Protocol of the Session on June 28, 2000

(Beifall bei der CDU)

Bei der Fülle von Prozessverfahren, die wir gerade in diesem Bereich haben, bei der Fülle der konkreten Rechtsfragen, die sich daran knüpfen, und vor allem vor dem Hintergrund der Rechtsprechung kann man nicht sagen, da sei

nichts geschehen. Ich will jetzt keine Richterschelte betreiben. Man kann die Urteile unterschiedlich werten.

(Abg. Kretschmann Bündnis 90/Die Grünen: Wer- ten Sie ruhig mal! Nur Mut!)

Man kann das von ganz verschiedenen Seiten angehen. Angesichts des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim und der Urteile von Verwaltungsgerichten müssen wir zwar die Divergenz zwischen der Rechtsprechung und der Realität, die manchmal gerade in Verwaltungsrechtsverfahren besteht, bedauern; aber wir müssen sie zunächst einmal zur Kenntnis nehmen.

Da aber nützen Schnellschüsse nichts. Da brauchen wir saubere, klare Lösungen, weil wir, ganz gleich, wie der Inhalt der Verordnung aussieht, damit rechnen müssen, dass auch sie wieder zu Gericht geht. Deswegen nützen uns Schnellschüsse, die ja aus tagespolitischen Emotionen heraus geboren werden, nichts.

Meine Damen und Herren, ich sage ganz klar: Selbstverständlich brauchen wir dringend und schnell einen besseren Schutz vor Kampfhunden. Aber wir wollen nicht nur einen besseren Schutz, sondern wir wollen, sage ich, dass Kampfhunde aus dem Straßenbild unserer Städte und Gemeinden schlichtweg verschwinden.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ja, so ist es!)

So, wie es in Frankreich, in Großbritannien, in Irland, in Ungarn und in Schweden ist, muss es im Ergebnis auch bei uns werden. Wir wollen deswegen alle möglichen rechtlichen, politischen und tiermedizinischen Maßnahmen ergreifen, um dies zu erreichen. Ein Liberalismus ist hier ebenso fehl am Platz wie ein pervertierter Tierschutz. Angesagt ist, dass wir die äußersten Mittel ergreifen, um das in der Tat zunehmende Problem in den Griff zu bekommen.

Im Ziel sind wir uns, glaube ich, alle einig. Wir brauchen eine schnelle, wirksame Abhilfe, aber auch eine rechtlich saubere Lösung.

Meine Damen und Herren, wenn wir dieses Ziel im Hinblick auf das erreichen, was wir Kampfhunde nennen – eine wissenschaftlich exakte Definition kann es nicht geben und eine zoologische schon gar nicht; das wissen wir alle –, wird sich das Problem möglicherweise auf andere Rassen verlagern, die genauso problembehaftet sind, wenn sie in die Hand von falschen Haltern kommen. Deswegen müssen wir uns auch weiter gehende Überlegungen zumuten.

Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Die Zahl der Kampfhunde muss drastisch reduziert werden; wir haben viel zu viele. Wir müssen die Reduzierung auf null anstreben.

(Abg. Capezzuto SPD: Bravo!)

Jeder Einzelne ist zu viel.

Jetzt zu der Frage, wie wir dieses Ziel erreichen – ich will das in Stichworten konkret sagen –: durch ein Zuchtverbot, ein Handelsverbot und ein Einfuhrverbot. Dann stellt sich

noch die Frage: Wie verfahren wir mit den Kampfhunden, die schon da sind? Da gibt es drei Punkte: Haltung nur unter strengsten Auflagen – Maulkorb- und Leinenzwang –, Haftpflichtversicherung ohne jede Ausnahme und Zuverlässigkeit des Halters.

Meine Damen und Herren, wenn Sie spazieren gehen und Ihnen ein Hundehalter, dessen Hund – Schäferhund, Boxer oder was auch immer – frei herumläuft, sagt: „Mein Hund beißt nicht“,

(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Hoffentlich weiß das der Hund!)

dann habe ich schon wegen dieser Antwort Zweifel an der Zuverlässigkeit des Halters. Er verkennt die Natur des Hundes.

(Beifall der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn sich ein Schäferhundehalter irrt, hat das möglicherweise fatale Folgen.

(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Wenn er beißt, heißt es: Das macht er sonst nie!)

Wenn sich Tante Emma bei ihrem Dackel irrt, mag es möglicherweise glimpflich ausgehen.

Das Problem besteht – das wurde oft gesagt; aber es stimmt einfach – auch am oberen Ende der Leine, und das Problem ist oft die Leine selbst. Lassen Sie mich dies einmal verdeutlichen. Die Leine verbindet nämlich häufig aggressive Hunde mit aggressiven Haltern.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ja!)

Noch drastischer ausgedrückt: Die Leine verbindet starke Hunde mit schwachen Menschen, die nur dann stark sind, wenn sie entweder mit einem Messer in der Tasche herumlaufen oder eine Waffe auf vier Beinen an der Leine haben.

(Abg. Bebber SPD: Was machen Sie mit denen, die jetzt schon einen Kampfhund haben?)

Die Notwendigkeit, in Ausnahmefällen ein berechtigtes Interesse anzuerkennen, führt mich zu der Frage: Welchen vernünftigen Grund gibt es eigentlich für irgendjemanden in diesem Land, einen Kampfhund zu halten?

(Abg. Kretschmann Bündnis 90/Die Grünen: Kei- nen!)

Wenn Sie einen Hütehund zum Schutz Ihres Eigentums oder aus irgendwelchen anderen Gründen – es gibt viele Beispiele; ich kann darauf aus Zeitgründen nicht eingehen – brauchen, gibt es Hunde in genügender Anzahl; es müssen nicht die von Natur aus aggressiven Hunde sein, von denen wir heute sprechen.

Meine Damen und Herren, deswegen zusammenfassend: eine Reduzierung auf möglichst null mit den Mitteln, die ich genannt habe. Die Frage, wie wir mit den bis dahin noch vorhandenen Kampfhunden verfahren, habe ich mit drei Punkten klar definiert. Ich denke, dass darüber Einigkeit besteht.

Wir kommen mit der Verordnung zeitnah hin, aber wir brauchen natürlich ein Anhörungsverfahren, in dem die Verbände zu Wort kommen. Das ist in einem geregelten Verfahren nun einmal so. Daran halten wir fest, damit das nachher auch gerichtsfest ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eigentlich unfassbar, wie vieler Angriffe von Kampfhunden auf Menschen es bedarf – und nun des schrecklichen Todes eines Kindes –, bis endlich Innenminister Gefahrenabwehrverordnungen vorlegen, die greifen, die gerichtsfest, kontrollierbar und durchsetzbar sind. Ich finde, es ist ein skandalöser Vorgang, das so lange hinzunehmen, wie das der Fall war. Der Kollege Caroli hat darauf noch einmal deutlich hingewiesen.

Wir leben bekanntlich nicht im Kaukasus, wo man Schafherden einsam gegen Wölfe und Bären verteidigen muss und dafür vielleicht solche Hunde braucht, sondern in einem dicht besiedelten Industrieland. Es gibt überhaupt keine rationalen Gründe dafür, in einem solchen Land Kampfhunde oder andere Hunde zu halten, die auf Kampftrieb, Schärfe und Härte hin gezüchtet und dressiert werden. Das sind in einem dicht besiedelten Land völlig unerwünschte Eigenschaften.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Es gibt keinen ersichtlichen Grund dafür, dass sich in Mitteleuropa Menschen Hunderassen mit einem solch hohen Aggressivitätspotenzial zulegen.

Ich möchte betonen: Wir alle haben nicht nur ein Recht darauf, nicht angefallen, zerstückelt oder verletzt zu werden, sondern wir haben alle – insbesondere unsere Kinder, die mit diesen Tieren auf Augenhöhe leben – auch ein Recht darauf, uns ohne Angst in Stadt und Land bewegen zu können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wenn wir diese Auffassung teilen, dass insbesondere unsere Kinder ein Recht darauf haben, sind konsequente präventive, kontrollierbare, durchsetzbare und bezahlbare Regelungen notwendig, die der Verunsicherung von Nichthundehaltern und von Kindern Rechnung tragen.

Erstens: Verbot der Zucht, des Handels und des Haltens bestimmter Hunderassen, die wir Kampfhunde nennen, von denen von vornherein ein nicht beherrschbares Aggressionspotenzial angenommen wird. Die Argumente von Teilen der Hundezüchterlobby, die sagen, das ginge nicht, andere Hunde könnten auch aggressiv dressiert werden, ziehen natürlich überhaupt nicht und erinnern fatal an die Waffendebatte in den USA, wo die Waffenlobby sagt: Die Waffe schießt nicht, sondern der Halter. Dort wird

weiterhin argumentiert: Mit Küchenmessern könne man schließlich auch jemanden umbringen. Dies alles kann nicht überzeugen. Freilich kann man jemanden mit einem Küchenmesser umbringen. Trotzdem sind Küchenmesser erlaubt, Waffen aber nicht und Maschinengewehre schon gar nicht.

Dass höchste Gerichte einer solchen Argumentation folgen und darauf hereinfallen, halte ich für fatal. Selbstverständlich müssen diese aggressiven Kampfhunderassen verboten werden. Das ist eine freilich notwendige, jedoch noch keineswegs hinreichende Maßnahme.

(Abg. Deuschle REP: Was machen wir mit aggres- siven Abgeordneten wie bei Ihrer Rede?)

Also, es tut mir Leid, Herr Kollege. Ich bin im Alter von sechs Jahren von einem Schäferhund gebissen worden. Sie müssen einmal verstehen, dass da der Spaß aufhört. Das ist nicht nur bei mir so. Dass Sie nach den Vorfällen, die jetzt vorkamen, nach der Kinderzerfleischung, dumme Witze machen, das spricht für Sie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es sind in der Tat Teile Ihres Nachwuchses, die sich mit Kampfhunden bewaffnen und mit ihnen in der Gegend herumlaufen.

(Abg. Wilhelm REP: Beweisen Sie das einmal!)

Das ist wohl auch bekannt. Deswegen würde ich an Ihrer Stelle die Klappe halten.