und Anwälte vorgehen muss. Es wird völlig zu Unrecht unterstellt, dass es zu einer Beschleunigung der Verfahren in der ersten Instanz käme. Es wird das Gegenteil eintreten. Wir werden eine Ausweitung und eine Verlängerung von Verfahren der ersten Instanz bekommen.
Die Vorstellung, man würde die zweite Instanz entlasten, ist auch falsch, denn die Novelle wird dazu führen, dass die Rechtsmittelinstanz erheblich mehr an Rügen prüfen muss. Da Sie außerdem den Zugang zur zweiten Instanz erweitern wollen, müssen Sie uns auch klar und deutlich sagen, wo sie die Richterstellen hernehmen wollen. Eines ist sicher: Wir brauchen dann bei den Oberlandesgerichten sehr viel mehr Stellen. Wenn, wie die Bundesjustizministerin behauptet, mit dieser Reform den Ländern Einsparungen von Richterstellen ermöglicht würden, wäre das die Quadratur des Kreises.
Ich kann nur eines festhalten: Dieser Reformentwurf ist verfehlt. Er führt uns nicht weiter. Deswegen müssen wir ihn ablehnen.
(Beifall bei den Republikanern – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Darüber habt ihr gar nicht zu entscheiden, Gott sei Dank! – Abg. Bebber SPD: Wie wollen Sie das ablehnen? Sie sind doch gar nicht im Bundestag!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem Unternehmen Rechtsmittelreform der rot-grünen Bundesregierung, einem Unternehmen, das für die Länder von hoher Wichtigkeit ist, weil es direkte Auswirkungen hat, stehen wir jetzt kurz vor der Entscheidungsphase. In den nächsten Wochen und Monaten wird über diese Dinge entschieden. Die Entscheidungsprozesse im Bundesrat haben ja bereits begonnen. Ich meine, es ist das Wichtigste, dass wir uns jetzt klarmachen, dass wir in der kommenden Zeit sachlich, nüchtern über diese Reform diskutieren müssen – was bringt sie? –, dass wir vor allem ihre Nachteile deutlich machen, die leider ganz im Vordergrund stehen.
Ich sage ganz deutlich: Ich habe noch nie jemandem vorgeworfen, dass er reformwillig war, dass er über vernünftige Reformen nachgedacht hat. Das machen wir ja auch. Das ist völlig klar.
Ich sage Ihnen eines, und das ist ganz deutlich, das werden Sie nie aus der Welt reden können: Diese Reform setzt Zentralismus an die Stelle bürger- und ortsnaher Strukturen
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Bebber SPD: Das ist ja ungeheuerlich! Das haben Sie mal mit vertreten!)
dazu komme ich gleich –, und zwar deshalb, weil sie die Unterschiede zwischen Amtsgericht und Landgericht verwischt – das ist unübersehbar – durch den weitestgehenden Einzelrichtereinsatz an beiden Stellen und auch dadurch, dass der Amtsgerichtsprozess aufwendiger, umständlicher und komplizierter wird.
Sie verwischt die Unterschiede zwischen Amts- und Landgericht, und sie ordnet alle Rechtsmittel dem Oberlandesgericht zu. Schon allein das ist natürlich ein ganz starkes zentralistisches Element. Sie setzt den Zentralismus eben an die Stelle der Bürgernähe,
und das – und jetzt wird es spannend –, ohne dass wir dabei eine Mark sparen. Wenn es wenigstens irgendeinen Grund gäbe, zu sagen, hinterher wäre etwas ökonomischer.
Aber der Clou an der Sache ist, was mittlerweile von allen Ländern berechnet wurde: Es wird teurer als vorher, und zwar ganz einfach deswegen, weil es in der ersten Instanz einen Mehraufwand, einen umständlicheren und damit auch einen längeren Prozess gibt.
(Abg. Bebber SPD: Das ist doch gewollt! Das ist doch Bürgernähe! – Zuruf des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen)
Kein Land bestreitet heute, dass es hinterher teurer ist als vorher, und das, obwohl die Parteien für ihre Berufung von Ravensburg und von Überlingen – vorhin war die Rede davon – nach Stuttgart zum Oberlandesgericht fahren müssen.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Rech und Hans-Michael Bender CDU – Abg. Kluck FDP/DVP: So ist es!)
Sie haben übrigens vorhin selbst unfreiwillig den Beweis dafür geliefert, in diesem Fall Sie, Herr Kollege Birzele. Herr Kollege Kiesswetter hatte gesagt, man müsse von Überlingen nach Stuttgart fahren. Dann wurde er zu Recht darauf hingewiesen – das stimmt –, dass ja schon heute ein Außensenat des Oberlandesgerichts in Freiburg sitzt. Das stimmt.
(Abg. Junginger SPD: Nicht nur einer! – Abg. Bebber SPD: Das hat er nicht auf Überlingen bezo- gen! Herr Kollege, das ist ja primitiv!)
Aber von Überlingen bis nach Freiburg ist es genauso weit wie von Überlingen nach Stuttgart. Dafür brauche ich nämlich exakt genauso lange.
Wir werden Tausende Kosten für die Verlagerung der Rechtsmittel haben, und das, obwohl wir bei der ganzen Reform hinterher mehr Richter brauchen. Das ist eindeutig.
Jetzt will ich hier nur ganz kurz – nachdem Sie Ihr Heil darin suchen, in der Vergangenheit zu kramen – noch einmal deutlich machen: Ich kann noch alles unterschreiben, was ich vor einem Jahr gesagt habe. Allerdings war es natürlich ein billiger Täuschungsversuch, lieber Herr Bebber, zu sagen, ich hätte je einen Vorstoß zur Dreistufigkeit bejubelt. Nachweislich habe ich jeden Versuch – egal, von wem er gekommen wäre –, zur Dreistufigkeit zu kommen, sofort und radikal bekämpft, und das aus guten Gründen.
Aber wir alle haben – und auch das aus guten Gründen – am Anfang der Reform gesagt: Die erste Instanz darf keine Durchlaufinstanz sein, und in der zweiten Instanz soll es nicht von vorn losgehen.
Das heißt, sie soll ein Instrument der Fehlerkontrolle und der Fehlerbeseitigung sein. Das war und ist das Ziel. Dann haben wir uns die Tatsachen angesehen, und dann konnte jeder Gutwillige zu dem Schluss kommen, dass es heute schon exakt genau so ist, weil 94 % der Verfahren am Amtsgericht endgültig beim Amtsgericht erledigt werden und 86 % der Verfahren am Landgericht in erster Instanz endgültig dort erledigt werden
(Abg. Bebber SPD: Weil die Streitwertgrenze kei- ne Berufung zulässt! Sie haben doch alle Verfah- ren drin! Das ist ja ungeheuerlich!)
(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: 50 % sind doch gar nicht rechtsmittelfähig! – Abg. Beb- ber SPD: Über 50 % sind doch gar nicht rechts- mittelfähig beim Amtsgericht!)
Ja. Das ist Ihre Resistenz gegen Fakten. Gut, ich nehme das auf. Ich nehme das gern auf. Sie sagen, ein Teil der Verfahren sei nicht rechtsmittelfähig.
Sie wissen aber auch, dass dieser Wert, wonach über 90 % der Verfahren endgültig erledigt werden, auch dort gilt, wo es Rechtsmittel gibt. Also stecken Sie dieses Argument doch weg. In den Teilen, in denen Rechtsmittel gegeben sind, gilt derselbe Wert:
Über 90 % der Verfahren werden in erster Instanz abschließend erledigt. Darum ist es, auf Deutsch gesagt, ein
Es ist genauso unsinnig, zu behaupten, dass die zweite Instanz immer von vorn anfange. Sie wissen mittlerweile längst, dass nur in 10 % der Fälle tatsächlich noch Beweisaufnahmen stattfinden.
Und jetzt sage ich mir: Wenn die Fakten nicht stimmen, dann können die Schlüsse daraus natürlich auch nicht stimmen. Dann muss ich es anders machen. Das haben mittlerweile nahezu alle außer Ihnen begriffen. Ich habe die Hoffnung gehabt, dass Sie es heute wenigstens zur Hälfte begriffen hätten.