Herr Kollege Scheuermann, gehen Sie mit mir einig, dass ich in dem Schreiben bzw. in der Pressemitteilung gesagt habe, dass man dann, wenn hier aus dem Regionalverkehr ausgestiegen werde, diese Regionalisierungsmittel den örtlichen Betreibern zur Verfügung stellen solle, also nur für den Fall, dass ausgestiegen wird, weil wir es uns nicht leisten können, aus der Fläche herauszugehen?
Jetzt komme ich zu meinem letzten Punkt, und der ist gleichzeitig die Antwort auf Ihre Frage, vorausgesetzt, ich habe sie richtig verstanden.
Zunächst einmal müssen wir darauf pochen, dass die Bahn ihrer Aufgabe gerecht wird und nicht einfach sagen kann: Ich entferne mich vom Fernverkehr,
und dann soll das Land gucken, wo es bleibt. Nach deren Definition ist jetzt nach vier Jahren der Reform plötzlich das, was bisher unbestritten Fernverkehr war, Nahverkehr geworden. Das können wir nicht einfach so akzeptieren,
sondern da müssen wir genauso, wie die Bahn auf ihrem veränderten Standpunkt beharrt, auf unserem vier oder fünf Jahre lang unveränderten Standpunkt beharren.
Als Letztes sage ich Ihnen, Herr Fischer und meine Damen und Herren: Wir sind bereit, in diese Lücke zu springen, was nicht von jetzt auf nachher geht. Allerdings muss dann irgendwann einmal über das Geld geredet werden, das bisher für den Interregioverkehr aufgewandt worden ist, und es muss gefragt werden: Wo bleibt das Geld? Genauso, wie man bei der Verlagerung der Zuständigkeit für den Schienennahverkehr auf die Länder in ausreichendem Umfang Geld dazugegeben hat, genauso – ich glaube, da sind wir hier in diesem Hause einig – muss man bei einer zusätzlichen Aufgabe – Ersatz des Interregioverkehrs durch das Land – auch das entsprechende Geld hinzugeben.
möchte ich darauf hinweisen, dass nichts anderes der Inhalt des Entschließungsantrags der FDP/DVP und meiner Fraktion ist.
Wenn wir den einmütig annehmen würden, hätten wir vielleicht einen kleinen Beitrag zu einer Verbesserung der Misere, die auf uns zukommt, erreicht.
(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Die Schlagzeile lautet: „Scheuermann wird Mehdorn- Nachfolger“!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Plädoyer, das Kollege Scheuermann eben gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn gehalten hat, könnte von anderen nicht besser formuliert werden, auch von uns nicht. Insofern bin ich sehr froh, Herr Kollege Scheuermann, dass Sie die parteipolitischen Spitzen, die in den letzten Tagen und Wochen in der Presse zu lesen waren, heute hier weggelassen haben und sehr sachlich zu dem Thema gesprochen haben, wie es auch angemessen ist.
Meine Damen und Herren, die Interregiokrise zeigt, dass die Bahnstrukturreform 1993 nicht in allen Teilen geglückt ist. Das ist eine vornehme Umschreibung. Sie ist in großen Teilen verunglückt.
Seinerzeit wurden die Weichen so gestellt, dass der Schienenpersonennahverkehr regionalisiert wird und in die Aufgabenträgerschaft der Länder übergeht, während der Fernverkehr eigenwirtschaftlich von der DB, konkret in diesem Fall für den Schienenpersonenfernverkehr von der DB-Aktiengesellschaft Reise & Touristik, betrieben wird.
Die Regionalisierung ist geglückt, dank der Ausstattung der Länder mit Regionalisierungsmitteln. Wir haben diesen großartigen Fortschritt beim Schienenpersonennahverkehr im Lande schon mehrfach gelobt, und da gibt es überhaupt keine Differenzen.
Aber ich mache darauf aufmerksam: Verhandlungsführer für die Länder war seinerzeit Rudolf Scharping, der Sozialdemokrat Rudolf Scharping, der als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz diese Verhandlungsführerschaft zugunsten der Länder gestaltet hat.
Keinesfalls ein Erfolgsmodell ist, wie wir inzwischen erleben mussten, der Fernverkehr mit den Produkten Intercityexpress, Intercity, Eurocity und hier speziell Interregio. Im Bestreben, die Bundesbahn als Klotz am Bein loszuwerden, hat die alte schwarz-gelbe Regierung seinerzeit die
formale Privatisierung der Bahn vorangetrieben und ihr eine schwere Hypothek auferlegt, indem sie nämlich den Fernverkehr eigenwirtschaftlich gestalten muss. Im Nachhinein rächt sich auch, dass seinerzeit die Deutsche Bundesbahn unter Heinz Dürr den Fernverkehr schön gerechnet hat und den Nahverkehr schlecht, zugunsten, muss man sagen, der Ausstattung mit Regionalisierungsmitteln.
(Abg. Hauk CDU: Der Nahverkehr war schlecht! Der ist erst besser geworden, seit wir den selber machen!)
Aber die Revision hat gezeigt, dass die Mittelausstattung dadurch für die Bundesländer sehr günstig war, während der Fernverkehr nicht ausreichend mit Mitteln ausgestattet ist und in der jetzigen Form eigenwirtschaftlich nicht weiter betrieben werden kann, weil er rote Zahlen schreibt.
Was heißt das für den Schienenpersonennahverkehr oder den Schienenverkehr insgesamt in Baden-Württemberg? Die Interregioverbindungen sind ein integraler Bestandteil des Schienenverkehrs in Baden-Württemberg. Sie sind in dieser Form auch unverzichtbar, weil durch die Verzahnung von Fern- und Nahverkehr durch die Vertaktung auf den Schienenstrecken insbesondere am Beispiel der Schwarzwaldbahn und der Südbahn der Fernverkehr, also das Fernverkehrsprodukt Interregio, ein unverzichtbarer Bestandteil des Integralen Taktfahrplans ist. Den wollen wir in diesem Hause ja alle gemeinsam.
Insofern kann man natürlich trefflich darüber streiten, ob der Interregio so, wie er derzeit betrieben wird, gut vermarktet ist, ob das Marketing stimmt, ob das Fahrzeugangebot stimmt, ob also die zu langen und damit nicht ausgelasteten Züge richtig sind und ob die langen, durchgebundenen Zugverbindungen auch in Zukunft sinnvoll sind. Denn in der Tat hat der Interregio eine Zwitterstellung. Er ist per Definition ein Produkt des Fernverkehrs, aber in der Realität wird er eben auch häufig im Nahverkehr genutzt. Der Ärger, den die Berufspendler vor einigen Jahren hatten, insbesondere auf der Strecke Vaihingen – Stuttgart, zeigt ja, dass da einiges durcheinander läuft.
Wir wären aber schlecht beraten – ich betone dies ausdrücklich –, wenn wir denen folgen würden, die jetzt sagen, der Ersatz müsse gestellt werden und die Länder könnten dies aus Regionalisierungsmitteln finanzieren. Dies wäre eine einseitige Aufkündigung der Geschäftsgrundlage, und seinerzeit war eben Geschäftsgrundlage der Bahnstrukturreform, dass die Fernverkehrsprodukte in der mittelbaren Verantwortung des Bundes eigenwirtschaftlich betrieben werden sollen und die Länder das Geld nur für den eigentlichen Schienenpersonennahverkehr bekommen. Damit haben die Länder – auch Baden-Württemberg – in besonderer Weise gut gewirtschaftet.
Deshalb geht es derzeit darum, die Problemlösung in der Weise zu suchen, dass die Länder gegenüber der Bahn deutlich machen, dass eine einseitige Auflösung einer solchen Geschäftsgrundlage nicht möglich ist. Wenn es nicht anders geht, weil der Fernverkehr eben nicht eigenwirtschaftlich betrieben werden kann, dann muss der Bund die mittelbare Verantwortung in eine unmittelbare Verantwortung in den Bereichen, in denen solche Probleme bestehen, umwandeln.
Insofern stimmen wir auch mit dem Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP überein, der parteipolitische Spitzen weglässt und sachgerecht ist, der allerdings in Ziffer 2 in der zweiten Zeile korrigiert werden muss, weil es anstelle von „Schienenpersonennahverkehr“ „Schienenpersonenfernverkehr“ heißen muss. Das ist Ihnen aber sicher schon selbst aufgefallen.
Wir werden dem zustimmen und befinden uns dabei auch im Einklang mit von der SPD regierten anderen Bundesländern, weil es hier auch um die Beziehungen zwischen den Ländern und der Deutschen Bahn und um die mittelbare Verantwortung des Bundes geht.
Herr Abg. Göschel, gestatten Sie zum Schluss Ihrer Rede noch eine Nachfrage der Frau Abg. Netzhammer?
Herr Minister Müller, wir sind auch gerne bereit, der Landesregierung einen Tipp zu geben. Schauen Sie einmal in § 5 des Regionalisierungsgesetzes. Er hat die Überschrift „Finanzierung“. In Absatz 2 heißt es im zweiten Satz:
Im Jahr 2001 wird mit Wirkung ab dem Jahr 2002 auf Vorschlag des Bundes durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Höhe der Steigerungsrate neu festgesetzt sowie neu bestimmt, aus welchen Steuereinnahmen der Bund den Ländern den Betrag nach Absatz 1