Protocol of the Session on October 25, 2000

(Beifall bei der CDU – Abg. Drautz FDP/DVP: Herr Schmid, nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass es hier um die Handwerker geht!)

Wer selbst etwas zum Thema macht, der muss es auch ertragen, wenn andere darüber reden.

(Abg. Döpper CDU: Und weniger polemisch!)

Eine zweite Bemerkung zum Thema Einwanderungsgesetz. Nicht mehr strittig ist ja wohl die Frage, dass wir ein Einwanderungsgesetz haben wollen. Aber es muss doch auch die Frage berechtigt sein, wie dieses Gesetz denn aussehen soll.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Schmid, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Drautz?

Ich habe den Zuruf schon gehört, aber er darf sie gern noch einmal stellen.

Herr Schmid, ich frage Sie: Ist Ihnen überhaupt bewusst, was im Moment bei Fast-Vollbeschäftigung in Baden-Württemberg für Probleme für unsere Betriebe entstehen, wenn Bürgerkriegsflüchtlinge zurückgeschoben werden und auf der anderen Seite mit der Greencard Leute aus dem Ausland hereingeholt werden?

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Können Sie unseren Betrieben dies erklären?

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Ich kann Ihnen erklären, dass wir mit 9 bis 10 % Arbeitslosigkeit noch weit weg sind von einer Vollbeschäftigung.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Aber nicht in Baden- Württemberg! – Zurufe der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen und Heiderose Berroth FDP/DVP – Unruhe – Abg. Drautz FDP/DVP: Auf was für einem Stern leben Sie?)

Das ist das Erste, was ich Ihnen erklären kann.

Das Zweite ist: Ich habe vorhin in meinem ersten Beitrag durchaus ausgeführt, dass ich die Probleme der betroffenen Betriebe kenne, dass ich sie auch verstehe, dass ich aber auch der Meinung bin, dass man – darauf gehe ich im dritten Punkt noch kurz ein – das Bleiberecht nicht so lösen kann, wie Sie das wollen. Das habe ich eingangs sehr deutlich gemacht und auch sehr ausführlich angesprochen.

(Abg. Döpper CDU: Aber da hat er nicht zuge- hört!)

Zum Thema Einwanderungsgesetz: Ich denke, die Frage ist schon – man muss sie stellen –: Wie soll es denn aussehen? Soll es ein zusätzliches Instrument zu dem sein, was wir schon haben? Über das Thema Begrenzung hat außer dem Innenminister und mir hier niemand gesprochen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Na- türlich muss da eine Begrenzung sein!)

Man muss dann auch die Frage beantworten: Soll ein Zuwanderungsgesetz auch die Problematik einer Begrenzung ansprechen oder nicht?

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ja, natürlich muss es das!)

Ich sage nochmals an die Adresse der FDP/DVP: Ich denke, man darf keine Frage ausklammern. Man kann sich

nicht hier hinstellen und sagen, Herr Kluck: „Jetzt klammern wir die Frage Asyl einmal aus.“ Das kann man nicht, wenn man über das Thema Einwanderung redet. Deshalb muss man auch sagen, wenn man über das Thema Zuwanderung spricht, wer denn dann kommen soll und wer nicht. Hier ist eine Antwort erforderlich. Da kann man nicht sagen: „Das klammern wir aus.“

Dritte Bemerkung: zum Bleiberecht. Ich bin auch der Auffassung: Wenn die Bundesländer gemeinschaftlich Vereinbarungen getroffen haben – auch Bundesländer mit Regierungen, in denen die FDP beteiligt ist –, dann sollte man sich an diese Vereinbarungen auch halten. Dann sollte man diese auch durchsetzen.

(Glocke des Präsidenten)

Dann stellt sich noch die letzte Frage, nämlich die Frage der Gerechtigkeit.

Herr Abg. Drautz hat noch eine Zwischenfrage, Herr Abg. Schmid, bevor Sie zu Ihrer letzten Frage kommen.

Vielleicht darf ich den nächsten Satz noch sagen; dann darf er sie gern stellen.

Bei dem Bleiberecht stellt sich schon auch irgendwo die Frage der Gerechtigkeit. Wir haben ja Tausende zurückgeführt. Nur wenige sind noch da. Wenn das Ergebnis unserer Politik jetzt sein soll, dass die wenigen, die am längsten durchgehalten haben und jetzt noch da sind, nun bleiben dürfen,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die, die arbei- ten!)

nachdem alle anderen zurückmussten, dann halte ich das nicht für gerecht. Dann habe ich ein Problem mit der Gerechtigkeit. Deshalb, denke ich, kann man so nicht verfahren.

(Der Redner macht eine Sprechpause. – Abg. Hei- ler SPD: Was ist?)

Er wollte eine Frage stellen. Ich warte einfach.

Bitte schön.

Herr Schmid, Sie haben uns die Frage noch nicht beantwortet,

(Abg. Heiler SPD: Doch, das hat er!)

wie Sie das dem kleinen Handwerker und Mittelständler erklären wollen, dessen Betrieb gefährdet ist, weil seine Mitarbeiter abgeschoben werden.

Dazu kann ich Ihnen zwei Bemerkungen machen. Erstens bin ich gern bereit, mit Ihnen gemeinsam in solche Betriebe zu gehen und das vor Ort zu erläutern.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Gut, machen wir!)

Zweitens bin ich im Petitionsausschuss und befasse mich dort in jeder Sitzung mit solchen Problemfällen. Ich war

auch schon selbst vor Ort. Da brauche ich von Ihnen nichts zu lernen. Da weiß ich selbst schon genug.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Bebber SPD: Was will er denn jetzt? – Abg. Drautz FDP/ DVP: Er will nichts lernen!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heiler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Dr. Schäuble, ich möchte damit beginnen, dass ich Ihnen für Ihre Ausführungen danke. Ich fand sie sehr beeindruckend. Ich glaube, dass Sie mit Ihrer Rede hier im Plenum einen entscheidenden und wesentlichen Beitrag zu einer politischen Streitkultur geleistet haben, wie ich sie mir öfter wünsche.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben mit der Bemerkung begonnen, dieses Thema dürfe nicht tabuisiert werden. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber noch einmal: Es kommt darauf an, wie man dieses Thema angeht. Wenn zwischen den Demokraten Einverständnis besteht, dass wir offen diskutieren mit der Sensibilität, die dieses Thema erfordert, und davon absehen, beispielsweise Plakataktionen mit einfachen Parolen zu machen oder Unterschriftenaktionen mit einfachen Parolen oder so etwas wie Herr Rüttgers in Nordrhein-Westfalen – „Kinder statt Inder“ –, was im Ausland nicht besonders gut angekommen ist und nicht dazu gedient hat, Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land darzustellen –, wenn also Einverständnis besteht, dass wir solche Dinge im Wahlkampf bleiben lassen, dann hat die heutige Debatte meines Erachtens einen entscheidenden Schritt nach vorn gebracht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Herr Minister, Sie haben, wie ich es auch versucht habe, Ihre Rede unter die Überschrift „Konsens“ gestellt. Ich darf feststellen, dass hier in der Tat sehr viel Übereinstimmung besteht. Sie haben von einer vernünftigen und begrenzten Steuerung der Zuwanderung gesprochen, eine Forderung, die gerade unsere Landtagsfraktion seit vielen Jahren stellt. Sie haben davon gesprochen, dass wir in der Bundesrepublik hoch qualifizierte Fachkräfte benötigen. Auch da haben Sie unsere Zustimmung, auch da besteht Konsens. Sie haben dankenswerterweise auch davon gesprochen, dass sich die Zuwanderungsthematik nicht auf arbeitsmarktpolitische, wirtschaftliche, demographische und ähnliche Aspekte beschränken kann, sondern dass es auch darum gehen muss, dass die Bundesrepublik nach wie vor ein Land sein muss, welches Menschen, die in Not geraten sind, die politisch verfolgt werden, selbstverständlich aufnimmt. Auch dazu unsere Zustimmung, Herr Minister.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben von dem Integrationsgesetz gesprochen, das Sie über den Bundesrat eingebracht haben. Dabei haben Sie völlig zu Recht bemerkt, dass ein ganz wesentlicher Punkt das Erlernen der deutschen Sprache ist. Insofern ist der Ansatz dieses Gesetzes richtig, dass die Sprachförderung aus

geweitet werden muss. Sie haben, wie Sie selbst gesagt haben, von Holland abgekupfert, allerdings das Entscheidende nicht. Denn dort müssen die Menschen, die einreisen und ein festes Aufenthaltsrecht begehren, zum Beispiel diese Integrationskurse nicht selbst bezahlen, weil sie das auch gar nicht könnten. Das macht der holländische Staat. Ich glaube, da ist noch Diskussionsbedarf.

Sie haben davon gesprochen, Herr Minister – und auch dazu unsere Zustimmung –, dass wir beim Thema Asyl abwarten sollten – da habe ich Sie hoffentlich richtig verstanden –, bis eine europaweite Regelung gefunden ist. Sie haben auch davon gesprochen, Herr Minister, dass hinsichtlich der Bürgerkriegsflüchtlinge einiges getan werden muss, was den Arbeitsmarkt anbelangt.