Protocol of the Session on October 25, 2000

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Justizminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Schlager? – Bitte schön, Frau Schlager.

Herr Justizminister, was ist nach Ihrem Sprachgebrauch ein Schwulengesetz?

Wenn Sie den Sprachgebrauch meinen: Ich spreche in der Regel schon von „Homosexuellen“. Ich stelle nur fest, dass die Verbände, die die Betroffenen selbst vertreten, immer Wert darauf legen, dass sie Schwulen- und Lesbenverbände heißen. Insofern ist es kurios, wenn Sie mir eine umgangssprachliche Ausdrucksweise vorhalten wollen, die die Betroffenen selbst gern pflegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Vereinzelt Heiterkeit – Hans-Michael Ben- der CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kiesswetter.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, den Worten des Justizministers ist nicht mehr viel hinzuzufügen.

(Abg. Bebber SPD: Hinsetzen!)

Ich möchte aber noch einen Punkt klarmachen: Das Ziel der Reform ist die Stärkung der ersten Instanz. Herr Kollege Bebber, wenn Sie vor 30 Jahren als Anwalt in Stuttgart waren, dann haben Sie mitbekommen, dass wir nach der jetzt geltenden ZPO ein neues System eingeführt haben. Wir haben das Stuttgarter Verfahren eingeführt. Danach können heute bereits beim ersten Termin Zeugen geladen werden, kommen Hinweise vom Gericht, wird beim ersten

Termin eine Güteverhandlung gemacht, bemüht man sich um einen Ausgleich, damit beim ersten Termin alles erledigt wird.

(Abg. Bebber SPD: Dann stört die Reform ja nicht!)

Wir in Stuttgart haben das auf Landesebene übertragen. In Baden-Württemberg wird das, glaube ich, überall so gehandhabt. Sollte das irgendwo nicht der Fall sein, dann gehen Sie dort einmal zu dem betreffenden Richter, und sagen Sie ihm, er solle einmal in die ZPO schauen. Ihre hehren Ziele, die Sie jetzt haben, können Sie nämlich bereits heute über die Anwendung des geltenden Rechts durchsetzen. In dieser Hinsicht besteht kein Mangel.

Ihre neue Vorsitzende aus Baden-Württemberg ist Rechtsanwältin – zwar keine erfahrene, aber immerhin; sie wird sicher schon einige Prozesse geführt haben. Von daher weiß sie genau, dass in Baden-Württemberg die Verfahren in dieser Form durchgeführt werden.

Dass es in Norddeutschland anders gehandhabt wird, ist ein Problem der norddeutschen Richter. Sie meinen nämlich, sie müssten immer Schiebetermine machen. Das ist ein norddeutsches Problem. Ein Blick ins Gesetz hilft weiter. Das wissen Sie als Jurist.

(Abg. Bebber SPD: Ja, die Praxiserfahrung des Ministers ist enorm! Darauf können Sie sich beru- fen!)

Das Zweite: Wir haben in Baden-Württemberg die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir mit der EDV auf dem neuesten Stand sind. Auch das ist eine Leistung, auch dadurch lässt sich Effizienz erzielen. Die Richter in der ersten Instanz können diese Technik voll nutzen. Auch dadurch erfolgt eine Stärkung.

Noch ein weiterer Punkt: Wir haben in dieser Koalition keine Stellenkürzungen vorgenommen. In der großen Koalition dagegen mussten noch 500 Richterstellen abgebaut werden. Das war während der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung.

(Abg. Junginger SPD: Weitergeführt haben Sie es!)

Wir haben jetzt die Stellen im Justizhaushalt gehalten, weil wir meinen, dass unsere Richter und unsere Justiz effektiv arbeiten und diese Effektivität erhalten bleiben muss. Ich möchte allen Richtern und Justizbeamten in diesem Land für ihre hervorragende Arbeit ausdrücklich danken.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das muss auch einmal gesagt werden. Es darf nicht immer nur davon geredet werden, dass sie überlastet seien. Sie bewältigen die Arbeit vielmehr zeitnah – das habe ich Ihnen vorgetragen – in dreieinhalb Monaten. So schnell wird in keinem anderen Bundesland gearbeitet. Deshalb ist diese Reform für Baden-Württemberg schädlich, deshalb muss sie abgelehnt werden. Wenn es in anderen Bundesländern anders ist, ist das deren Sache. Aber Sie haben eine Bundesjustizministerin aus Baden-Württemberg, und die blickt

nicht durch. Die neue Landesvorsitzende schweigt, weil sie vielleicht durchblicken könnte.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bender.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen möchte ich in der zweiten Runde doch noch anbringen.

Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Bebber: Sie haben es heftig abgelehnt, bestritten, dass auch nur im Ansatz, im Geringsten daran gedacht sei, zur Dreistufigkeit überzuleiten. Es wurde auch schon vom Herrn Justizminister gesagt: Schauen Sie in die Koalitionsvereinbarung Ihrer eigenen Kolleginnen und Kollegen in Berlin hinein;

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Die ha- ben wir im Kopf!)

dort steht eindeutig: Zielsetzung der Justizreform: Dreistufigkeit des Zivilgerichtsaufbaus.

Im Übrigen hat sich Frau Schubert, die Justizministerin von Sachsen-Anhalt, beim Deutschen Richtertag 1999 sogar expressis verbis dahin gehend geäußert, dass sie nur noch ein Eingangsinstanzgericht haben will – also nicht mehr die Differenzierung zwischen Amtsgerichten und Landgerichten. Der Weg ist vorgezeichnet, und wir lehnen ihn ab.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Wa- rum?)

Zweitens: Herr Kollege Oelmayer, Sie haben ja Recht, dass die erste Instanz vielleicht noch mehr gestärkt werden muss. Tatsächlich ist sie auch heute schon keine Durchgangsinstanz. Aber was hindert uns daran, uns ernsthaft Gedanken darüber zu machen, inwieweit, in welchem Umfang wir die erste Instanz bei den Amtsgerichten stärken können? Sie nehmen auch funktionale, materielle Zuständigkeiten wahr, nicht nur Streitwertzuständigkeiten; ich denke allein an die Mietsachen.

Bei einer Stärkung der Amtsgerichte haben Sie uns mit im Boot. Aber dies ist nur ein Teil der Reform. Das macht eben nicht den Kern der Reform aus.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Doch! Bei euch nicht!)

Wenn Sie von Bürgernähe sprechen: Sie ist durch den Erhalt der Amtsgerichte im bisherigen flächendeckenden Umfang bestens gewährleistet. Die Effizienz der Arbeit der Amtsgerichte wird durch die statistischen Zahlen bestätigt und bekräftigt, wenn von 93 % erledigter Fälle gesprochen werden kann. Was wollen wir die Effizienz da noch großartig weiter erhöhen? Da wird die Luft immer dünner, und der finanzielle Einsatz läuft Gefahr, unverhältnismäßig zu werden.

Drittens: Die Landesvorsitzende der SPD hat sich zu diesem ganzen Thema bisher mehr als vornehm zurückgehal

ten. Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich allerdings das Vergnügen, bei einer Veranstaltung der Karlsruher Richterschaft und des Anwaltvereins über die Justizreform mit ihr auf dem Podium zu sitzen.

(Abg. Bebber SPD: Die Ärmste!)

Es war interessant. Ich will gleich dazu sagen: Es hat mir wirklich Vergnügen gemacht, neben ihr auf dem Podium zu sitzen; das ist gar keine Frage.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Hört, hört! – Abg. Beb- ber SPD: Hoffentlich ihr auch! – Gegenruf des Abg. Nagel SPD: Sie hat etwas anderes erzählt! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Also über persönliche Befindlichkeiten diskutieren wir hier nicht!)

Aber, meine Damen und Herren, zur Sache selbst gab es von ihr keine einzige sachlich griffige Aussage.

Ich möchte noch einen letzten, einen vierten Punkt aufgreifen, auf den ich in der ersten Runde besonders eingegangen bin. Die Gleichgültigkeit oder geradezu Rücksichtslosigkeit, die Argumentations- und Beratungsresistenz der Bundesjustizministerin ist nicht zu verstehen. Eine solche grundlegende Reform kann nicht gegen die Praxis durchgesetzt werden, sie muss mit der Praxis geschehen. Deshalb verstehe ich umso weniger, dass die Frau Bundesjustizministerin bei der geplanten Schuldrechtsreform eine große Kommission zur Vorbereitung einberuft. Ist denn das Zivilprozessrecht, der unverzichtbare formale Rahmen für unseren Rechtsstaat, weniger wert, dass man hierzu keine große Kommission einberuft? Nein, man hat die Fachwelt pro forma mit einbezogen und sie im Juni, Juli dieses Jahres dann schlichtweg ausgebremst.

(Abg. Bebber SPD: Da muss Eurorecht mit einge- arbeitet werden! Wissen Sie, dass da Eurorecht mit eingearbeitet werden muss?)

So nicht mit uns.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bebber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ein Niveau, das nicht mehr unterschritten werden kann,

(Zuruf von der FDP/DVP: Doch!)

wenn man sagt, der Ministerin oder der Vorsitzenden fehle die Praxis. Stellen Sie sich vor, ich würde jetzt mit dem Hinweis zuschlagen: „Der Herr Justizminister war nie Anwalt oder Richter; ich spreche ihm die Urteilsfähigkeit bezüglich der Justizreform von vornherein ab, weil er keine Ahnung hat.“ Das mache ich nicht. Aber das wäre Ihre Methode und Ihre Art: unseriös und schäbig.

(Beifall bei der SPD – Abg. Kiesswetter FDP/ DVP: Ist er Rechtsanwalt oder nicht?)

Ich stelle fest, Herr Kiesswetter: Der Herr Justizminister hat keinen Ton mehr von Schließung der kleinen Amtsgerichte gesagt. Er hat auf den Vorhalt von mir die Behauptung, dass diese Schließung beabsichtigt sei, jedenfalls heute hier nicht aufrechterhalten.