Protocol of the Session on October 26, 2000

Ich denke nicht, dass es deswegen Grundschulen erster und zweiter Klasse gibt. Vielleicht gibt es auch welche, die eine etwas schwierigere Anfangsphase mitmachen müssen, und andere, die davon profitieren, dass andere schon vor ihnen Erfahrungen gemacht haben. Ich denke nicht, dass das Glück unserer Kinder nun absolut davon abhängt, ob sie in der ersten Klasse eine Fremdsprache lernen oder nicht. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen uns die nötige Zeit dafür gönnen. Selbstverständlich muss dieser Fremdsprachenunterricht in der weiterführenden Schule entsprechend berücksichtigt werden. Das muss fundiert erarbeitet werden. Dafür haben wir noch ganze vier Jahre Zeit.

(Abg. Zeller SPD: Die haben Sie nicht mehr!)

Davon sollten wir uns auch mindestens drei Jahre Zeit nehmen.

Grundsätzlich möchte ich aber noch einmal die weiter gehende Forderung der FDP/DVP betonen, dass wir auch dahin kommen müssen, immer mehr bilingualen Unterricht zu haben, das heißt in anderen Themenbereichen auch fremdsprachlich zu unterrichten. Das wird auch Stunden sparen, und das wird die nächste Stufe sein, die wir, wenn wir diese hier einmal auf den Weg gebracht haben, angehen müssen.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP – Abg. Wintruff SPD: Zehn Jahre!)

Zum Punkt Französisch: Ich stimme dem Kollegen Rau zu, dass wir hier eine Aufgabe baden-württembergischer Außenpolitik haben. Wir dürfen unsere Freunde im Elsass nicht im Stich lassen, die ihrerseits an den Grundschulen Deutsch unterrichten und das immer gegen Paris verteidigen müssen. Und wir sollen nun vom Französisch abgehen. Abgesehen davon wäre eine Wahl zwischen zwei Grundschulfremdsprachen schlicht und einfach nicht möglich, weil Sie dann ja mit der weiterführenden Schule gebunden sind. Sie würden die Kinder bei der Wahl der weiterführenden Schule derartig einschränken, dass das meiner Ansicht nach nicht verantwortbar wäre.

Zu Ihrem Antrag, in dem Sie sagen, alle, die es freiwillig machen wollten, sollten es machen dürfen: Damit wäre genau das Prinzip, dass wir jetzt wirklich ganz bewusst Regionen gebildet haben, in denen man an der weiterführenden Schule dann auch gleich weitermacht, durchbrochen. Das wäre nicht haltbar. Abgesehen davon: Wenn nicht genügend Lehrer da sind – im Moment ist das Konzept eben so, dass die Lehrer gerade reichen –, kann man das nicht.

Ihrer Forderung, dass die Lehrkräfte zügig ausgebildet werden, wird schon entsprochen. Das wird schon gemacht.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Auch wir Liberalen wollen eine qualitätsorientierte Einführung des Fremdsprachenunterrichts an Grundschulen, wie Ihr Basisantrag ja lautet; aber wir wissen, dass zur Qualität die Elemente ausreichend geschulte Lehrkräfte, Erfahrung aus Pilotprojekten und genügend zur Verfügung stehende Lehrerstellen gehören. Wir wollen deshalb dieses Modell sukzessive ausbauen, nicht erst in vier Jahren – das wäre auch mir zu spät –, sondern so, wie Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Wenn man dann vielleicht ein Jahr früher zur Flächendeckung kommt, haben wir auch nichts dagegen; aber man muss abwarten, wie sich das entwickelt. Rot-grüne Panikmache führt bei diesem Thema überhaupt nicht weiter. Frau Rastätter, auch Sie müssten seit Ihrem Besuch in Böblingen wissen, dass das bei der Bevölkerung überhaupt nicht ankommt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. König.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule hat mich, muss ich ehrlich gestehen, im ersten Moment auch unheimlich begeistert. Aber in der Zwischenzeit habe ich mich intensiv damit befasst und auch sehr viele Gespräche mit Lehrern und Eltern geführt. Ich sehe dieses Projekt heute etwas kritischer. Ein paar Punkte, die in der Diskussion eigentlich kaum Erwähnung finden, möchte ich hier heute einmal zur Sprache bringen.

Zum einen ist es das Argument, die wissenschaftliche Erkenntnis sei gereift, dass man, je früher man anfange, desto besser eine Fremdsprache lerne, und wenn man diese dann spielerisch lerne, lernten sie eigentlich alle Schüler gleich, hätten also die gleichen Voraussetzungen. Das hat mich etwas an die Einführung der Mengenlehre im Mathematikunterricht vor knapp 20 Jahren erinnert. Auch dort waren alle euphorisch, und man hat gesagt, wenn man hier das Rechnen spielerisch lerne, hätten schwache und stärkere Schüler auch wieder die gleichen Voraussetzungen und man komme eigentlich auf ein breiteres, ein besseres Ergebnis. Die Erfahrung hat aber natürlich gelehrt, dass dem überhaupt nicht so war. Das Einzige, was wir erreicht haben, ist, dass die Schüler flächendeckend gleich wenig oder gleich schwache Mathematikkenntnisse gehabt haben.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Deshalb ist für mich das Argument des spielerischen Lernens eigentlich nicht unbedingt maßgeblich.

Das Zweite, auf das ich eingehen will, ist: Wenn feststeht – das hat ja in der Zwischenzeit auch die Frau Ministerin schon bestätigt –, dass wir immer mehr Schüler in unseren Grundschulen und in unseren Schulen überhaupt haben, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, halte ich es für sehr problematisch, bereits in der Grundschule in der ersten Klasse eine Fremdsprache einzuführen, die dann für die einzelnen Schüler verpflichtend ist.

Vorhin wurde von der Sprachenvielfalt gesprochen. Die ist in der Tat da. Aber das ist ja genau das, was uns in unseren Schulen viele Probleme bereitet, nämlich diese Sprachenvielfalt ohne die Leitsprache Deutsch.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Deuschle REP: Sehr richtig! Eben!)

Deutsch als Leitsprache, wenn man schon von Leitkultur usw. redet, muss vorhanden sein. Erst dann hat es einen Sinn,

(Abg. Rau CDU: Wollen Sie bestreiten, dass bei uns Deutsch unterrichtet wird?)

weitere Sprachen parallel zu lernen. Wenn also Kinder, die weder Deutsch noch ihre Muttersprache beherrschen, mit der dritten Sprache konfrontiert werden, wird dies schief gehen. Davon bin ich felsenfest überzeugt, und nicht bloß ich, sondern auch namhafte Experten.

Es gibt mit Sicherheit sehr viele Kinder, die so sprachbegabt sind, dass ihnen das Beginnen mit einer Fremdsprache in der Grundschule in der ersten Klasse sehr viel bringt. Dann muss ich aber bereit sein, zu sagen: Die Kinder, die der deutschen Sprache mächtig sind, können versuchsweise schon einmal ab der ersten Klasse eine Fremdsprache erlernen, aber die anderen müssen zuerst einmal Deutsch lernen.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Das Fundament für das Erlernen weiterer Sprachen wird, so sagen wir ja immer, in diesen jungen Jahren gelegt. Wenn die Kinder in dieser Zeit aber diese Leitsprache Deutsch, die sie ihr Leben lang begleitet, nicht beherrschen, dann halte ich es einfach für einen Irrsinn, eine weitere Sprache, eine Fremdsprache, einzuführen.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt natürlich immer wieder sagen, dies sei die alte Leier, aber wir haben einfach diese Probleme an unseren Schulen, und die wollen wir nicht vergrößern durch etwas, was wir landauf, landab als eine Ideallösung empfinden. Das sollte man einfach bedenken, das muss man bedenken, wenn man hier diskutiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt noch etwas Weiteres dazu. Wenn man sagt, das sei die Grundlage für weiteres Fremdsprachenlernen, dann muss man aber auch eine Sprache wählen, die anspruchsvoll ist, aber Englisch ist das einfach nicht. Englisch ist eine relativ primitive Sprache; das muss man einfach so sehen.

(Lachen des Abg. Rau CDU – Abg. Deuschle REP zu Abg. Rau CDU: Aber natürlich!)

Es ist so! Französisch ist sehr viel anspruchsvoller, von der Phonetik her, von der Grammatik her, und insofern halte ich es in der Tat für sehr wichtig, eine wirklich anspruchsvolle Sprache zu lernen, und dies wäre jetzt Französisch, an der Rheinschiene sowieso. Deswegen spricht sich auch meine Fraktion dafür aus, zumindest an der Oberrheinschiene mit Französisch zu beginnen.

(Beifall bei den Republikanern)

Ich habe das begründet, und ich halte das auch für notwendig.

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Unter den genannten kritischen Punkten halte ich es sogar für gut, dass die Landesregierung nicht gleich voll eingestiegen ist, sondern mit einem Pilotprojekt, das genau 16 % unserer Grundschulen erfasst, einmal Erfahrungen sammelt. Ich bin der Letzte, der, wenn diese Erfahrungen positiv ausfallen, nicht sagt: Jawohl, das wars, wir müssen das sofort flächendeckend einführen.

Insofern, Frau Ministerin, wird die Linie, die Sie da fahren, die Linie der schrittweisen Einführung, von uns mitgetragen.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Frau Dr. Schavan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kinder lernen eine Fremdsprache umso leichter, je früher sie beginnen können. Das ist die eine Erfahrung, die uns zu dieser Weichenstellung gebracht hat. Wir haben gerade einen Abschlussbericht über ein internationales Projekt „Frühes Fremdsprachenlernen“ vorliegen, das an 100 Klassen in Baden-Württemberg durchgeführt wurde, wo auf eindrucksvolle Weise die Chancen und Möglichkeiten für die Kinder, aber auch für die Grundschule geschildert werden, die dahinter stehen.

Zweite Erkenntnis – das wird ja letztlich von allen Fraktionen so geteilt –: Die Fremdsprachenkompetenz gewinnt an Bedeutung. Sie gehört zu dem, was wir Sicherung der Zukunftschancen nennen. Sie ist bedeutsamer geworden für die Arbeitswelt und in der Arbeitswelt.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir in der Landesregierung mit einer Kabinettsentscheidung diese Weiche gestellt haben, die in den nächsten Jahren nicht nur das frühe Fremdsprachenlernen, sondern danach auch das Fremdsprachenlernen in den weiterführenden Schulen deutlich verändern wird.

Eine Weichenstellung, die so umfassend ist, lässt sich nicht auf Knopfdruck an 2 500 Schulen umsetzen. Das wäre verantwortungslos. Hier gilt der Grundsatz – und da gibt es einen großen Konsens mit allen, die daran mitgewirkt haben – „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“.

Zu den Fragen, die gestellt worden sind: Ich weiß nicht, ob manchen das Konzept nicht bekannt ist und wie man zu manchen Aussagen kommen kann.

Erster Punkt: Das Konzept ist von den Inhalten, von der Didaktik her mit Vertretern aller Schularten abgestimmt. Alle weiterführenden Schularten sind in der Lehrplankommission vertreten gewesen. Wir haben ausdrücklich gesagt: Wenn diese Weiche gestellt wird, ist das nicht nur eine Geschichte der Grundschule, sondern betrifft es die Weiterentwicklung von Fremdsprachenlernen, von zweisprachigem Lehren und Lernen in den nächsten Jahren. Deshalb ist es wichtig, dass Gymnasien, Realschulen, Hauptschulen mit dem, was wir in den Grundschulen tun, auch so einverstanden sein können, dass es anschlussfähig ist.

Daher rührt übrigens auch die Frage: Wie wird Leistung in diesem Bereich festgestellt? Dazu gibt es zwei Auffassungen.

Die erste Auffassung vertritt der Philologenverband – übrigens ist sie weiter gehend als unsere –, der sagt: Es muss nicht nur eine Note geben, sondern diese Note muss auch in die Grundschulempfehlung Eingang finden. Wir haben gesagt: Es gibt Noten, aber diese finden keinen Eingang in die Grundschulempfehlung.

Die zweite These – Sie haben sie formuliert – lautet: Keine Note, sondern eine verbale Form der Bewertung.

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Lernstandsbericht!)

Lernstandsbericht, ja. – Und es wird immer hinzugefügt: weil nämlich die Kinder mit der Note den Spaß an der Fremdsprache, an diesem Fach verlieren.

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Das stimmt einfach nicht! Das habe ich nicht ge- sagt!)

Mir ist mehrfach gesagt worden, dass dies die Argumentation sei.

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Aber heute nicht!)

Ich wiederhole gerade zwei Positionen, die in der Debatte immer wieder genannt werden.

Dazu kann ich nur sagen: Wenn das so wäre, dann hätten Kinder auch keinen Spaß an anderen Fächern. Das Fach muss in der Klasse 3 und in der Klasse 4 den Rang und den Stellenwert wie alle anderen Fächer auch haben. Deshalb, glaube ich, ist es richtig, wenn wir hier, was die Feststellung von Leistungen angeht, in den Klassen 3 und 4 eine andere Form wählen, als dies in den Klassen 1 und 2 der Fall ist.