Protocol of the Session on May 18, 2000

(Zurufe von der FDP/DVP: Verbesserung?)

Der Freibetrag wurde jetzt von 60 000 DM auf 100 000 DM angehoben.

Bei einem durchschnittlichen Veräußerungsgewinn – hören Sie sich die Zahl an – von 170 000 DM bedeutet dieser Freibetrag von 100 000 DM, dass mehr als die Hälfte des Veräußerungsgewinns nicht besteuert wird.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was? Wie viel?)

Es geht nicht um den Erlös, sondern um den Gewinn. – Das ist so. Eine Untersuchung von 60 000 Betrieben hat ergeben, dass 80 % einen Veräußerungsgewinn von unter 250 000 DM haben. Die stellen sich alle besser, Frau Berroth. Deswegen wird es vielleicht, weil es politisch schwer zu vermitteln ist, hier zu einer Änderung kommen. Sie haben dann, meine Damen und Herren, mit dem Aufhetzen in dieser Frage den Betrieben einen Bärendienst erwiesen. Der Freibetrag von 100 000 DM und die Streckung der Besteuerung auf fünf Jahre, wo Sie fünfmal hintereinander den Freibetrag haben, sind rechnerisch eine Verbesserung.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Schlager, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Döring?

Bitte schön.

Frau Kollegin Schlager, Sie haben durch diesen vollen Steuersatz auf die Veräußerungsgewinne 3,2 Milliarden DM an Einnahmen eingeplant. Von wem kommen die dann?

Die kommen nicht von Handwerk und Mittelstand, sondern diese Regelung wird auch von großen Konzernen als Steuerschlupfloch genutzt, die dann bei der Veräußerung – –

(Lachen bei der FDP/DVP)

Doch. Die kommen nicht von den kleinen Betrieben, sondern wir stopfen hier ein Steuerschlupfloch bei den Großen, und die Kleinen stellen wir finanziell besser.

(Abg. Dr. Birk CDU: Zurück ins Tal der Ahnungs- losen!)

Nehmen Sie einfach die Rechenbeispiele aus dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, Herr Döring. Dort können Sie die entsprechenden Ergebnisse nachlesen. Ich bitte Sie auch hier: Machen Sie keine unnötige Stimmung beim Handwerk. Sie torpedieren eine positive Lösung, die zum Vorteil des Handwerks ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss kommen und noch eine ganze Kleinigkeit erwähnen. Wenn Sie sagen, das Handwerk sei der Bundesregierung nichts wert, sage ich Ihnen noch zum Abschluss: Die Subventionen, nach denen das Handwerk gar nicht ruft, sind im Haushalt 1999 von 252 Millionen DM auf 272 Millionen DM gestiegen – und das in einer Zeit, in der der Bundesfinanzminister einen Sparhaushalt vorlegt. Mögen Sie daraus die Wertschätzung ablesen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rapp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmiedel, ich weiß, wie schwierig es ist, sich bei solchen Leistungen einer Bundesregierung zu verteidigen, aber Sie hätten besser gestern zur verlässlichen Halbtagsschule gesprochen. Dafür hätten Sie das genügende Fachwissen. Ich traue Ihnen manchmal noch nicht einmal zu, dass Sie einen Schraubenzieher von einem Spaten unterscheiden können. Da ist es schlecht, wenn man vom Handwerk spricht.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf von der SPD: Sie disqualifizieren sich selbst!)

Ich sage aber auch eines: Diese Diskussion um das Handwerk passt nicht in das ideologische Konzept von RotGrün. Was Sie haben, das sind freie Handwerksbetriebe, aber was Sie wollen, das ist so eine Art VEB Betonbau oder VEB Gas und Wasser. Das haben Sie eben nicht, und das bekommen Sie auch mit uns hier nicht.

Meine Damen und Herren, kleine Betriebe, vor allem im Handwerk, erwirtschaften in Baden-Württemberg etwa 50 % des Bruttosozialproduktes, sie zahlen aber – das ist die Zahl aus der Vergangenheit – 60 % der Steuern. Da sieht man schon, was dabei herauskommt, wenn Ihre Steuerreform irgendwann zieht.

Eine besondere Belastung haben wir vorher gar nicht angesprochen. Ganz wichtig ist wieder diese völlig blödsinnige Art des arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienstes, die ja jetzt die Kleinen erreicht und wieder ein wahnsinniges Geld verschluckt, die wieder eine Bürokratie erzeugt, für Belastungen sorgt und die Leute draußen entmutigt. Auch hier sollte einmal etwas geändert werden.

Das Handwerk stellt zwei Drittel der Arbeitsplätze in unserem Land. Das wurde nicht gesagt, aber ich habe die Zahl genannt, dass wir in den letzten sechs Jahren alleine im Handwerk 100 000 Arbeitsplätze verloren haben – 100 000 Schicksale –, die eigentlich immer sehr gut für die Menschen, für das Land, für die Sozialämter und vor allem für die Bundesanstalt für Arbeit waren, die für die Leute dann nicht als Ersatzstelle eintreten musste.

Wir brauchen gute Ausbildung, aber wir brauchen für das Handwerk letzten Endes natürlich auch die Chance, die Ausgebildeten gegenüber der Industrie zu halten. Das ist ganz wichtig. Es kommt darauf an, hier etwas zu machen.

Frau Kollegin Schlager, ich weiß, dass Sie Ihre Kollegen im Bundestag in Schutz nehmen wollen, aber die Ökosteuer ist für das Handwerk einfach eine Katastrophe, insbesondere für diejenigen, die viel Auto fahren müssen, die einfach berufsbedingt flexibel und an jedem Ort und zu jeder Zeit sein müssen. Das ist verrückt.

(Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen: Einspruch!)

Wir brauchen weniger Vorschriften. Wir brauchen eine absolute Senkung aller Lohnnebenkosten.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen: Mit den Einnah- men der Ökosteuer zum Beispiel!)

Ja, die haben wir aber de facto nicht. Wir zahlen mehr und bekommen nichts oder nur eine symbolische Summe zurück. Überhaupt kein Arbeiter oder Unternehmer hat am Ende des Monats gemerkt, was da abging, aber er merkt es an den Benzinrechnungen, die Sie in die Höhe getrieben haben.

Das heißt, wir brauchen noch vieles mehr. Wir brauchen eine bessere Vorbereitung der Jugend auf das Berufsleben. Da ist die Schule gefragt, dass sie die Kinder im Schulalter schon näher ans Arbeitsleben heranbringt. Wir brauchen natürlich nicht nur eine bessere Landesregierung, sondern auch eine bessere Bundesregierung. Eine gute Opposition im Landtag haben wir schon. Das sind die Republikaner.

Danke schön.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Debatte ist damit beendet.

Punkt 2 der Tagesordnung ist abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Haltung der Landesregierung zu der Greencard-Initiative im Bundesrat – beantragt von der Fraktion der SPD

Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: 50 Minuten Gesamtdauer, fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde. Ich darf die Landesregierung bitten, sich ebenfalls an diesen vorgegebenen Zeitrahmen zu halten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat diese Debatte beantragt, weil wir in einer sehr einfachen, sehr pragmatischen, aber für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland sehr wichtigen Frage Klarheit wollen. Es geht darum, ob die Landesregierung von Baden-Württemberg

jetzt bereit ist, der Initiative der Bundesregierung, die unter dem Stichwort „Greencard“ läuft, der Anwerbung von hoch bezahlten, hoch qualifizierten IT-Spezialisten nach Deutschland für einen begrenzten Zeitraum, zuzustimmen, oder ob sie weiterhin als letztes Mitglied der Vereinigung „Rüttgers-Klub“ zu verbleiben gedenkt.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass diese Frage hoch bedeutsam für unseren Wirtschaftsstandort ist.

(Abg. Eigenthaler REP: Armer Wirtschaftsstand- ort!)

Wir haben uns darüber schon ausgetauscht, aber man kann es nicht oft genug sagen. In Deutschland sind von der Wirtschaft, aber auch in den Bildungsbereichen die Notwendigkeiten des Wachstums der neuen Technologien insgesamt sträflich unterschätzt worden. Wir haben heute einen massiven Engpass, der verhindert, dass diese Unternehmungen so wachsen können, wie sie eigentlich von der Weltkonjunktur her wachsen könnten. Es geht allen RepBehauptungen zum Trotz

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

dabei nicht um ein Konkurrenzproblem zu deutschen Arbeitslosen, sondern genau um das Gegenteil. Nur wenn es uns gelingt, im Wettbewerb mit anderen Staaten wie den USA, England, Frankreich diese Spezialisten zu gewinnen, werden diese Unternehmungen in Deutschland so wachsen können, dass auch viele Deutsche eine Chance auf einen qualifizierten Arbeitsplatz bekommen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Wie gesagt, es geht um eine ganz pragmatische, von der Sache her notwendige und gebotene Entscheidung. Es geht nicht darum – das sage ich ausdrücklich –, irgendwelche wolkigen Asyldebatten vom Zaun zu brechen, sondern um eine Sachentscheidung, die von der ökonomischen Vernunft her geboten ist.

Ich habe letzte Woche gedacht, dass wir diese Aktuelle Debatte vielleicht gar nicht brauchten und sie durch eine andere ersetzen könnten. Ich habe in den „Stuttgarter Nachrichten“ gelesen, Herrn Oettinger und Herrn Kauder sei es jetzt gelungen, den Hasen Teufel zum Jagen zu tragen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Hase jagt?)

Es sei zwar anstrengend gewesen, aber er werde jetzt der Greencard zustimmen. Dann habe ich aber gehört, das sei doch noch nicht so, man müsse ihn noch ein ganzes Wochenende lang in der Villa Reitzenstein belagern. Das hat dann offensichtlich auch stattgefunden. Wir haben dann alle mit Spannung gewartet, was denn der kreißende Berg gebiert.