze gehen kann, dass niemand einen sehen darf,
gibt es nicht. Sobald ich mich in die Öffentlichkeit begebe, kann ich auch beobachtet werden. Das ist die Aufgabe der Polizei; das muss man schon sehen. Wenn Sie an eine Tankstelle fahren, werden Sie dort zum Schutz gefilmt; dagegen haben Sie auch nichts einzuwenden. Sie haben in Kaufhäusern nichts gegen Videoaufzeichnungen einzuwenden, Sie haben in privaten Unterführungen nichts dagegen einzuwenden. Video ist ein Bestandteil unseres Lebens. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit müssen gewisse Abstriche gemacht werden. Dies kann nicht ganz so eng gesehen werden.
Ich meine, das Problem der Videoüberwachung besteht im Aufzeichnen. Es darf nur aufgezeichnet werden, wenn gleichzeitig beobachtet wird.
Die Videoüberwachung ist eine Sehhilfe für die Polizei und dient der Sicherheit. Dies wird gewährleistet. Bei der Videoüberwachung sind zwei Punkte wichtig. Der eine ist das Beobachten, und der andere ist das Speichern. Dies sind zwei getrennte Probleme. Sehhilfe ja, Speicherung im Prinzip nein. Wenn eine kriminelle Handlung gefilmt wird, dann dient die Aufnahme selbstverständlich auch als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren; das ist ja auch der Sinn der Sache. Gerade diejenigen, die als Rechtsanwälte tätig sind, wissen, wie wichtig ein klarer Beweis für eine Verurteilung ist. Deshalb, meine ich, ist der Vorschlag des Datenschutzbeauftragten ungeeignet, den Apparat erst dann einzuschalten, wenn eine kriminelle Handlung vorliegt; denn dann sind meistens bereits entscheidende Sekunden vergangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Polizeibeamter den Apparat so schnell einschaltet, dass nicht schon Zeit vergangen ist und die Aufnahme nicht erst nach der kriminellen Handlung beginnt. Dann entstehen wieder Beweisschwierigkeiten. Als Verteidiger wissen Sie genau, wie Sie dann vorzugehen haben, um einen solchen Beweis zu entwerten.
Ich meine deshalb, dass immer mitgeschnitten werden muss. Die Aufnahme darf aber nicht aufgehoben werden, wenn keine kriminelle Handlung begangen wird; sie muss dann gelöscht werden. Dies geschieht auch; das steht so im Gesetz. Wir wollten eine ganz kurze Zeit, nämlich zwei Stunden. Es gab einen Kompromiss: Zwei Tage halte ich noch für vertretbar, weil sich teilweise auch anschließend noch Leute beschweren oder behaupten, überfallen worden zu sein. Gerade Frauen sind oft nicht bereit, sofort eine Anzeige zu erstatten, sondern wollen Belästigungen vielleicht noch überschlafen.
Deshalb meine ich, dass die Frist von 48 Stunden auch notwendig ist. – Ich bin gleich fertig, dann lasse ich die Fragen zu. – 48 Stunden sind eine kurze Frist, und diese kurze Frist darf zu nichts anderem als zur Kriminalitätsbekämpfung genutzt werden – das steht auch im Gesetz. Wenn eine Anzeige kommt, darf die Aufzeichnung zu Beweiszwecken verwertet werden, sonst
nicht. Wir meinen, wir haben mit diesem Gesetz unsere Vorstellungen zu einem guten Polizeigesetz verwirklicht. Ich halte es in diesem Punkt für das modernste und liberalste Polizeigesetz in der ganzen Bundesrepublik.
Zeigen Sie mir ein anderes Gesetz, das besser ist, effektiver ist und den Datenschutz mehr als dieses Gesetz sichert. Deshalb werden wir diesem Gesetz zustimmen.
Nein, die Redezeit ist längst überschritten. Sie können dies im Innenausschuss abklären. Dafür gibt es Ausschussberatungen; in denen kann man dies alles abklären.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in Baden-Württemberg war immer eine der Grundforderungen meiner Fraktion an die Landesregierung. Die Sorgen der Bevölkerung über die Sicherheitslage in den Großstädten steigen. Sie sind von uns bereits in der 11. und nunmehr auch in der 12. Legislaturperiode zur zentralen Aufgabe unserer parlamentarischen Arbeit in diesem Haus gemacht worden; denn – und jetzt benutze ich eine von der CDU-Fraktion in ihrem Antrag Drucksache 12/5695 von uns abgekupferte Fundamentalfeststellung – das beeinträchtigte Sicherheitsempfinden ist von hoher Bedeutung für die Politik und das Vertrauen in den Rechtsstaat. Diese mittlerweile auch von der CDU-Landtagsfraktion angenommene Erkenntnis steht konträr zu der bisher von ihren Vertretern draußen im Lande stets verkündeten Schönwetterlage bei der inneren Sicherheit.
Heute hat also die Landesregierung den gegenüber dem Vorgängerentwurf überarbeiteten Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes und des Meldegesetzes eingebracht. Von den zur Änderung anstehenden Rechtsbestimmungen sind für uns jene unstrittig, die sich mit der neuen Bußgeldregelung und den neuen Organisationsbezeichnungen bestimmter Polizeidienststellen im Polizeigesetz befassen.
Auch den neuen Bestimmungen bzw. Änderungen im Meldegesetz können wir, da sie sinnvoll und geboten sind, zustimmen.
Als in der Form inakzeptabel sehen wir dagegen die von der Landesregierung beabsichtigte Neuregelung in § 21 des Polizeigesetzes an. In der vorliegenden Fassung des neuen § 21 Abs. 3 des Polizeigesetzes sehen wir erhebliche handwerkliche und rechtsstaatliche Mängel. Was unverfänglich unter B – Wesentlicher Inhalt – im Vorblatt des Gesetzes erscheint – ich zitiere daraus: „§ 21 wird um einen neuen Absatz 3 erweitert, der die Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten, sog. gefährlichen Orten im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG, zur Gefahrenabwehr und zur Be
seitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit ermöglicht“ –, lässt in der Sprache des konkreten neu gefassten Gesetzestextes aufhorchen. Es sind insbesondere die anzuzweifelnden Regelungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der von Videoüberwachung betroffenen Bürger, die eine Zustimmung unserer Fraktion zur jetzt vorgesehenen Form des Gesetzes nicht erlauben.
Auch ohne auf die in detaillierter Form bereits vom Datenschutzbeauftragten des Landes geäußerten Rechtsbedenken eingehen zu können, sehen wir unsere Vorbehalte in vielen Punkten bestätigt. Anders als die Landesregierung, die auf die berechtigten Einwände des Datenschutzbeauftragten in zum Teil der Sache nicht dienlicher Saloppheit reagiert, erkennen wir sehr wohl, welches Gefährdungspotenzial für hochrangige Grundrechte unserer Bürger bei einem so unbekümmerten Einsatz der Videoüberwachung droht. Insoweit machen wir uns auch die Kritik des Datenschutzbeauftragten in seiner Stellungnahme zu dem überarbeiteten Gesetzentwurf vollinhaltlich zu Eigen.
Insbesondere hätten wir auch gerne eine nachvollziehbare Erläuterung dessen, was die Landesregierung als Kriminalitätsbrennpunkt bezeichnet oder wer oder welche Institution den Begriff erfahrungsgemäß festlegt. Ab welcher zahlenmäßigen Größenordnung von Straftaten findet die Zuschreibung erfahrungsgemäß ihre Berechtigung?
Neben der für uns unvertretbar langen Vorhaltezeit der Bildaufzeichnungen in Absatz 4 ist ein weiterer Gesichtspunkt für uns ablehnungsrelevant. Bei der Begründung des neuen § 21 des Polizeigesetzes nimmt die Landesregierung unter anderem auch keine klare Haltung in der Frage der elektronischen Erkennung von videobetroffenen Personen ein.
Abschließendes Fazit: In der vorliegenden Form stimmen wir der Videoüberwachung nicht zu. Herr Innenminister, setzen Sie dafür die erforderlichen Beamten vor Ort ein. Setzen Sie sie bürgernäher ein. Geben Sie dem Bürger das Gefühl, dass die Polizei zum Greifen nahe ist und ihn nicht nur mit der Kamera beobachtet. Denn so schnell kann die Polizei nicht vor Ort sein, wenn der Bürger plötzlich Hilfe braucht.
Meine Damen und Herren, mir liegen in der Aussprache keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu. Vielen Dank.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes – Drucksache 12/5703
Das Präsidium hat eine Redezeit von fünf Minuten für die Begründung und von fünf Minuten je Fraktion für die Aussprache bei gestaffelten Redezeiten festgelegt.