Ich will zwei Gedanken von Ihnen aufgreifen, um ganz kurz auch etwas Inhaltliches zu sagen. Sie sagen, dass wir bei bestimmten klassischen Feldern Minderheitenpositionen vertreten, und als Beispiele nennen Sie die Kernkraft und die Ökosteuer. Beim Thema Ökosteuer würde ich sagen: Was die Minderheitenposition betrifft, sollten Sie da einmal in sich gehen. Wenn ich die Ergebnisse der Demoskopie und die Reaktionen in der Öffentlichkeit anschaue, dann bin ich mir ziemlich sicher – damit will ich nicht sagen, dass Ihre Position falsch ist –, was die Minderheitenposition ist. Ich glaube, da sind wir uns einig.
Was den Ausstieg aus der Kernenergie anbelangt, sagen Sie, die Energieversorgungsunternehmen hätten sich davon verabschiedet. Aber das stimmt nicht, und das wissen Sie. Es gibt selbst zu der Erklärung – zusammen mit der Bundesregierung – einen Vorspann, in dem es ausdrücklich heißt: Wir, die Energieversorgungsunternehmen, halten an der Kernkraft fest; aber im Interesse der Sicherstellung des geordneten Betriebs – weil man sonst eine Störung durch die Bundesregierung befürchten muss – unterzeichnen wir das nachfolgende Dokument. Also unterstellen Sie bitte nicht Dinge, die so nicht stimmen. Ich glaube, wir befinden uns da in einer ganz guten Position, sachlich, aber auch, was sozusagen unsere Verbündeten anbelangt.
Erwarten Sie von uns bitte auch nicht, dass wir bei einem Thema wie der Gentechnik die Position der Opposition übernehmen.
Es ist eine Erklärung dieser Regierung, und Sie haben davon gesprochen, dass Sie sich schon den Fall vorstellen könnten, dass Sie dann die Umsetzung übernehmen – von solchen Punkten einmal abgesehen, nehme ich an, die wollen Sie logischerweise nicht übernehmen. Ich bin darob nicht verunsichert.
Ich bin darob nicht verunsichert, wenn Sie sagen, dass Sie vieles von dem übernehmen. Man könnte ja sagen: Da haben wir irgendetwas falsch gemacht. Das will ich aber gar nicht sagen, sondern ich betrachte es eher als ein Kompliment, dass Sie das auch als einen potenziellen Regierungsauftrag an Sie verstehen. Ob Sie die Gelegenheit dazu bekommen, das ist eine ganz andere Frage.
Aber es gibt offensichtlich recht wenig Streit in der Sache, und das ist ein Tatbestand, bei dem man bei einem so komplexen Geschehen durchaus einmal feststellen darf, dass wir offensichtlich gar nicht so weit auseinander liegen, und zwar weder bei den Zielen noch bei den Instrumenten, von diesen Dollpunkten einmal abgesehen. – Bitte schön.
Herr Minister, würden Sie mir darin Recht geben, dass eine Minderheit in einer repräsentativen Demokratie so definiert werden kann, dass es sich um eine Gruppe im zuständigen Parlament handelt, die nicht die Mehrheit hat?
Aber ich glaube, Sie wollten sagen: Wer eine Minderheitenposition vertritt, vertritt etwas Falsches. Und das sollten Sie als Oppositionsabgeordneter eigentlich nicht sagen.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Plan. Was in diesem Plan, in diesem ganzen Werk auch drinsteckt, das ist die Thematisierungsfunktion. Wir beklagen alle miteinander – ich freue mich übrigens, dass sich der Saal allmählich füllt, ich nehme nicht an, dass das aufgrund meiner Rede geschieht – –
Wir stellen fest, dass wir generell in der Umweltpolitik quer durch alle Bundesländer, quer durch alle Parteien einen Rückgang an – wie soll man sagen? – Relevanz, an öffentlicher Diskussion, an Elektrisiertsein, an politischem
Gewicht, an Akzeptanz in der Öffentlichkeit haben. Das ist ein Kummer, den wir, glaube ich, alle miteinander teilen. In einer solchen Situation ein solches Werk anzupacken, es in die Diskussion zu bringen, damit auch Diskussionen auszulösen, über Dinge zu sprechen mit Verbänden, in der Öffentlichkeit, mit Medien, in diesen vier Veranstaltungen, die wir in den Regierungsbezirken mit über 600 Personen durchgeführt haben, ist schon eine wichtige Maßnahme. Mit welchem Umweltthema wäre uns dies sonst gelungen? Ich glaube, dass diese Thematisierungsaufgabe im Prozess wichtig ist, aber auch im Ergebnis, im Ergebnis deswegen, weil wir mit einem solchen Papier den Stellenwert der Umweltpolitik auch im Blick auf künftige Regierungsarbeit, auf eine künftige Regierungserklärung, auf künftige Haushalte erhöhen wollen. Ob uns dies gelingt, werden wir an der Stelle sehen, an der die Dinge dann zu entscheiden sind.
Aber dass wir jetzt, am Ende einer Legislaturperiode und am Beginn eines Jahrzehnts, den Versuch machen, die Karten neu zu mischen und einige ökologische Asse, sage ich einmal, mit in das Kartenspiel zu bringen in der Hoffnung, dass sie eines Tages Wirkung zeigen werden, das ist, glaube ich, eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam stellen sollten. Insofern habe ich auch gesehen – sei es außerhalb oder sei es innerhalb des Parlaments –: Diese Funktion wird dem Umweltplan generell ja auch zugeschrieben und findet allgemeine Zustimmung.
Ein weiterer Punkt ist die Frage: Wer verpflichtet sich hier eigentlich? Ist es nur die Regierung, oder welche Rolle spielt der Plan insgesamt? Gerade weil er auf Argumentation, Diskussion, Motivation, Orientierung, Information angelegt ist, geht es nicht nur darum, dass wir uns selbst in die Pflicht nehmen. Ich will die Landesregierung da nicht aus der Schusslinie nehmen nach dem Motto „Wir haben für alle übrigen etwas geschrieben“. Natürlich haben wir es auch für uns selbst geschrieben. Aber eben nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Öffentlichkeit, die Wirtschaft, die Kommunen, den Bürger, für Verbände. Genauso gut auch für andere politische Ebenen, also beispielsweise für den Bund und für Europa. Unsere Umweltpolitik wird damit ein Stück weit berechenbarer, vorhersehbarer. Man kann uns an den Messlatten messen.
Jetzt stelle ich mir ganz einfach vor, es würde in der Bundesrepublik nicht nur von einem Bundesland ein solcher Plan erstellt – nämlich von Baden-Württemberg –, sondern von allen 16 Bundesländern und dem Bund. Wir würden in diesen Plänen wahrscheinlich ein hohes Maß an Übereinstimmung feststellen – keine Identität, aber ein hohes Maß an Übereinstimmung. Das wäre eine Basis für eine gemeinsame Politik. Das zeigt, dass die Schwäche, die in dem Plan liegt, nämlich dass er heute noch alleine steht und wir deswegen bei vielem Verbündete brauchen, genauso gut eine Stärke sein könnte, wenn uns andere auf diesem Weg folgen würden. Insofern also Verpflichtung für uns und gegenüber anderen.
Nun möchte ich etwas zu dem Diskussionsbeitrag von Herrn Kollegen Walter sagen. Sie haben angesprochen, dass sich der Plan im Laufe des Prozesses verändert hat. Das stimmt. Das ist erstens ein Ausdruck von Lernfähigkeit.
Ja, ja. Das ist der erste Punkt. Ich komme noch zu anderen Punkten. Das ist also erstens eine Frage der Lernfähigkeit. Ich kann nicht lauter Anhörungen durchführen und sozusagen nie etwas verändern. Das muss man zunächst einmal ganz einfach feststellen.
Zweitens: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Politik von Politikern und von der politischen Spitze eines Hauses gemacht wird. Wenn es in unserem großen Apparat – sei es in einem Ministerium oder sei es in einer LfU – in politischen Schlüsselfragen abweichende Auffassungen von Beamten gibt, können Sie doch nicht erwarten, dass wir sagen: „Das ist der Fachmann, und wir sind die politischen Idioten“ und genau das übernehmen, was da entsprechend aufgeschrieben worden ist. Vielmehr liegt die politische Verantwortung da, wo die Bevölkerung eine politische Mehrheit geschaffen hat. Man hat uns die politische Mehrheit für die Positionen gegeben, die wir vertreten – auch in den Fragen, um die es da geht.
Zum Dritten – ich will es einmal etwas süffisant sagen –: Vielleicht hat man dieses Problem in Berlin gar nicht mehr, weil es im Beamtenapparat sozusagen schon einen Säuberungsprozess gegeben hat, sodass dieses Dilemma gar nicht auftritt. Natürlich gibt es bei einer LfU Beamte, die eine politische Auffassung haben. Ich finde das auch gut. Diese Leute sind noch auf ihren Plätzen und haben ihre Funktion. Aber es ist das gute Recht der Politik, von deren Auffassung abzuweichen.
Im Übrigen schließen wir natürlich auch Kompromisse; das ist klar. Ich nenne das Thema Flächenverbrauch. Es ist richtig: Wir hatten ursprünglich ein quantitatives Ziel aufgenommen und haben es dann herausgenommen. Es ist ein politischer Kompromiss, überhaupt keine Frage. Aber mir ist es lieber, ich habe nicht eine pointierte Aussage des Umweltministeriums, mit der ich alleine stehe, sondern ich bekomme eine Richtungsaussage und habe damit alle diejenigen eingebunden, die ich zur Realisierung des Ziels brauche. Der sinnvollere Weg scheint mir zu sein, solche Kompromisse einzugehen.
Zum Thema Verbindlichkeit: Ich glaube, was wir formuliert haben, ist nicht rechtlich verbindlich, sondern ist ein politisches Signal, ein Angebot. Ich habe es so beschrieben: Es ist ein Instrumentenkasten, aus dem wir zu gegebener Zeit im Laufe der nächsten Jahre etwas auszuwählen haben. Wir beenden mit dem Plan ja nicht die umweltpolitische Diskussion und sagen: „Da steht es, und jetzt haken wir nur noch ab; wir brauchen kein Ministerium mehr, wir brauchen keinen Umwelt- und Verkehrsausschuss mehr usw. usf. Das alles brauchen wir nicht, denn es steht alles im Plan.“ Nein, zu der jeweiligen Zeit werden die Entscheidungen natürlich anstehen. Insofern können die Dinge schon aus dem Gedanken der Diskontinuität heraus nicht die Verbindlichkeit haben, die Sie ihnen gerne beimessen würden.
Ich empfehle im Übrigen, an die Opposition gewandt: Formulieren Sie in Ihren politischen Aussagen an den Stellen mehr Verbindlichkeit, auch bei der Umweltpolitik, an de
nen Sie selber Verantwortung tragen. Wenn ich mir das Klimaschutzkonzept der Bundesregierung betrachte, muss ich auch sagen: In der Grundrichtung okay; bei der Verbindlichkeit können wir aber locker mithalten.
Ich will auf ein Weiteres verweisen, was, glaube ich, diesen Plan kennzeichnet. Er mag zwar in den Instrumenten sozusagen nur ein Angebot und nicht eine klare Festlegung sein, aber er hat auch einen bedeutenden konzeptionellen Inhalt. Ich will Ihnen einmal sagen: Abfallprodukte aus dem Umweltplan haben wir bereits in Konzeptionen umgesetzt, mit deren Hilfe wir gegenüber der Bundesregierung umweltpolitisches Profil entwickelt und gewonnen haben. Es ist schon bemerkenswert, dass es eine Reihe von umweltpolitischen Punkten gibt, in denen die rot-grüne Bundesregierung umweltpolitisch hinter uns zurückbleibt. Ich nenne das Thema Quotenhandelsmodell, ich nenne das Thema Ozonbekämpfung, ich nenne das Thema umweltfreundliche Kraftstoffe.
Aber Herr Walter, soll ich Ihnen einmal sagen, wie es war? Wir haben es im Bundesrat eingebracht, und in jener Woche, als es sich abzeichnete, dass es im Bundesrat eine Mehrheit findet, hat die Bundesregierung gehandelt, aber sie ist immer noch hinter unseren Zielen zurückgeblieben: 50 ppm und 10 ppm, wenn Sie wissen, was ich damit meine.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben 16 Jahre lang nichts hinbekommen!)
Wenn wir aber einen guten Vorschlag machen, könnten Sie ihn in zwei Jahren übernehmen. Dagegen spricht doch nichts, oder?
Dies gilt auch für viele andere Dinge. Ich glaube, dass die Umweltpolitik Baden-Württembergs schon eine gewisse konzeptionelle Stärke entwickelt hat und dass wir sie auch gegenüber dem Bund zum Ausdruck bringen. Wir wären froh, wenn wir dort bei vielen Fragen mehr Gehör finden würden. Dies zeigt, dass sich solche gedankliche Arbeit auch lohnt.
Meine Damen und Herren, ich will allmählich zum Schluss kommen und bemerken, dass dieser Plan auch seine Tücken hat, dass ein Plan, der klar ist, der ehrgeizige Ziele hat, zu gleicher Zeit eine Messlatte ist, an der man in der Zukunft gemessen werden kann. Einen Plan, der diesen Ehrgeiz nicht entwickeln würde, würde man als belanglos ansehen. Man kann sich also aussuchen, ob man eine niedrige Messlatte haben will, die lächerlich erscheint, oder eine hohe, an der man möglicherweise scheitern kann. Dies ist sicher eine der Tücken dieses Plans. Ich kann nur hoffen, dass wir in der Zukunft gemeinsam versuchen, den Absichten, wie sie formuliert worden sind, entsprechend Rechnung zu tragen.
Wir haben das Problem der Prognoseunsicherheit; wir haben das Problem der Ungewissheit der weiteren Entwicklung. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir versuchen, uns beim Controlling, also beim Begleiten des Prozesses, festzulegen, und zwar über die Kontrolle durch einen entsprechenden Beirat und andere Instrumente.
Schlussbemerkung: Insgesamt haben wir einen dialogorientierten Ansatz gewählt, der deswegen seinen Wert hat, weil wir nicht davon ausgehen, dass wir umweltpolitische Ziele durch einseitiges Vorpreschen durchsetzen können, sondern weil wir davon ausgehen, dass wir die Menschen mitnehmen müssen, dass wir die Verbände, die Institutionen, die Wirtschaft mitnehmen müssen, dass wir überzeugen müssen, dass wir informieren, dass wir motivieren und dass wir orientieren müssen; ich habe es vorhin schon einmal gesagt. Dies setzt aber auch voraus, dass wir im gesamten Stil, im Inhalt, aber auch im Entstehungsprozess dieses Umweltplanes viel Information vermitteln können, dass wir in gewisser Weise Bewegung durch Konsens auslösen, also Zustimmung dadurch bekommen, dass in bestimmter Richtung gehandelt wird, indem wir Einverständnis über die wichtigsten Fragen und die wichtigsten Instrumente erzielen.
Deswegen glaube ich, wir können am Ende der Legislaturperiode – die Legislaturperiode neigt sich ja nun dem Ende zu – feststellen: Die Umweltsituation in Baden-Württemberg ist, an objektiven Zahlen gemessen, relativ gut, nicht gemessen an unseren Zielen, aber gemessen an dem, was in anderen Bundesländern vorhanden ist. Wir haben auch in den letzten Jahren wieder klare Verbesserungen erreicht, was objektiv Messbares anbelangt.