Protocol of the Session on April 13, 2000

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus dem Untertitel unseres Antrags „Die unendliche Geschichte mit der Geschäftsordnung (Ar- tikel 49 LV) für das Kabinett“ geht schon hervor, dass es sich hier um einen Wiederholungsfall handelt.

(Abg. Bebber SPD: Wenn schon, dann Dauer- straftat!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wundere mich, warum die Landesregierung sich permanent weigert, diese wirklich einfache Aufgabe endlich zu erledigen – seit 1995 wird sie von verschiedenen Fraktionen dieses Hauses dazu aufgefordert –,

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Die Lan- desregierung ist gar nicht da!)

eine Aufgabe, die ihr durch die Landesverfassung vorgegeben wird.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)

Wenn wir in vorangegangenen Debatten zu diesem Thema immer wieder gehört haben, dass es für die Regierung nicht notwendig sei, sich selbst eine solche Geschäftsordnung zu geben, dann, meine Damen und Herren, muss man noch einmal darauf hinweisen: Es ist ein Verfassungsgebot.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört! – Abg. Capezzu- to SPD: Ein was?)

All denjenigen, die ihn nicht wörtlich kennen, will ich Artikel 49 Abs. 1 der Landesverfassung noch einmal kundtun,

(Abg. Rech CDU: Den kennen wir!)

insbesondere unserem Staatsminister, Herrn Palmer.

(Beifall bei den Republikanern)

In Artikel 49 Abs. 1 steht nämlich:

Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.

(Abg. Rech CDU: Das macht er auch ohne Artikel! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Das macht der auch ohne Geschäftsordnung!)

Jetzt kommt Satz 2:

Er führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte nach einer von der Regierung zu beschließenden Geschäftsordnung.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)

Satz 3 lautet:

Die Geschäftsordnung ist zu veröffentlichen.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Meine Damen und Herren, das sind klare Vorgaben.

(Lachen bei der CDU)

Es kann doch nicht in der Beliebigkeit einer Landesregierung oder der sie tragenden Fraktionen liegen, zu sagen, ob wir die Geschäftsordnung brauchen oder nicht. Wenn wir sie nämlich nicht brauchen, müssen wir hier mit qualifizierter Mehrheit diese Vorgaben aus der Verfassung herausstreichen.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht hierbei nicht um eine Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Der Verfassungstext enthält eine Vorgabe in Befehlsform.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Nein, nein! Das steht so in der Verfassung nicht! – Abg. Kluck FDP/DVP: Stillgestanden! – Abg. List CDU: Rührt euch!)

Es ist keine Kannbestimmung. Es heißt wörtlich: „und leitet ihre Geschäfte nach einer von der Regierung zu beschließenden Geschäftsordnung“. Für die Veröffentlichung gilt ebenfalls ein Imperativ. Da heißt es nämlich: „Die Geschäftsordnung ist zu veröffentlichen.“ Es heißt nicht „sollte veröffentlicht werden“ oder „kann veröffentlicht werden“, sondern das heißt, sie muss veröffentlicht werden.

(Abg. Deuschle REP: So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder – wirklich jeder – Hängepflanzenverein oder jeder Kegelklub, der sich als Verein eintragen will, aber nach der Gemeindeordnung oder der Landkreisordnung auch jeder Gemeinderat ist verpflichtet, sich eine Satzung, also eine Geschäftsordnung zu geben.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Auf jeder Ebene im Land und im Bund haben wir diese verpflichtenden Vorgaben, und einzig und allein die Landesregierung drückt sich davor. Ich verstehe den Grund nicht,

(Abg. Bebber SPD: Das ist das Problem: Sie ver- stehen es nicht!)

warum man sich hier dem Vorwurf, die Verfassung zu missachten, aussetzt.

(Beifall bei den Republikanern)

Wenn ich dann höre, wie das aus früheren Redebeiträgen hervorgeht, dass ja die Landesregierung sich selbst Spielregeln für ihren täglichen Arbeitsablauf gibt,

(Zuruf des Abg. Roland Schmid CDU)

allerdings nicht in schriftlicher Form, dann frage ich mich, nachdem wir jetzt seit über einem Jahr wieder einen Staatsminister haben: Hat der nicht einmal eine halbe Stunde Zeit, um diese mündlichen Spielregeln in Papierform zu bringen und sie dann von seinem Kabinett absegnen zu lassen und zu veröffentlichen und auch uns kundzutun?

(Beifall bei den Republikanern)

Wenn in der Stellungnahme der Landesregierung zu unserem Antrag steht, die Geschäftsordnung habe nur eine Innenwirkung, dann ist das in der Tat so.

(Abg. Döpper CDU: Trinken Sie doch mal einen Schluck!)

Aber es stimmt einfach nicht, dass das Fehlen einer Geschäftsordnung weder dem Bürger noch dem Parlament einen Nachteil einbringt. Es bringt einen Nachteil ein; denn das Parlament hat nicht bloß Gesetzgebungsfunktion, sondern es hat auch eine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung.

(Beifall bei den Republikanern)

Was soll ich denn kontrollieren, wenn hier alles hemdsärmelig gemacht wird? Ich brauche zur Kontrolle auch einen Maßstab, und diesen Maßstab muss eben die Geschäftsordnung darstellen.

(Abg. Roland Schmid CDU: Diese Rede ist auch ein bisschen ohne Maßstab!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung schreibt weiter:

In der Tat besteht keine schriftliche Geschäftsordnung der Landesregierung. In Baden-Württemberg ist es seit jeher gelungen, die Regierungsgeschäfte unter Verzicht auf eine schriftliche Geschäftsordnung zu führen, ohne dass dies zu Problemen... geführt hätte.

Allein die Wortwahl „gelungen“ zeigt: Es hätte auch misslingen können.

(Abg. Capezzuto SPD: Jawohl, Herr Oberlehrer!)

„Gelungen“ ist der Ausdruck, den jeder Zirkusakrobat gebraucht, wenn ihm ein Kunststück gelungen ist.

(Beifall bei den Republikanern)