Protocol of the Session on July 19, 2000

dann wäre diese Steuerreform längst in Kraft und dann wären die segensreichen Auswirkungen dieser Steuerreform bereits seit 1998 zu spüren. Das wäre gut für das Land, für die Wirtschaft und für die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland gewesen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Puchta SPD: Rückzugsgefecht! – Abg. Schmiedel SPD: Das ist Schnee von gestern!)

Das mag sein. Aber Sie haben trotzdem blockiert. Sie haben den Schnee von gestern trotzdem blockiert.

(Abg. Brechtken SPD: Nein, wir loben Sie doch dafür, dass Sie zugestimmt haben!)

Aber lassen wir das beiseite, und schauen wir in die Zukunft. Ich stelle also zusammenfassend fest: Wir haben durch diesen Nachtragshaushalt die geringste Nettoneuverschuldung seit 1987. Das muss man sich vorstellen!

(Abg. Dr. Puchta SPD: Weil ihr die Steuereinnah- men zu hoch einschätzt!)

Zweitens: Wir tun eine Menge für die Unterrichtsversorgung im Land Baden-Württemberg, und zwar über das Jahr 2000 hinaus.

Drittens: Wir helfen mit, die Auswirkungen des Orkans Lothar zu mildern – so sage ich jetzt einmal –, soweit dies geht.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Mein Vater heißt Lothar!)

Viertens: Wir finanzieren in vollem Umfang die Steuerreform.

Und fünftens: Wir sind diejenigen, die konsequent und in Zahlen nachweisbar den Marsch auf die Jahre 2005 und 2006 weitergehen werden. Dieses Ziel in den Jahren 2005 und 2006 ist, dass wir die Nettoneuverschuldung auf null bringen. Dieser Haushalt wird auch unter diesem Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung einen ganz wesentlichen Baustein dazu liefern, dass dieses Ziel der Haushaltskonsolidierung tatsächlich erreicht werden wird. Die FDP/ DVP steht ohne Wenn und Aber zu diesem Ziel, die Nettoneuverschuldung in den Jahren 2005 und 2006 auf null zurückzuführen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Puchta SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rapp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man die Debatte heute gehört hat und diese ganze Selbstbeweihräucherung von CDU und FDP/DVP mitbekommen hat, dann hat man fast ein schlechtes Gewissen, wenn man die Meinung vertritt, dass die Landesregierung jetzt, lange vor der Wahl, das Gute verteilen und die finanzpolitischen Folterinstrumente möglichst erst nach der Wahl hier in dieses Parlament einbringen will.

Im Februar dieses Jahres haben wir den Haushalt 2000/ 2001 verabschiedet. Unter haushaltsökonomischen Gesichtspunkten wäre es wohl normal gewesen, Ende 2000 oder Anfang 2001 einen Nachtrag einzubringen. Die Landesregierung hat sich bisher hauptsächlich aus Gründen der Planungssicherheit für einen Doppelhaushalt ausgesprochen. Wenn es aber so weitergeht, muss man davon ausgehen, dass im Verlaufe dieser Haushaltszeit zwei bis drei Nachträge fällig werden. Das halte ich unter den gegebenen Voraussetzungen für eine chaotische Finanzpolitik.

Der Herr Finanzminister hat angeführt, dieser Haushalt sei im Vergleich mit den Haushalten aller anderen Bundesländer der mit der geringsten Verschuldung. Wenn man aber auf diesem Niveau zu den Besten gehört, dann ist man noch

lange nicht der Beste, sondern der Beste der Schlechten, und das ist eigentlich das Traurige angesichts der Voraussetzungen, die wir derzeit in Baden-Württemberg haben.

(Beifall bei den Republikanern)

Dieser Nachtrag soll in wenigen Tagen über die Bühne gebracht werden. Am ganzen Prozedere zeigt sich, dass die Regierungskoalition – aus der Sicht der Republikaner – völlig orientierungslos handelt. Eine ordentliche Beratung ist in dieser kurzen Zeit absolut unmöglich. Die Opposition soll offenbar daran gehindert werden, Änderungsanträge einzubringen. Sie soll möglichst die Vorschläge der Landesregierung abnicken.

Sicherlich hätte es in diesem Hause keinen Widerstand gegeben, wenn wir ausschließlich die Mittel zur Beseitigung der Sturmschäden noch vor den Sommerferien beschlossen hätten. Sie hätten es aber noch klüger haben können, wenn Sie nur gewollt hätten. Es gab nämlich während der ordentlichen Haushaltsberatungen einen Antrag der Republikaner, unterzeichnet von Huchler, Dagenbach und Rapp, mit dem wir genau 100 Millionen DM mehr für die Beseitigung der Sturmschäden gefordert hatten. Seinerzeit hieß es dazu im Finanzausschuss: Das ist doch gar nicht nötig, wir haben ausreichend Mittel bereitgestellt. Dabei waren sich Experten immer darüber im Klaren, dass diese Mittel absolut nicht reichen werden. In Ihrer Arroganz haben Sie unseren Antrag abgeschmettert, und das ist der Grund dafür, warum sich das Parlament letzten Endes in zwei Sondersitzungen wieder mit der Finanzierung der Beseitigung der Sturmschäden befassen muss.

Die Landesregierung will auf rot-grünes Drängen hin 940 neue Lehrerstellen schaffen, anstatt die kostengünstigere Variante zu wählen und zu sagen: Wir fordern eine Deputatsstunde pro Woche mehr. 940 Lehrer einzustellen, das ist ein Kostenfaktor von knapp 100 Millionen DM im Jahr. Das Kabinett in Brandenburg hat beschlossen, die Wochenarbeitszeit für Lehrer um eine Stunde zu erhöhen. Dort geht es, in Baden-Württemberg aber offenbar nicht. Da frage ich mich, ob wir nur noch Lobbyisten der Lehrer sind oder ob wir letzten Endes nicht auch noch finanzpolitische Grundsätze in diesem Haus berücksichtigen wollen.

(Beifall bei den Republikanern)

Wir haben folgende Arbeitszeiten für Lehrer: 28 Unterrichtsstunden für Grundschullehrer in der Woche, 27 Unterrichtsstunden für Hauptschullehrer in der Woche und 24 Wochenstunden à 45 Minuten für Gymnasial- und Berufsschullehrer. Ich denke, es müsste auf jeden Fall möglich sein, eine Wochenstunde Unterricht mehr zu erteilen, weil wir ja wissen, dass in wenigen Jahren der Lehrerberg,

(Abg. König REP: Schülerberg!)

den wir jetzt anhäufen, wieder abgebaut werden kann, weil der dazugehörige Schülerberg zurückgeht.

Aber wenn Sie es schon nicht lassen können und glauben, Sie müssten jetzt die Volksseele beruhigen, indem Sie 100 Millionen DM im Jahr mehr ausgeben, dann sollten Sie wenigstens die neuen Lehrerstellen sofort mit einem k.w.Vermerk versehen, damit wir sie rechtzeitig wieder streichen können, wenn die Schülerzahlen sinken. Das wäre das

Mindeste, was wir von Ihnen erwarten. Aber ich glaube, jetzt denkt noch niemand von Ihnen an die Konsequenzen Ihres Handelns, an die Pensionslawine, die durch diese Stellen auf uns zukommt. Es ist heute noch völlig unklar, was in der Zukunft auf die Landeshaushalte zukommt, wenn wir dem Drängen jetzt so großzügig nachgeben.

Freilich kommt man draußen immer gut an, wenn man Lehrerstellen schafft. Aber man kommt nicht gut an, wenn man eines Tages die Pensionen für diese Lehrer nicht mehr zahlen kann oder sagen muss: Liebe Lehrer, dann müsst ihr eben bis 70 arbeiten, weil wir euch mit 65 noch keine Pension geben können. Auch das sollte man bedenken, wenn man mehr Lehrer einstellt.

Wir Republikaner, meine Damen und Herren, sprechen uns in aller Deutlichkeit dafür aus – und es geht ja nur um geschätzte Zahlen, nicht um tatsächliche Zahlen –, Steuermehreinnahmen nicht zu verschleudern. Vielmehr wollen wir mit den überplanmäßigen Mehreinnahmen hauptsächlich eine schrittweise Schuldentilgung erreichen, damit dieses Land bis 2006 ohne Nettoneuverschuldung auskommen kann. Wir wollen nicht den Weg der ewigen Dauerverschuldung gehen, den Sie bisher beschritten haben.

Mit der von der Landesregierung beabsichtigten Rücklagenbildung wird den Bürgern Sand in die Augen gestreut. Nächstes Jahr – das ist zufällig das Jahr der Landtagswahl in Baden-Württemberg – leben wir auf dem bisherigen Niveau weiter. Aber was machen wir im übernächsten Jahr? Auch da bestehen noch die Auswirkungen der Steuerreform, nach der Baden-Württemberg weniger Geld bekommt. Aber dann haben wir die Mittel nicht mehr und müssen nach der Landtagswahl Leistungen kürzen, weil wir keine eigenen Einnahmen haben, die wir beliebig erhöhen können. Das ist bei dieser Landesregierung auch gut so.

Meine Damen und Herren, der Landtag hat den Beschluss gefasst, Mehreinnahmen zur Schuldentilgung zu verwenden. Jetzt geben Sie den größten Teil der Mehreinnahmen sofort wieder aus und kümmern sich überhaupt nicht darum, was aus unseren Schulden wird. Es ist doch eine Lachnummer, wenn man von 300 Millionen DM spricht, die jetzt außerplanmäßig getilgt werden sollten. Angesichts der Höhe der Mehreinnahmen müsste viel mehr getilgt werden. Ich habe noch Verständnis dafür, dass man dann, wenn es einem etwas besser geht, sagt: Wir investieren in Infrastrukturmaßnahmen. Beim Landesstraßenbau ist die Situation katastrophal. Vielleicht hätte man in diesem Bereich eine Kleinigkeit machen sollen, um einen gewissen Anschub zu erreichen.

Polizeibeamte rufen nach Schutzwesten; die haben sie nicht. In dieser Hinsicht hätte man etwas tun sollen, um Polizeibeamten die größtmögliche Sicherheit im Dienst zu geben. Aber an solchen Ausgaben sparen Sie, während Sie in anderen Bereichen, bei denen es darum geht, eigene Klientel zu befriedigen, großzügig mit den vorhandenen Mitteln umgehen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar Worte zur Steuerreform sagen. Aus meiner Sicht geht die so genannte Steuerreform an den baden-württembergischen Bürgern sehr stark vorbei. Es handelt sich um eine Steuerreform,

die die Kleinen inhaltlich überhaupt nicht berücksichtigt. Kleinbetriebe, Handwerk, unterer Mittelstand kommen dabei sehr schlecht weg.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Das ist falsch! Wenn der Eingangs- steuersatz gesenkt wird, geht das an die Kleinen!)

Es ist eine Steuerreform, bei der die im 41. Stock sitzenden Geschäftsführer und Direktoren von Großkonzernen jubilieren, weil sie jetzt deutlich weniger Steuern bezahlen müssen. Das ist falsch.

Es ist aber auch charakterlos, wenn die CDU diese Steuerreform im Bundesrat unterstützt und sich in Baden-Württemberg als Opfer darstellt. Das ist nicht richtig.

(Zuruf von der CDU)

Natürlich. Die CDU hat die Steuerreform letztlich unterstützt. Die CDU ist, was die Steuerreform anbelangt, kein Opfer, sondern Täter.

In der heutigen Ausgabe der „Stuttgarter Zeitung“ habe ich gelesen, dass Herr Schlauch unter anderem folgende Aussage gemacht hat:

Zweitens haben Bremen, Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern für ihre Länder positive Projekte ausgehandelt.

Von daher war die ganze Steuerreform doch ein Kuhhandel, mehr nicht. Wenn für die Zustimmung zu einer dauerhaften Reform ein Stadion herausspringt, ist das doch keine seriöse Politik mehr. Was Sie von CDU, SPD und Grünen hier treiben, ist vielmehr eine äußerst unseriöse Politik.

Aus meiner Sicht ist der Ministerpräsident von BadenWürttemberg der Mann, der die rote Laterne trägt. Er ist als Verlierer aus der Steuerreform hervorgegangen. Die CDU hat darauf verzichtet, sich aktiv an Verhandlungen zu beteiligen. Entsprechend schlecht war das Ergebnis für Baden-Württemberg. Die CDU hat aus Sicht von uns Republikanern jeden Anspruch verloren, Politik in diesem Land zu gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Sie hat diese Aufgabe nicht mehr wahrgenommen.

Verlierer der Steuerreform ist der Mittelstand, vor allem das mittelstandsgeprägte Baden-Württemberg. Einzelfirmen spielen für die Altparteien keine Rolle mehr. Im Gegenteil, man will anderes – zum Beispiel die Konzerne – voranbringen.

Ich darf noch einmal auf den Haushalt zurückkommen und Ihnen, meine Damen und Herren, sagen: Wir Republikaner werden diesen Nachtragshaushalt im Ganzen mit Ausnahme der zum Ausgleich der Sturmschäden vorgesehenen Mittel ablehnen. Wir werden eine Politik der stetigen Neuverschuldung nicht mittragen, sondern nur Konzepte unterstützen, die Baden-Württemberg dauerhaft entschulden. Wir werden keine Politik unterstützen, die das Land in guten Jahren noch weiter verschuldet.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist damit beendet. Der Gesetzentwurf wird an den Finanzausschuss überwiesen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: