Protocol of the Session on May 18, 2000

Die Kollegin Blank hat gerade Frankfurt genannt.

(Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Warum hört denn Ihre Parteifreundin Roth mit dieser Sache nicht auf? Sie betreibt das weiter, weil sie sagt: Das hat Vorteile. Da können Sie mit Ihren Gerichtsurteilen kommen. Fragen Sie doch einmal die Oberbürgermeisterin von Frankfurt, warum sie es macht.

Sie setzen Ihre Geisterfahrt auch gegen die betroffenen Kommunen in Baden-Württemberg – Lörrach, Karlsruhe sind genannt – fort.

Herr Minister, ich habe in diesen Tagen ein Zitat von Ihnen gehört. Sie haben beim Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem eine Rede gehalten – allerdings nicht in Jerusalem, sondern in Stuttgart:

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Auch nicht im Grab!)

Als christlicher Politiker muss ich aber genauso bereit sein, dem Opfer der Sucht jegliche erdenkliche Hilfe anzubieten,

(Abg. Haas CDU: So ist es! – Weitere Zurufe von der CDU)

um ihm das schiere Überleben zu ermöglichen.

(Zurufe von der CDU)

Diesen selbst gesetzten Maßstäben werden Sie mit Ihrer sturen Politik nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Mit christlicher Barmherzigkeit hat das schon gar nichts zu tun. Ich erinnere nur an die Haltung der Caritas oder der Diakonie, die ja im Auftrag der Kirche Barmherzigkeit in Baden-Württemberg praktizieren. Die sind genau gegenteiliger Meinung.

Noch interessanter ist aber in der Presseerklärung, wie Sie das begründen. Sie sagen: Ich war einmal in einem solchen Gesundheitsraum, und da habe ich in der Umgebung gesehen, dass da mehr gehandelt wird. Das sind Erkenntnisse, die Sie Zahlen aus Städten wie zum Beispiel Hannover und Frankfurt und wissenschaftlichen Untersuchungen aus der Schweiz entgegensetzen. Herr Repnik fährt einmal vorbei und sieht ein paar Dealer, und das ist die Grundlage einer Entscheidung.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: So machen vielleicht Sie Politik!)

Ich denke, das ist nicht tragbar.

(Beifall bei der SPD)

Das kann man vielleicht als Abgeordneter machen, aber als verantwortlicher Minister eines Landes muss man seine Entscheidungen aufgrund wissenschaftlicher Grundlagen und fundierter Erkenntnisse treffen.

(Abg. Krisch REP: So wie Sie es machen?)

Ich denke, Sie werden Ihrer Verantwortung in diesem Bereich noch nicht ganz gerecht.

(Beifall bei der SPD – Abg. Haas CDU: Fragen Sie einmal bei der WHO nach!)

Stattdessen haben Sie eine Drogentotenstudie mit dem Ziel in Auftrag gegeben – die betroffenen Ärzte haben sich ja schon gewehrt und beschwert –, denjenigen, die diese schwere Arbeit im Bereich der Substitution machen, noch eins ans Bein zu geben. Sie sagen: Ihr macht es nachlässig, ihr seid verantwortlich für Todesfälle. Sie sollen in diesem Bereich die Strukturen stärken, damit auch einmal die psychosoziale Begleitung neben der Substitution eine Rolle spielt, damit wir ein flächendeckendes Angebot an Substitution haben.

Sie wollen auch Ihre Vorurteile gegen die Methadonsubstitution noch einmal bestärkt haben. Man muss natürlich sagen: Wer mit Methadon substituiert, hat es mit Schwerstkranken zu tun.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Natürlich hat zum Beispiel ein Schönheitschirurg weniger Todesfälle als ein Krebschirurg, Herr Kollege Haas. Das kann man aber dem Krebschirurgen nicht anlasten. Wer Substitution macht, behandelt Schwerstkranke und geht ein ganz anderes Risiko ein.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Krebskranke mit Süchti- gen zu vergleichen ist zynisch!)

Das Todesrisiko ist genau das gleiche.

(Abg. Haasis CDU: Unglaublich! – Abg. Dr. Schlierer REP: Ein so dummes Geschwätz habe ich schon lange nicht gehört!)

Der Arzt, der das behandelt, braucht die Unterstützung und braucht nicht einen Minister, der ihm hinterherschnüffelt und sagt: Da und da ist es falsch gemacht worden.

(Beifall bei der SPD)

Interessant ist abschließend – die Kollegin Bender ist auch schon draufgegangen – –

(Heiterkeit – Abg. Seimetz CDU: Man beachte den Versprecher!)

Interessant – die Kollegin Bender ist auch schon darauf eingegangen – ist die Haltung der FDP/DVP in dieser Frage. Herr Kollege Glück, ich sehe Sie vor mir. Sie haben

mir oft richtig Leid getan. Da sitzt er da und sagt: Gebt mir noch ein bisschen Zeit. Dieses Spiel fing 1996 an. Da haben Sie zum ersten Mal gesagt: Wir brauchen ein wenig Zeit. Inzwischen haben wir das Jahr 2000. In elf Monaten ist die Legislaturperiode vorbei. Sie müssen uns also schon einmal erklären, wie viel Zeit Sie noch brauchen; denn Sie sind momentan in der Gefahr,

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Beherrschen Sie die Grundrechenarten?)

sich nicht nur unglaubwürdig, sondern in der Sache irgendwie lächerlich zu machen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Verantwortung, die ich dem Kollegen Repnik gerade ins Stammbuch geschrieben habe, gilt natürlich in gleicher Weise für Sie. Sie müssen sagen, was Ihnen wichtiger ist: der Friede in der Koalition oder die Überlebenshilfe in Baden-Württemberg. Vor dieser Entscheidung stehen Sie heute. Da meine ich, dass man nicht wieder vertrösten kann. Sie erinnern mich manchmal an die Argumente, die es früher in der Sowjetunion gab. Da hieß es immer: Morgen wird der Kommunismus eingeführt.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Das wollen Sie eher als ich!)

Das hat man 70 Jahre lang gesagt. Ähnlich verhalten Sie sich in diesem Bereich, und heraus kommt nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will den Vergleich nicht weiterführen. Die Sowjetunion ist schließlich untergegangen. Das wünsche ich Ihnen nicht. Aber ich meine, diese Haltung, Ihre Entscheidung immer wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, wird der Sache nicht gerecht. Sie können heute Ihrer Überzeugung gerecht werden und können sagen: Wir treten für Gesundheitsräume in Baden-Württemberg ein; wir unterstützen den Antrag der Grünen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Kiesswetter FDP/ DVP: Könnt ihr denn das?)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Glück.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Scheint eher Unglück zu sein! – Zurufe von der SPD: Jetzt!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ganz herzlichen Dank, Herr Müller, für die freundlichen Worte, mit denen Sie mich jetzt eingeleitet haben. Beim heutigen Thema fällt mir unweigerlich Wilhelm Busch ein:

... dass sie von dem Sauerkohle eine Portion sich hole, wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt.

Dort ist die Witwe Bolte gemeint und der aufgewärmte Sauerkohl. Hier sind es die Grünen mit stets wiederkehren

den aufgewärmten Anträgen in der Drogenpolitik, denen wir – das ist bekannt – inhaltlich durchaus zustimmen könnten.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen: Aha!)

Jetzt warten Sie doch einmal.