Protocol of the Session on April 13, 2000

Ich bin froh, dass Baden-Württemberg innerhalb Deutschlands eine ganz führende Rolle einnimmt, was die Zahl junger Existenzgründer, der Arbeitsplätze und der angemeldeten Patente angeht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich bedanke mich für den spärlichen Beifall.

(Abg. Bebber SPD: Für den zarten Beifall! – Bei- fall des Abg. Moser SPD)

Ich darf mich auch für den „Nachschlag“ bedanken.

(Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Echo!)

Die Kontrolle muss technologisch und ethisch erfolgen. Wir setzen dabei vor allem auf die Selbstdisziplin der Forscher und der Anwender, auf eine verstärkte Ausbildung in Ethik. Dieses Gebiet muss in den Fächern, in denen auf diesem Feld gearbeitet wird, viel mehr Einzug halten.

Über dieser Selbstdisziplin stehen Ethikkommissionen, die jeden einzelnen Vorgang kritisch beleuchten, und Gesetze. Diese Gesetze sind auch deshalb ganz besonders wichtig, damit einige klare Tabus eingehalten werden: erstens das Klonen von Menschen, zweitens die verbrauchende Embryonenforschung und drittens der Eingriff in die Keimbahnen.

Lassen Sie uns diese Gefahren und Risiken nicht aus dem Auge verlieren. Aber begreifen wir diese Technologie als Chance zur Verbesserung unserer Lebensqualität und – davon bin ich überzeugt – schließlich zur Ernährung der Menschheit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Mauz, mit der Hoffnung, die Sie am Schluss geäußert haben, dass die neue Bundesregierung der positiven Entwicklung der Gentechnik sehr aufgeschlossen gegenübersteht, haben Sie Recht. Schließlich heißt es ja im Koalitionsvertrag von Berlin: „Die neue Bundesregierung wird die verantwortbaren Innovationspotenziale der Biound Gentechnologie systematisch weiterentwickeln.“ Wir von der Landtagsfraktion der SPD Baden-Württembergs stehen hinter dieser Aussage.

Wir sehen – es geht bei dem vorliegenden Antrag der FDP/ DVP ja hauptsächlich um wirtschaftliche Aspekte – große Chancen für die Wirtschaft unseres Landes in der Gentechnik. Wir sehen große Chancen darin, dass vor allem in den Bioparks in Freiburg, Heidelberg und Ulm Produkte entwickelt werden, die den Menschen wirklich nützen. In diese Bioparks – das ist in der Stellungnahme der Landesregierung zu dem Antrag ausgeführt – hat das Land bisher den Betrag von 8,2 Millionen DM hineingesteckt. Allerdings ist auch ausgeführt, dass der Betrag, der dort durch Risikokapital von privater Seite eingebracht worden ist, ungleich größer ist. Dies ist sicher richtig, darf uns aber nicht dazu veranlassen, diesen Bereich seitens des Landes zu vernachlässigen.

Es gibt – auch das ist in der Stellungnahme der Landesregierung ausgeführt – in Baden-Württemberg derzeit, zum Zeitpunkt der Abfassung der Stellungnahme, 756 bio- und gentechnische Anlagen mit 1 207 Projekten der Gentechnik. Sehr deutlich ist, dass der größte Teil dieser 1 207 Projekte – fast alle – unumstritten ist, weil sie im Bereich der Pharmazie und der Medizin stattfinden, wo die Notwendig

keit der Gentechnik überall akzeptiert wird. Doch man darf nicht übersehen, dass die Gentechnik auch Risiken birgt. Wir müssen – das sage ich sehr deutlich – eindeutig Nein sagen, wenn es um Eingriffe in das menschliche Erbgut geht, vor allem zu Patentierungen in diesem Bereich.

Lassen Sie mich schließlich noch etwas zur so genannten grünen Gentechnik sagen. Ich weiß, dass viele – wie auch Kollege Mauz – Hoffnung auf die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen setzen, Hoffnung auch im Sinne unserer Landwirtschaft. Ich sage: Diese Hoffnung trügt. Wenn unsere Landwirte in Baden-Württemberg mit dem gleichen Saatmaterial arbeiten wie die Landwirte im mittleren Westen der USA, wie die landwirtschaftlichen Großunternehmen auf den Brandrodungsflächen in Südamerika oder wie Unternehmen in anderen begünstigten Teilen der Erde, dann werden unsere Landwirte mit Sicherheit nicht diejenigen sein, die diesen ökonomischen Wettlauf gewinnen. Unsere Landwirtschaft hat nur in der verbrauchernahen Produktion gesunder Nahrungsmittel eine Chance. Sie hat auf dem Weltmarkt gewiss keine Chance in der Gentechnik.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Sehr gut!)

Lassen Sie mich noch auf etwas anderes hinweisen. Die öffentlichen Proteste gegen die Freisetzungsversuche bei Mais wurden hier schon angesprochen. Wir haben uns seit Jahren darüber gestritten, ob es zulässig und verantwortbar ist, bei diesen Freisetzungsversuchen antibiotikaresistente Genmarker zu benutzen. Einige Kollegen der Grünen haben dies – wie auch ich – kritisiert. Wir haben auch versucht, diese Versuche zu verhindern.

Inzwischen ist die Entwicklung weitergegangen. Das zuständige Bundesamt hat in der Zwischenzeit selbst Bedenken gegen antibiotikaresistente Genmarker geäußert. Das hat die Landwirtschaftsministerin dieses Landes wahrscheinlich veranlasst, entsprechende in Aussicht genommene Versuche auf der verpachteten Staatsdomäne Hochburg im Kreis Emmendingen nicht zu verwirklichen. Insofern ist hier eine positive Entwicklung eingetreten, die wir nur begrüßen können.

Unter dem Strich: Die Chancen der Gentechnik wollen wir weiterentwickeln, vor allem im medizinischen, pharmazeutischen Bereich. Ein Entwicklungsgebiet, auf dem noch wahnsinnig viel getan werden muss, liegt dort, wo Gentechnik zur Produktion technischer Produkte eingesetzt wird; auch das gibt es nämlich. Aber die Risiken sollten wir nicht aus dem Auge verlieren. Wir Sozialdemokraten gehen mit viel Augenmaß an das Thema heran.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Schäfer Bünd- nis 90/Die Grünen: Sehr schön!)

Das Wort hat Herr Abg. Buchter.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! In der Stellungnahme zum Antrag hat die Regierung zum Ausdruck gebracht, sie hoffe, dass die Bundesregierung bei der Gentechnik einen „rationalen Kurs“ fahre. Ich will jetzt nicht die Überheblich

keit im Gestus, die die Regierung damit zum Ausdruck bringt, kommentieren, sondern auf dieses Wörtchen „rational“ eingehen und versuchen, zu erläutern, was wir unter rational verstehen und inwieweit Differenzen mit anderen Fraktionen bestehen.

Das heißt, ich möchte hier nicht über Grundlagenforschung reden. Dazu gibt es, glaube ich, materiell und auch hinsichtlich der gesetzlichen Grundlagen keinen Nachbesserungsbedarf. Ich möchte mich auch über die Bereiche der nutzanwendungsbezogenen Forschung nicht groß auslassen, wo das Prinzip der Selbstverantwortung und der Entscheidungsfreiheit gewährleistet ist. Ich meine damit die Bereiche Diagnostik, Pharmazie und Therapie. Ich glaube, darüber brauchen wir uns im Augenblick nicht zu streiten.

Ich will stattdessen auf den Bereich der grünen Gentechnologie eingehen; denn da gibt es gute Gründe, sich zu streiten. Am 13. März 2000 fand hier in Stuttgart eine Veranstaltung des Verbands der Chemischen Industrie statt, bei der auch Kollegen der anderen Fraktionen zugegen waren. Dort wurde unbestritten zum Ausdruck gebracht, dass mit den bisherigen Ansätzen bei der grünen Gentechnologie, nämlich der Herbizidresistenz, die gentechnisch in Pflanzen eingebaut wird, und der Möglichkeit, dass die Pflanzen Insektengift selbst produzieren, beim Verbraucher – so wurde es wortwörtlich formuliert – natürlich keine Zustimmung zu holen gewesen wäre.

Ich frage mich, warum man vor einer solchen Veranstaltung jahrelang im Parlament und bei der Regierung die Frage der Zustimmung oder Ablehnung der grünen Gentechnologie hochstilisiert zu Fragen über die Zukunft dieses Wirtschaftsstandorts, wenn das nachher dann praktisch zu etwas Belanglosem heruntergestuft wird und wenn zum Ausdruck gebracht wird: Natürlich war das, was wir damals forschen wollten, eigentlich ein großer Blödsinn. Ich erwarte, dass Sie seitens der Regierung das einmal kommentieren. Vielleicht wäre ja auch, weil es sehr polarisiert in die Bevölkerung hineingewirkt hat, eine Entschuldigung angebracht oder aber zumindest die Absichtserklärung der Regierungsvertreter, dass man zukünftig die Auseinandersetzung mit der Bevölkerung, eine Auseinandersetzung, die man ja verstärken will, nicht auf der Basis von solch unsinnigen Versuchen führen wird.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Na, na! – Abg. Dr. Mauz CDU: Ihr müsst euch entschuldigen!)

Ausgerechnet Sie sagen das, Herr Mauz. Ich habe vorhin schon bemerkt, dass Sie vielleicht der falsche Kronzeuge hinsichtlich dieser Frage sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das war aber nicht sehr substanziell!)

Ein aktuelles Beispiel dafür, wo meiner Meinung nach irrational gehandelt wird: die Beschlussfassung vor einer Woche im Europäischen Parlament. Es gab keine Mehrheit gegen die bisherige Haltung, keine Mehrheit dafür, die Antibiotikamarker bei künftigen Freisetzungen zu verbieten. Die Gentechnikbranche räumt selbst ein: Wir haben heute kein technisches Problem mehr damit, diese Antibiotikamarker vor der Freisetzung wieder aus dem Genom heraus

zunehmen. Dann muss sich doch die breite Öffentlichkeit fragen: Warum sollen wir Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit in Kauf nehmen, wenn es nur eine Bequemlichkeit der produzierenden Seite ist, dieses Gefahrenpotenzial herauszunehmen? Da, so meine ich, sollte man sehr wohl auf gesetzlichem Wege darauf drängen, dass solche Freisetzungen nicht stattfinden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In diesem Sinne, meine Damen, meine Herren, hat die Bundesregierung, glaube ich, sehr rational und sehr verantwortungsbewusst gehandelt, indem sie diesen Bt-, Bacillus-thuringiensis-Mais, also den Mais, der selber Insektengift herstellen kann, nicht zugelassen hat, weil bei diesem Mais wiederum ein Antibiotikamarker vorhanden war und nicht beseitigt worden ist, obwohl es zahlreiche Warnungen von Medizinern gibt. Ich hätte erwartet, dass die Herren Mediziner, die vor mir geredet haben, darauf eingehen.

Weil diese Genfrüchte bisher bei den Verbrauchern keinen Nutzeffekt haben erkennen lassen, geht die Gentechnikbranche jetzt einen anderen Weg und versucht, über so genannte Functional Food, wo man gleich mit dem Essen Arzneimittel verabreicht bekommt, Boden zu gewinnen. Aber Pillenpudding statt Vollwertnahrung kann nach meiner Meinung kein Konzept in Bezug auf die Gesundheitsfürsorge für die Bevölkerung sein. Ich freue mich jetzt schon auf die Auseinandersetzung, wenn Sie mit dieser „Billig-Food“ und den ergänzenden Additiven, damit die Leute gesund bleiben, antreten wollen gegen eine umfassende, vollwertige Ernährungsweise, wie wir sie von der Fraktion der Grünen vertreten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt zur praktischen Landespolitik. Da, muss ich sagen, finde ich es besonders bedauerlich, dass Ministerin Staiblin nicht im Hause ist.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Sie hat anderes zu tun! – Abg. List CDU: Die habt ihr ges- tern so beleidigt!)

Wir reden hier über grüne Technologie.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Das macht der Wirtschaftsminister!)

Und Sie reden über Ihre Zeit hinaus, Herr Buchter.

(Große Heiterkeit)

Lassen Sie mich meine Ausführungen ganz schnell zum Abschluss bringen, Herr Präsident: Wir sind der Meinung, dass Frau Staiblin gut daran täte, sich in ihrer noch verbleibenden Amtszeit dafür einzusetzen, dass das HQZ tatsächlich die Gentechnikfreiheit bescheinigt, und – Herr Kollege Brinkmann hat schon auf die wirtschaftlichen Perspektiven einer gentechnikfreien Nahrungsmittelproduktion hingewiesen – dafür Werbung zu machen, dass Baden-Württemberg als für die grüne Gentechnik freies Land zu betrachten ist. Damit

könnte sie in ihrer restlichen Karriere einen Eckstein setzen, der bundesweit Beachtung findet. Unsere Unterstützung dazu hätte sie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Brinkmann SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Huchler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Bio- und Gentechnologie hat Baden-Württemberg die Chance, an einer zukunftsorientierten Wissenschaft teilzuhaben und dadurch zur Sicherung und Schaffung von wichtigen Arbeitsplätzen beizutragen.

Zu den wichtigsten Anwendungen der Gentechnologie gehört die Grundlagenforschung. Mithilfe von gezielt veränderter Erbsubstanz, von genetisch veränderten Zellen und Lebewesen kann die biologische und medizinische Forschung wichtige neue Erkenntnisse gewinnen. Die Gentechnologie wird in der Medizin im Kampf gegen Krankheiten ebenso eingesetzt wie zum Beispiel in der Landwirtschaft zum Anbau von möglichst unempfindlichen Pflanzensorten.

Demgegenüber stehen jedoch Risiken, die nur zum Teil überschaubar sind und die nicht verharmlost werden dürfen. Der Eingriff in die Natur darf auf keinen Fall missbraucht werden. Die mittels Gentechnologie hergestellten Lebensmittel müssen gekennzeichnet sein, damit der Verbraucher in Kenntnis gesetzt ist. Auch beigemengte genveränderte Produkte müssen gekennzeichnet sein.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Wo steht das?)