Protocol of the Session on November 22, 2000

Ich denke, dass das Thema „Einführung des Bürgerentscheids auf der Landkreisebene“ nicht weiter diskutiert zu werden braucht. Es ist bei den Themen, die die Landkreise zu entscheiden haben, untauglich.

(Zuruf der Abg. Marianne Jäger Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben das ausgetauscht. Wenn in einem Teil eines Landkreises der Bau einer Umgehungsstraße ansteht und der gesamte Landkreis darüber entscheiden soll, so ist das nicht nur unpraktikabel, sondern

(Zuruf: Humbug!)

führt auch zu verzerrten Ergebnissen, von Anlagen der Abfallbeseitigung usw. einmal ganz abgesehen.

Wir denken, dass diese Gesetzentwürfe insgesamt gesehen kein taugliches Mittel sind, um das kommunale Geschehen zu verbessern. Ich habe schon das letzte Mal gesagt: Wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie es wenigstens der „Zukunftskommission Gesellschaft 2000“, die mit Mitgliedern aus allen Parteien und allen gesellschaftlichen Schichten besetzt ist und die sehr deutlich in einer längeren Passage formuliert, dass das Prinzip der repräsentativen Demokratie nicht nur erhalten, sondern sogar gestärkt werden muss.

Es hat sich ja einer in Baden-Württemberg an die Spitze der Bewegung „Mehr Demokratie“ gestellt. Wie seine Bevölkerung darüber gedacht hat, das hat er erfahren. Sie hat ihn nämlich in Schramberg als Oberbürgermeister kurzerhand abgewählt. Daran sieht man, wie die Bevölkerung über dieses Thema denkt.

(Abg. Redling SPD: Das ist ganz anders gewesen! – Abg. Birzele SPD: Das war ein absoluter Tief- schlag!)

Nein. Habe ich etwas Falsches gesagt?

(Abg. Birzele SPD: Das hat doch damit überhaupt nichts zu tun! – Abg. Zeller SPD: Sie haben Angst vor dem Bürger! – Unruhe)

Moment, langsam. Dieser Oberbürgermeister stand an der Spitze der Bewegung „Mehr Demokratie“. Er ist der Meinung, dass die Bevölkerung mehr entscheiden soll. Das ist genau das, was Sie wollen.

(Zurufe von der SPD, u. a. der Abg. Birgit Kipfer)

Und die Bevölkerung hat das beurteilt,

(Abg. Seimetz CDU: Eine kluge Bevölkerung!)

hat zum Ausdruck gebracht, wie sie darüber denkt, und hat ihm bei der nächsten Wahl den Laufpass gegeben.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: 18 Jahre ist das her!)

So einfach ist das.

(Beifall des Abg. Seimetz CDU)

Wir werden die Gesetzentwürfe ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Veigel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen machen einen erneuten Vorstoß in Sachen Basisdemokratie. Der Landtag hat erst im März 2000 wesentliche Erleichterungen für das direkte Mitwirken der Bürgerschaft beschlossen. Umso mehr erstaunt es jetzt, meine Damen und Herren von links, dass kurz vor der Landtagswahl dieses Thema erneut zur Debatte steht.

(Abg. Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Herr Kollege Redling – –

(Zuruf des Abg. Redling SPD – Abg. Birzele SPD: Wissen Sie, wie alt der Gesetzentwurf ist?)

Gut, aber jetzt wird er behandelt. Papier ist geduldig.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Redling hat ausgeführt, dass wir eine gute Gemeindeordnung haben.

(Abg. Birzele SPD: Er hat den Wirtschaftsminister zitiert!)

Herr Kollege Redling, hier stimme ich Ihnen voll und ganz zu.

(Zuruf des Abg. Redling SPD)

Nachher. – Wir haben eine gute Gemeindeordnung, die mannigfaltige Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und der Bürgermitwirkung bietet.

Sie beantragen jetzt erneut den Wegfall des Positivkatalogs, die Reduzierung des Quorums für Bürgerbegehren auf 10 vom Hundert der Bürger, bei Gemeinden mit mehr als 200 000 Einwohnern auf höchstens 15 000 Unterschriften, Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens und – was ich nicht schlecht finde – gleiche Informationsmöglichkeiten für Gemeindeorgane und Vertreter der Bürgerbegehren, aber dann wieder die Sperrwirkung von Bürgerbegehren und Senkung des Entscheidungsquorums von 30 auf 20 vom Hundert der Stimmberechtigten

(Abg. Birzele SPD: Aber auch Senkung von Sperr- wirkung!)

oder den völligen Wegfall des Entscheidungsquorums, was von den Grünen gefordert wird.

Aber damit nicht genug. Die Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Landkreis- und Gemeindebezirksebene sind ebenfalls Inhalt Ihres Gesetzentwurfs, meine Damen und Herren. Ich darf hier den Kollegen List unterstützen, der sagte: In den Städten und Gemeinden haben wir den gewählten Gemeinderat und den gewählten Bürgermeister als Verfassungsorgan und als System der repräsentativen Demokratie, zu der sich auch unsere Fraktion durchaus bekennt. Die Freigabe des Positivkatalogs und der Wegfall des Zustimmungsquorums würden eine Schwächung der gewählten Gemeindeorgane bedeuten.

(Abg. Birzele SPD meldet sich zu einer Zwischen- frage.)

Ja, bitte, Herr Abg. Birzele.

Herr Kollege Veigel, wenn Sie gerade Herrn List zugestimmt haben, was die Ausführungen bezüglich Bürgerbegehren, Bürgerentscheide auf Landkreisebene betrifft, wie verträgt sich das dann mit der im März 2000 geäußerten Auffassung Ihres Parteivorsitzenden und stellvertretenden Ministerpräsidenten – ich zitiere – , das Volksbegehren habe richtige und wichtige Ansätze wie zum Beispiel Einführung eines Bürgerbegehrens und -entscheids auf Landkreisebene und eines Auskunftsrechts für Initianten und die Gleichstellung bei der Information der Öffentlichkeit?

Herr Kollege Birzele, diese Frage hat Herr Redling vorhin auch gestellt,

(Abg. Birzele SPD: Aber Sie beantworten sie nicht!)

und wir haben in der Fraktion natürlich über diese Frage auch diskutiert. Wir sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt – ich sage zum gegenwärtigen Zeitpunkt – durchaus der Ansicht, dass ein Bürgerbegehren auf Kreisebene nicht opportun ist.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Wann dann?)

Was Herr Döring vor ein oder zwei Jahren gesagt hat, haben wir erneut überdacht und sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Ansicht, dass das opportun ist.

(Abg. Redling SPD: Wann kommen Sie dazu? – Abg. Pfister FDP/DVP: Neues Spiel, neues Glück! – Abg. Birzele SPD: 18. März 2000! Die Halb- wertszeit bei Dörings Aussagen sinkt laufend!)

Meine Damen und Herren, diese Verantwortung der gewählten Gemeindeorgane, von der ich vorhin gesprochen habe, würde durch erleichterte Bürgerentscheide erheblich geschmälert und eingeengt. Auch die von der Opposition vorgeschlagene Sperrwirkung von Bürgerbegehren würde eine mehrmonatige Lähmung der Gemeindeorgane bedeuten. Die Absenkung der Quoren könnte zu der Gefahr führen, dass kleine aktive Gruppen Entscheidungen herbeiführen, die nicht im Sinne der Allgemeinheit wären.

Also insgesamt gesehen würden diese vorgeschlagenen Regelungen die Organe der Gemeinde erheblich schwächen.

Von der repräsentativen Demokratie wäre dann unserer Ansicht nach nicht mehr allzu viel übrig.

(Abg. Zeller SPD: So wie in der Schweiz!)