der kann diesen Mangel durch noch so viele Informationen nicht ersetzen, auch nicht durch modernste technische Hilfsmittel. Denken und Verstehen, das hat zu tun mit dem ganzen Menschen, mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand.
Was hier geplant ist, ist ein eindeutiger Rückschritt, der im Grunde genommen das bewährte Kurswahlsystem abschafft und zum Klassenprinzip zurückkehrt.
(Abg. Christa Vossschulte CDU: Das haben wir von Ihnen schon zwanzigmal gehört! Das ist nichts Neues!)
Ich finde es übrigens interessant, dass Sie eben in Ihrer Rede eingeräumt haben, dass in der Tat die Wahlmöglichkeiten reduziert werden. Das wurde bisher immer bestritten.
Herr Kollege Zeller, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich gesagt habe?: Drei Unterrichtsfächer werden für alle verpflichtend, nämlich Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache. Ich habe nicht von der Einschränkung der Wahlmöglichkeiten gesprochen, sondern davon, dass die Differenzierung zwischen Grund- und Leistungskursen abgeschafft wird.
Schauen Sie, genau die Verpflichtung zu diesen drei Fächern haben wir ja schon heute. Das wird doch gar nicht bestritten. Es geht nur darum, dass Sie die Differenzierung in Grund- und Leistungskurse abschaffen wollen. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Es gibt andere Meinungen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, das Transparent auf der Tribüne zu entfernen. Es ist nicht zulässig, von der Tribüne aus Zustimmungs- oder Ablehnungsbekundungen abzugeben.
Meine Damen und Herren, Sie verschweigen, dass es gegen Ihren Gesetzentwurf erhebliche Widerstände, nicht nur von Schülerinnen und Schülern, sondern auch von Eltern und Lehrern gibt. Erst gestern habe ich übrigens eine Liste mit Unterschriften von Leuten bekommen, die sich gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen haben. Und wir haben auch im Schulausschuss über Unterschriftenlisten diskutiert. Ich muss Ihnen sagen: Ich finde es zum Teil schon schäbig, wie Sie mit jungen Menschen umgehen, die ihr demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben, die Sie quasi sozusagen niedermachen.
Einen Satz aus dieser Resolution will ich einmal gerne vortragen. Ich bin gespannt, ob Sie mir da zustimmen:
Bildung wird nicht durch die Zahl der Prüfungen verbessert, sondern durch die Qualität des Unterrichts. Hier stehen allerdings Verbesserungen aus, zum Beispiel die Einstellung junger Lehrerinnen und Lehrer, um zu verhindern, dass die Klassen größer werden und der Stundenausfall zunimmt.
Das sind die Fakten. Das ist die Tatsache. Da anzusetzen wäre viel wirkungsvoller, um ein Gymnasium zu reformieren.
Ich muss noch einmal darauf aufmerksam machen, dass auf der Tribüne weder Beifallskundgebungen noch Missfallenskundgebungen zulässig sind. Wenn Sie sich jetzt nicht daran halten, muss ich die Tribüne zum Teil räumen lassen.
Meine Damen und Herren, es wäre besser gewesen, wir hätten eine Reform des Gymnasiums ab der fünften Klasse gemacht, wir hätten mit den Inhalten, mit dem, was unsere jungen Menschen heute brauchen, begonnen, wir hätten die Lehrpläne entsprechend weiterent
wickelt und erst in der Folge die entsprechenden Strukturen verändert. Ich finde es bedauerlich, dass dieser Schritt nicht gemacht wurde, dass Sie sozusagen vom Ende her kommen, anstatt das Gymnasium von Grund auf zu reformieren.
Deswegen sage ich Ihnen klar und deutlich: Wichtig ist, dass wir an unseren Schulen, an den Gymnasien die Unterrichtsqualität verbessern, dass wir mehr junge Lehrerinnen und Lehrer einstellen und dass wir auch das Seminarfach – das haben Sie durchaus gut und sinnvoll gemacht, Frau Schavan, das will ich auch einräumen – flächendeckend ausbauen. Ich sage Ihnen: Lassen Sie das jetzige Kurswahlsystem. Wir wollen es beibehalten. Sie scheren im Grunde genommen aus. Sie wollen etwas Sinnvolles abschaffen, was in anderen Bundesländern erfolgreich ist. Baden-Württemberg wird damit das einzige Bundesland, das in der Oberstufe im Grunde genommen ein anderes System erhält. Ich sage Ihnen jetzt schon, dass dies nicht zum Vorteil unserer jungen Menschen sein wird.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Landesregierung hat einen Entwurf zur Neuregelung der gymnasialen Oberstufe vorgelegt. Darin geht es um die Strukturen der zukünftigen Oberstufe, noch nicht um die Inhalte. Ich will mich in meinem Beitrag auf diese Strukturen beschränken.
Wir Grünen haben große Bedenken, ob dieser Entwurf tatsächlich auch jene Ziele erreicht, die er verspricht. Wir fordern daher, dass dieses Modell nicht gleich flächendeckend umgesetzt wird, sondern dass zunächst eine Erprobung in der Praxis stattfindet. In dieser Erprobungsphase sollen dann auch andere Modelle, die ja vorliegen, zum Zuge kommen. Unsere Kritik will ich hier auf drei Punkte beschränken.
Erster Punkt: Stärkung der Allgemeinbildung. Die Landesregierung – Frau Vossschulte hat es ja auch gesagt – will mit dieser Reform die Allgemeinbildung stärken. Sie setzt dabei auf für alle verbindliche vierstündige Pflichtkurse in Deutsch, Mathematik und Fremdsprache. Es klingt zunächst beeindruckend, Frau Vossschulte, wie Sie das darstellen, aber in der Praxis haben wir diesen Zustand faktisch doch fast schon erreicht: Jeder Oberstufenschüler muss in diesen drei Fächern jeweils mindestens einen dreistündigen Kurs belegen. Wenn jetzt noch eine Stunde dazukommt, ist dies vielleicht eine kleine Änderung, aber nicht der qualitative Sprung, mit dem Sie diese Reform immer verkaufen. Auf der anderen Seite schaffen Sie auf diese Weise die Leistungskurse ab, in denen derzeit sehr gute Arbeit geleistet wird. Dies schadet insgesamt der Schule.
Zweiter Punkt: Probleme der Leistungsbewertung. Jeder Schüler, jede Schülerin soll künftig zwei Fächer wählen, die als Leistungskurse gewertet und dann im Abitur doppelt angerechnet werden. In der Praxis sind hier Konflikte vorprogrammiert. Zum Beispiel werden in den Deutschkursen zukünftig zweierlei Schülerinnen und Schüler sitzen, nämlich diejenigen, die ihre Leistung normal abrechnen,
und diejenigen, die die gleiche Leistung mit der doppelten Punktzahl im Abitur einbringen können. Der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wird damit auf den Kopf gestellt. Ich sage Ihnen voraus, dass dies noch zu massiven Problemen führen wird. Ich habe sehr aufmerksam gehört, Frau Vossschulte, dass Sie selbst an diesem Punkt des Entwurfs der Landesregierung Kritik üben und Änderungen verlangen. Darüber werden wir sicherlich noch genauer sprechen müssen.
Dritter Punkt: fächerübergreifender Unterricht. In den vergangenen Debatten wurde von der Ministerin immer wieder betont, Voraussetzung für mehr fächerübergreifenden Unterricht seien gleiche Lerngruppen in verschiedenen Fächern und deshalb müsse die Reform kommen. Also konkret: Ein fächerübergreifender Unterricht in Geschichte und Englisch ist eben nur dann möglich, wenn in den beiden Kursen die gleichen Schülerinnen und Schüler sitzen. Schauen wir uns unter diesem Aspekt aber einmal die konkrete Struktur der Reform an, so stellen wir fest, dass sie diesem Anspruch nicht gerecht wird. Lediglich in den Fächern Deutsch und Mathematik werden wir gleiche Gruppen haben, in allen anderen Kombinationen sind unterschiedliche Schülergruppen möglich. Bedeutet das jetzt, dass fächerübergreifender Unterricht nur in Deutsch und Mathematik stattfinden soll? Trotz langjähriger Schulpraxis fallen mir dazu keine gescheiten Themen ein.
Auch Goethe hat zwar zu fast allem, auch zu naturwissenschaftlichen Themen, etwas Entscheidendes gesagt. Aber gerade durch mathematische Beiträge ist er nicht hervorgetreten.
In der Sitzung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport hat die Ministerin dies erkannt und umgekehrt argumentiert: Gerade weil die Schülerinnen und Schüler eines Kurses viele andere Kurse besuchten, brächten sie aus diesen vielen anderen Kursen auch unterschiedliche Aspekte ein. Damit sei der fächerübergreifende Aspekt gewährleistet, und daher sei es positiv, dass es jetzt Kernfächer mit vier Stunden gebe, weil man jetzt ordentlich Zeit habe. Wenn man dieses Argument aber ernst nimmt, Frau Vossschulte, drängt sich für mich sofort die Frage auf: Warum schaffen wir denn dann die Leistungskurse ab? Dort hatten wir ja noch bessere Verhältnisse für fächerübergreifenden Unterricht. Sie waren fünfstündig, und darin saßen auch Schülerinnen und Schüler, die aus allen anderen Bereichen etwas beitragen konnten. Insgesamt ist also ein Rückschritt in puncto fächerübergreifenden Unterrichts zu verzeichnen.
Meine Damen und Herren, die Leistungskurse sind ein positives Element der heutigen Oberstufe. Die Schwierigkeiten liegen dagegen in den Grundkursen und auch in vielen anderen Bereichen, die die Schule bislang nicht beeinflusst. Teilweise arbeiten die Schüler nebenher, teilweise haben sie andere Aufgaben und andere Interessen. Das allein mit einer Strukturreform und einer zusätzlichen Deutschstunde in den Griff bekommen zu wollen, ist irgendwie blauäugig.
Neben dem Ansatz der Landesregierung gibt es auch viele andere Vorschläge, wie man das Problem mit dem Grundkursunterricht in den Griff bekommen könnte. Ich nenne
hier nur als Beispiel die Profiloberstufe. Aus Zeitgründen kann ich das leider jetzt nicht mehr ausführen. Auch der Landesschülerbeirat hat ja ein Konzept vorgelegt.
Meine Frage ist: Warum nehmen wir uns nicht die Zeit, diese verschiedenen Konzepte für unterschiedliche Formen der reformierten Oberstufe tatsächlich einem Praxistest auszusetzen und uns dann hinterher für das beste zu entscheiden?
Bekanntlich war es ja in den Siebzigerjahren, als die reformierte Oberstufe erstmals eingeführt wurde, auch so, dass sie nicht in einem Hauruckverfahren umgesetzt wurde. Damals ging vielmehr der Einführung auch eine mehrjährige Erprobung voraus.
Das sollten wir jetzt auch tun, damit wir für unsere Schülerinnen und Schüler wirklich das Beste bekommen.
Meine Damen und Herren, ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir wollen keine sofortige flächendeckende Einführung des Modells der Landesregierung, sondern einen zusätzlichen Praxistest dieses Modells und anderer Modelle. Und danach sollten wir uns für das beste entscheiden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die mit dieser Änderung des Schulgesetzes zu beschließende veränderte Struktur der Stundentafel für die Oberstufe des Gymnasiums stellt letztlich den kleineren Teil der grundsätzlich von niemandem bestrittenen Notwendigkeit einer Reform des gymnasialen Bildungsganges dar.