Denn wir wissen, dass alle Kinder, die so früh mit dem Fremdsprachenunterricht beginnen, auch weitere Sprachen bis zu einem vernünftigen Sprachgebrauch erlernen können. Von daher ist es gerade für die Kinder bei uns, die im Grenzraum zu Frankreich leben, eine günstige Voraussetzung für ihr weiteres Leben, für ihre Berufschancen, für ihre Existenz, wenn wir ihnen dies ermöglichen können. Die Elsässer tun dies. Ich finde, wir sind im Interesse unserer Jugendlichen gehalten, das bei uns auch zu tun.
Alle Wirtschaftsverbände am Oberrhein haben bestätigt, dass sie dort Französischunterricht an der Grundschule wollen. Eine Entscheidung für Französisch am Oberrhein ist keine Entscheidung gegen Englisch. Jeder weiß, dass wir unseren Kindern in ihrer weiteren schulischen Laufbahn Englisch vermitteln müssen. Aber eine Entscheidung für Englisch am Oberrhein wäre eine Entscheidung gegen Französisch. Wir sind es unseren Kindern in dieser Wirtschaftsregion für ihre künftige berufliche Laufbahn schuldig, dass sie alle Französisch erlernen können.
Das wird mir von den Industrie- und Handelskammern, ganz nachdrücklich von den Handwerkskammern, aus dem Speditionsgewerbe, aus dem Tourismusbereich, aus allen Dienstleistungssparten bestätigt.
Es geht nicht nur um künftige Abiturienten. Es geht auch um die künftigen Hauptschüler. Ihnen müssen wir etwas für ihren weiteren Lebensweg mitgeben, was sie dringend brauchen, um eine vernünftige Entwicklung nehmen zu können.
Deswegen bin ich entschieden dafür, dass wir in den Grundschulen am Oberrhein Französisch einführen. Man wird es uns in dieser Region danken.
Herr Rau, sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie genau mit Ihren Äußerungen den Glaubenskrieg „Englisch oder Französisch?“ und den betreffenden Konflikt am Oberrhein provozieren, indem Sie nicht sagen: „Wir unterbreiten beide Angebote, fördern dabei aber insbesondere Französisch, indem wir zum Beispiel auch im Kindergarten am Oberrhein verstärkt Französisch einführen, indem wir in allen Schularten anbieten, ab Klasse 5 mit Französisch weiterzumachen, auch mit Französisch zu beginnen“? Vielmehr provozieren Sie Widerstände und tragen damit letztlich zu einer Demotivation und zu großen Problemen am Oberrhein bei.
Frau Kollegin Rastätter, Sie sind auf dem Holzweg. Es geht hier nicht um einen Glaubenskrieg, sondern es geht darum, dass wir eine Entscheidung treffen, die den Kindern auf ihrem weiteren Lebensweg eine wichtige Hilfe und Stütze ist. Wir können diese Entscheidung für den Französischunterricht am Oberrhein vernünftig begründen. Inzwischen wird auch in den großen Schulverbünden – ich hatte gerade diese Woche eine große Veranstaltung hierzu in Lahr – Zustimmung zu diesem Konzept signalisiert, weil die Eltern die Chance erkennen.
Ich sage es noch einmal: Eine Entscheidung für Französisch in der Grundschule ist keine Entscheidung gegen Englisch, weil das im weiteren Schulweg sowieso kommt. Aber eine Entscheidung für Englisch als erste Sprache in der Grundschule am Oberrhein wäre latent eine Entscheidung gegen Französisch.
Das sollten wir den Kindern nicht antun. Sie verwandeln es in einen Glaubenskrieg. Wir wollen, dass die Kinder beide Sprachkenntnisse in einer für sie richtigen und vernünftigen Abfolge erwerben können.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Ausgangssituation in BadenWürttemberg sieht folgendermaßen aus: Wir haben an 700 Grundschulen – im Bereich des Oberrheins, aber auch entlang der gesamten Rheinschiene – schon seit fast 20 Jahren die Veranstaltung „Lerne die Sprache deines Nachbarn!“, in diesem Fall also Französisch, im Angebot.
Das heißt, dass der Grundsatzbeschluss des Kabinetts von 1975 – so alt ist er nämlich schon – in Teilen von BadenWürttemberg umgesetzt worden ist. Dieses Modell hat sich – das haben wir bei einer Ausschussreise erfahren – in diesen fast 20 Jahren sehr verändert. Wir brauchen in BadenWürttemberg eigentlich keinerlei neue Erfahrungen, wie wir Fremdsprachen im Unterricht anbieten müssen, sondern wissen, dass es richtig ist, von einem spielerischen Ansatz wegzugehen und die Kinder zum Beispiel mit Kommunikation positiv an eine Fremdsprache heranzuführen.
Jetzt ist angekündigt – es findet zum Teil, an 16 % der Grundschulen in Baden-Württemberg, schon statt –, die Fremdsprache Englisch weitestgehend einzuführen. Das führt nun dazu – wir haben es gerade in der Diskussion gehört –, dass vor allem am Oberrhein eine Auseinandersetzung quer durch die Wirtschaft, Elternschaft und Schulen stattfindet.
Ich selbst war mit Ihnen bei einer Veranstaltung in Lahr, die Sie wohl in steter Regelmäßigkeit wiederholen. Dort wurde sehr kontrovers diskutiert
(Abg. Rau CDU: Wir waren in Offenburg zusam- men! Ich mache mehrere Sachen in dieser Hin- sicht, Frau Kollegin! – Gegenruf von der SPD: Nicht so hitzig!)
Zweitens suggerieren Sie mit der Ankündigung eines immer früheren Zeitpunkts des flächendeckenden Ausbaus des Fremdsprachenangebots an Grundschulen, dass Sie sich beeilen würden, dem Elternwunsch nachzukommen. Das ist aber beileibe nicht der Fall. Der Zeitablauf bis zur flächendeckenden Einführung hat sich überhaupt nicht verändert. Dieser Taschenspielertrick, die Zahlen von 2007/ 2008 auf 2004/2005 vorzuverlegen, beinhaltet nur, dass im Schuljahr 2004/2005 die Kinder in der ersten Klasse damit anfangen
Eine Frage, die der Lehrerfortbildung, ist schon diskutiert worden. Dazu gibt es jetzt einen Ansatz: 24 Stunden Didaktik und Methodik und 24 Stunden Sprachschulung. Da wir wissen, dass die Qualität des Sprachenerwerbs von der Kompetenz der Lehrkräfte abhängt und dass in der Grundschule Lehrerinnen und Lehrer arbeiten, die unter Umständen schon seit 20 Jahren überhaupt nichts mehr mit Fremdsprachen zu tun hatten, glaube ich einfach, dass dieser Fortbildungsansatz nicht ausreicht.
Das zweite Ressourcenproblem, dass Sie haben: Wir brauchen für ein flächendeckendes Angebot von der ersten bis zur vierten Klasse 1 600 Deputate für die Fremdsprache an der Grundschule. Wir wissen aus Berechnungen, dass aufgrund der Zuwächse der Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen in den nächsten fünf Jahren 5 000 Deputate notwendig werden. Sie, Herr Rau, Frau Dr. Schavan, sind bisher die Antwort darauf schuldig geblieben, woher Sie bei Ihrem zögerlichen Aufbau des Lehrkörpers in BadenWürttemberg diese Ressourcen überhaupt nehmen wollen, geschweige denn, wie Sie das finanzieren wollen.
Vorhin wurde hier ja über Kommissionen und Sachverstand gesprochen. Es ist nicht nur der Städtetag, der ein anderes Vorgehen von Ihnen fordert, sondern auch die GEW, der VBE und an dieser Stelle auch der Philologenverband sagen einvernehmlich, dass es so nicht geht. Die Chancengleichheit der Kinder in Baden-Württemberg wird sträflich vernachlässigt. Die Auflistung, die seit gestern vom Städtetag vorliegt – das Ministerium hat sie ja bisher nicht geleistet –, welche Städte und Gemeinden denn berücksichtigt werden, zeigt eine Struktur, die überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Vielleicht haben Sie per Los entschieden, vielleicht per Hütchenspiel. Es gibt viele Schulen in BadenWürttemberg, die schon jetzt privat den Fremdsprachenunterricht finanzieren. Auch dies ist wieder eine Einführung des Schulgelds durch die Hintertür. Diese Strukturen sind völlig unberücksichtigt geblieben bei der Verteilung der Schulen, die jetzt in dieses Fremdsprachenmodell hineingenommen worden sind.
Insgesamt lässt sich sagen: Auch hier wieder Chaos. Modell gut vorgestellt, gute Presse erhalten. In der Umsetzung dann die Fehler. Sie werden nachher wieder sagen, Frau Schavan, wie toll Sie sich von den anderen Bundesländern abgrenzen. Mein Fazit ist: Die Kinder in Baden-Württemberg leiden unter Ihrer Ehrgeizigkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bereits im Dezember 1998 habe ich in meinem zusammen mit anderen Kollegen der FDP/DVPFraktion eingebrachten Antrag bezüglich Englisch als Weltsprache in den Ziffern 5 und 6 auch die Grundschulfremdsprache thematisiert. Gut, dass wir das in BadenWürttemberg jetzt so zügig anpacken.
Schade, dass nicht gleich alle mitmachen können. Aber Sie wissen genau, wir haben im Moment nicht genügend vorgebildete Lehrkräfte.
Was hätten Sie denn gesagt, wenn wir flächendeckend ohne Vorbereitung angefangen hätten? Kein Mensch hätte etwas dagegen gehabt, wenn wir eine Pilotphase mit nur 20 Schulen gemacht hätten. Bloß weil es jetzt 400 sind, weil man gleich mehr Schüler in den Genuss bringen will, wird plötzlich gemeckert.
Vielleicht ist es doch wirklich besser, nicht gleich flächendeckend zu beginnen, sondern zunächst gewisse Erfahrungen zu sammeln.
Ich denke nicht, dass es deswegen Grundschulen erster und zweiter Klasse gibt. Vielleicht gibt es auch welche, die eine etwas schwierigere Anfangsphase mitmachen müssen, und andere, die davon profitieren, dass andere schon vor ihnen Erfahrungen gemacht haben. Ich denke nicht, dass das Glück unserer Kinder nun absolut davon abhängt, ob sie in der ersten Klasse eine Fremdsprache lernen oder nicht. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen uns die nötige Zeit dafür gönnen. Selbstverständlich muss dieser Fremdsprachenunterricht in der weiterführenden Schule entsprechend berücksichtigt werden. Das muss fundiert erarbeitet werden. Dafür haben wir noch ganze vier Jahre Zeit.