Protocol of the Session on May 17, 2000

da liegen Vorschläge des BMA auf dem Tisch. Das ist doch gut; das ist etwas anderes als die Aussagen der FDP/ DVP, die mal gesagt hat: „Hau weg den Kruscht!“ Das ist auch etwas anderes als die Vorschläge von Biedenkopf. Auf dieser Grundlage kann man sich möglicherweise verständigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Wenn wir das jetzt aber näher ansehen, Herr Minister, dann muss ich schon sagen – Sie gehen mal aus von 20 % Beitrag und sagen, er dürfe nicht weiter steigen –: Ich hätte doch ganz gern einmal – auch in der Pressemitteilung – gelesen, dass Sie uns die Tatsache verdanken, dass der Beitrag derzeit unter 20 % liegt, nämlich bei 19,3 %.

(Abg. Haas CDU: Was heißt „uns“?)

Das ist nämlich nur aufgrund der Ökosteuer der Fall, die von Ihrem Fraktionskollegen, der es vielleicht nicht so genau blickt,

(Abg. Haas CDU: Doch, doch! Er blickt es schon! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

wieder als „unmögliches Manöver“ denunziert wird. Wir haben das erst einmal erreicht, und wenn man diesen Bericht, den wir ja gestern erst auf den Tisch bekommen haben – aber ich mache ja gerne Nachtarbeit –, genau liest, dann sieht man, dass die Experten davon ausgehen, dass das auch weiterhin so bleibt. Das ist das eine.

Sie wollen, sobald die Beiträge aber zu steigen drohen, sagen: „Halt, stopp, hier ist Schluss. Die nächste Rentenerhöhung wird dann eben nur halb so hoch, wie sie sonst wäre.“ Da muss ich schon sagen: Das ist natürlich eine Methode der Verteilung der Lasten zwischen Beitragszahlenden und Rentenempfangenden.

(Abg. Haas CDU: Jetzt sagen Sie mal, wie Sie es machen wollen, und kritisieren Sie nicht ständig!)

Nur: Es ist eine sehr krude Methode, und sie ist außerordentlich unberechenbar für die Rentenempfänger. Da frage ich Sie schon, ob Sie das Vertrauen derer, die Rente bekommen oder in absehbarer Zeit bekommen wollen, in dieser Weise aufs Spiel setzen können. Mir scheint demgegenüber eine Art von Generationenfaktor, der ein absehbares Herunterfahren des Rentenniveaus im Interesse nicht weiter steigender Beiträge vorsieht, hier die bessere Lösung zu sein.

Da der Präsident jetzt schon auf das Ende der Redezeit hinweist, will ich in der ersten Runde schließen. Es gibt noch eine Reihe von Punkten, bei denen man sagen kann: Der

Ausgangspunkt ist nicht schlecht, allein die Umsetzung überzeugt mich nicht so ganz. Wir werden natürlich über das Thema „Absicherung nach unten“ reden müssen; denn die fehlt bei Ihnen völlig. Die Armutsfestigkeit der Rentenversicherung ist uns ein wichtiges Anliegen, und da muss man auch sagen: Das trennt uns leider.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort erteilte ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Rentenpolitik ist mehr als in allen anderen Politikbereichen Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit gefragt, und zwar ganz speziell mit Blick auf diejenigen, die aktuell schon im Rentenbezug sind, und diejenigen, die rentennah sind. Die Jungen können sich durchaus noch auf neue Entwicklungen einstellen, aber die älteren Menschen verunsichern wir enorm durch radikale Einschnitte, wie Sie von Rot-Grün es gemacht haben, obwohl Sie vorher, in der Bundestagswahlkampfphase das Gegenteil versprochen haben.

(Abg. Haas CDU: So ist es!)

Das, denke ich, ist heftig zu kritisieren, dass Sie wirklich – –

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Müller SPD)

Herr Müller, das hat Herr Schröder doch medienwirksam zugegeben. Ich habe die Sendung gesehen, in der er gesagt hat: „Ich würde gerne jedem einzelnen Rentner und jeder Rentnerin in Deutschland die Hand schütteln und um Entschuldigung bitten.“ Da wäre es doch auch Ihnen gut angestanden, zu sagen: Wir haben uns möglicherweise getäuscht, wir wollen uns entschuldigen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zweite Bemerkung: Ökosteuer, genau die gleiche Lüge bei den Grünen. Frau Bender, Sie haben damals gesagt: „Die Rentnerinnen und Rentner werden natürlich auch von der Ökosteuer profitieren. Warum? Durch die Ökosteuer sinken die Lohnzusatzkosten, damit steigt das Nettoeinkommen, und damit haben auch die Rentner etwas davon.“

(Abg. Haas CDU: So ist es!)

Zusammengebrochen ist Ihr Gebäude, weil Sie nämlich von der Nettoanpassung abgerückt sind.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen mel- det sich zu einer Zwischenfrage.)

Also haben Sie das Versprechen, das Sie gegeben hatten, auch gebrochen. Es ist kein Wunder, Frau Bender und meine Damen und Herren von den Grünen, dass ausgerechnet eine Familie aus Heidelberg gegen die Ökosteuer klagt. Die Familien sind diejenigen, die die Grundlage für den Generationenvertrag leisten, und genau sie werden durch Ihre Ökosteuer massivst belastet.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Das hat Methode!)

Das ist Rentenpolitik, wie wir sie uns nicht vorstellen können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten – –

Nein. Lassen Sie mich bitte schön erst ein paar Gedanken zu Ende führen. Sie können in der zweiten Runde gerne darauf zurückkommen.

(Abg. Dr. Hildebrandt Bündnis 90/Die Grünen: Wir würden Sie gerne davon abhalten, weiter in die Irre zu gehen!)

Es ist wirklich zu begrüßen, Frau Bender, dass nicht nur eine Partei – die FDP – sagt: „Weg mit dem Scheiß“ oder wie Sie gesagt haben.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Kruscht! Ich habe es schwäbisch ausgedrückt!)

So ist es eben nicht, sondern das geschieht parteiübergreifend. Die FDP hat beim letzten Dreikönigstreffen ein schlüssiges Rentenkonzept verabschiedet – ich war übrigens Vorsitzender der zuständigen Arbeitsgruppe –,

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Ist Möllemann auch dafür?)

das fast nahtlos mit dem Konzept übereinstimmt, das die Landesregierung, die zu den gleichen Ergebnissen gekommen ist, jetzt vorlegt.

Ich denke, es reicht eben nicht aus, wenn Herr Riester immer wieder neue Versuchsballons steigen lässt, mal mit Zwangssparen, mal wieder nicht. Wir wollen von Ihnen endlich ein schlüssiges Konzept hören.

In Zukunft kann die Rollenverteilung auch nicht mehr so sein, dass Sie uns vor der Wahl die unangenehmen Wahrheiten sagen lassen, nämlich dass angesichts der Demographie, der steigenden Lebenserwartung, Ältere und Jüngere ausgewogen die Lasten werden tragen müssen. Das haben Sie vor der Wahl bestritten. Sie haben den Menschen Sand in die Augen gestreut und gesagt: „Nein, den demographischen Faktor brauchen wir nicht, wir können das alles mit der Ökosteuer machen.“ Es kann in Zukunft nicht mehr so laufen, dass Sie damit Wahlen gewinnen und erwarten, dass die Opposition hinterher mit Ihnen ins Boot steigt, um die unangenehmen und unpopulären Maßnahmen zu verkünden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Die CDU hat sich doch längst vom demographischen Faktor verabschie- det, Heilands Donner!)

Ich möchte jetzt konkret auf das Konzept eingehen, das wir anzubieten haben und das auch die Landesregierung jetzt vorgeschlagen hat. Natürlich können Sie keine Revolution erwarten. Ich habe gesagt: Wir brauchen Verlässlichkeit. Das Umlageverfahren wird mit Sicherheit auf Dauer in der bestehenden Form nicht existieren können, aber wir können, allein aufgrund der Umstellungsproblematik, auch

nicht völlig vom Umlageverfahren weg. Der Umlageanteil der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Basissicherung wird vorhersehbar durch einen demographischen Faktor abgeschmolzen werden müssen, und das halte ich für vernünftig. In einem Dreisäulenkonzept werden ausgleichend die Säule „private Vorsorge“ und die Säule „betriebliche Altersvorsorge“ wie in einem System kommunizierender Röhren diesen Part übernehmen müssen.

Leider ist meine Redezeit in der ersten Runde vorbei.

(Minister Dr. Döring: Das ist aber schade! Ich könnte dir noch lang zuhören!)

Du könntest noch lang zuhören, Walter?

(Abg. Nagel SPD: Muss nicht sein!)

Aber ich denke, es wird klar, dass wir den Menschen keinen Sand in die Augen streuen dürfen,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Son- dern? Schotter!)

dass wir die Probleme nicht mit der Ökosteuer verkleistern dürfen, sondern dass wir zu einer fairen Lösung zwischen der älteren und der jungen Generation kommen müssen.

Da gibt es eine kleine Differenz, Herr Minister Repnik, zwischen Ihrem und unserem Konzept. Ich glaube, dass nach wie vor der demographische Faktor – – Der Herr Fraktionsvorsitzende Salomon hat ja auch gesagt, die Grünen hätten ihn gerne gehabt,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ja, klar, das ist kein Geheimnis!)

haben sich aber in der Regierung nicht durchgesetzt.