Herr Müller, Sie können natürlich auch nicht, indem Sie die zusätzlichen Kosten auf den einzelnen Zivildienstleistenden herunterbrechen, versuchen, die Dimension zu relativieren. Es sind immerhin zwischen 600 Millionen DM und 700 Millionen DM, die Sie in diesem Bereich einsparen. Das muss man einfach einmal ganz klar sehen. Das ist einmal der monetäre Aspekt.
Der zweite Aspekt ist die Verkürzung der Wehrdienstzeit. Ich stimme zu, dass die Ungleichgewichtung zwischen Wehrdienst und Zivildienst auf Dauer keinen Bestand haben konnte. Ich beklage aber trotzdem, Frau Kollegin Bender, dass Sie angesichts dieses Vorhabens, das Sie ja auch im Zusammenhang mit der Wehrstrukturreform angehen müssen – ich bekenne mich dazu, dass Sie da auch mitdiskutieren wollen und müssen –, was, denke ich, ein Bild auf die Wichtigkeit wirft, die Sie diesem Thema beimessen, zwar für den Wehrbereich eine hochkarätig besetzte Strukturkommission eingerichtet haben, etwa mit dem Altbundespräsidenten von Weizsäcker – auch Herr Dr. Sommer von „Die Zeit“ ist dabei –, aber nicht – das ist mein Hauptvorwurf an die SPD – im gleichen Atemzug für den Bereich, der genauso wichtig ist, aber vielleicht nicht so medienträchtig wie die Wehrpolitik – –
Ich frage mich schon, ob das nicht allgemein in das Bild passt, dass sich die SPD mehr um medienträchtige Themen, um die Großen kümmert und die Kleinen so ein bisschen langsam, aber sicher an den Rand drängt.
Das betrifft ja nicht nur diese Sparbeschlüsse, sondern das betrifft, um das jetzt einmal ganz konkret zu machen, auch den Punkt „Ersatz für die wegfallenden Stellen im Zivil
dienst“. Denken Sie zum Beispiel an das Thema 630-DMJobs. Da nehmen Sie kalt lächelnd hin, dass genau in diesem Bereich auch die sozialen Dienste von Möglichkeiten abgeschnitten werden bzw. wesentliche Verteuerungen hinnehmen müssen.
Im Übrigen, wenn die Verbände diese ausfallenden Stellen der Zivildienstleistenden wirklich durch professionelle Kräfte ersetzen müssten, würden Milliardenbeträge notwendig werden. Und weil Herr Müller gesagt hat, die CDU verbreite mit dieser Debatte Angst, darf ich aus einem Brief des Landesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte zitieren:
Es steht noch nicht das Wort „Angst“ drin. Aber ich denke, das heißt dasselbe. Es heißt dann weiter:
Viele ambulante Hilfsangebote wären nie entstanden und sind jetzt massiv in Gefahr, die es ohne den Zivildienst nicht gäbe.
(Abg. Ingrid Blank CDU: Da darf man doch nicht unsachlich angreifen! Das muss man doch zur Kenntnis nehmen! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Das ist doch ein Unsinn, Frau Kollegin! Schwachsinn!)
Natürlich hat der Zivildienst nicht die Ersatz- und Sicherstellungsfunktion, aber doch eine Zusatzfunktion, und Sie treffen, genau wie die Kollegin Stanienda das völlig zu Recht gesagt hat, besonders den ambulanten Bereich. Sie sorgen damit dafür, dass Menschen, die heute noch durch die Zusatzangebote der Zivildienstleistenden – –
(Abgeordnete der CDU unterhalten sich von ihren Plätzen aus mit Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen.)
Genau diese Zusatzangebote, die wir bisher gerade auch Schwerstbehinderten bieten können, damit sie noch in ihrem Umfeld bleiben können, werden künftig wegfallen. Dazu sage ich noch einmal: Die Hauptkritik wendet sich nicht gegen das Sparen. Über die Notwendigkeit des Sparens insgesamt besteht wohl Konsens. Aber wenn man spart, muss man gleichzeitig gestalten. Man muss sich einmal Gedanken darüber machen: Wie soll künftig dieses aufgrund Ihrer Sparbeschlüsse wegfallende Angebot ausgestaltet werden?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die heutige Debatte hat drei verschiedene Aspekte. Es geht einmal um den Haushalt der Bundesregierung, es geht zum Zweiten um die Zivildienstleistenden, und der dritte Aspekt ist der Wahlkampf der CDU.
Der Kollege Schmid hat uns gestern vorgeworfen, unglaubwürdig zu sein. Jetzt erleben wir eine Debatte, in der die CDU nach 16 Jahren eigener Regierungszeit der neuen Bundesregierung von SPD und Grünen Fehler vorwirft. Das bezeichne ich, Herr Kollege Schmid, als unglaubwürdig.
Es hat sich Folgendes geändert: Sie, Kollege Haas, versuchen, hier ein Thema hochzuziehen, bei dem Ihre eigene Regierung 16 Jahre lang Fehler gemacht hat. Was immer die SPD heute macht, sie muss Ihre Fehler ausbaden. Das ist unglaubwürdig.
(Abg. Bebber SPD: Da müsste man fast klatschen! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Lieber nicht! Bitte nicht!)
Kommen wir zum Thema Zivildienst. Dabei müssen wir kurz einen Rückblick machen. Kollegin Bender hat das getan. Wir haben seit 1956 eine Wehrpflicht. Wir haben seit 1960 für Kriegsdienstverweigerer den zivilen Ersatzdienst.
Wir haben seit 1977 Verträge zwischen den sozialen Wohlfahrtsverbänden, die damit Zugriff auf Zivildienstleistende haben. Im Jahr 1999 gab es nach mir vorliegenden Zahlen etwa 140 000 Zivildienstleistende. Davon waren 75 % in sozialen Diensten eingesetzt. Seit 1977 haben diese sozialen Dienste eine Planungssicherheit. Sie wissen aufgrund ihrer Verträge, dass sie Unterstützung bekommen. Die Mitarbeit in diesen sozialen Diensten wurde in sämtlichen Haushalten – ob Kommune, Land oder Bund – mit berücksichtigt. In den Geldern, die die sozialen Dienste erhalten, ist die Unterstützung durch die Zivildienstleistenden mit berücksichtigt. Das ist der Denkfehler, den der Kollege Müller hier gemacht hat.
Gerade bei SPD und Grünen hört man immer wieder das Wort „Nachhaltigkeit“. Das ist deren Lieblingswort. Nachhaltigkeit bedeutet doch langfristige und zuverlässige Politik. Und was haben sie hier gemacht? Sie haben Ideologen, die gegen das Militär sind. Militär ist böse. Sie beschmutzen ihre eigenen Väter und Großväter mit ihren Angriffen auf die Wehrmacht.
(Abg. Nagel SPD: Sie gehen mir nachhaltig auf den Keks! – Abg. Bebber SPD: Das ist doch ein Käse, was Sie hier erzählen!)
Sie beschmutzen ihre eigenen Väter und Großväter, sie sind aber nicht gegen den Kosovokrieg, sind nicht dagegen, dass dort mit Urangeschossen gekämpft wird. Jetzt machen sie schlagartig und plötzlich und ohne Vorbereitung für die sozialen Dienste eine Kürzung von 13 auf 11 Monate.
(Abg. Brechtken SPD: Wenn es nach euch ginge, hätten wir fünf Jahre Wehrpflicht und sieben Jahre Ersatzdienst!)
Kollegin Stanienda hat das herausgearbeitet und hat alles dazu gesagt. Die Kollegin Bender hat das auch angesprochen. Es gibt nach der Kürzung keinen personellen Ersatz für die sozialen Dienste. Auch da wiederum ein Denkfehler und ein Aussagefehler des Kollegen Müller. Die Zivildienstleistenden dürfen sich ihre Stellen aussuchen, und keiner von denen hat große Lust, Multiple-Sklerose-Fälle zu betreuen. Jeder geht lieber irgendwo anders hin.
(Abg. Carla Bregenzer SPD: Hören Sie doch ein- fach auf! – Abg. Bebber SPD: Sie sind weit weg von der Jugend!)
Jetzt kommen wir zum Sparprogramm der Bundesregierung. Sie haben hier ein Pseudosparprogramm. Sie versuchen zwar, auf der einen Seite die Neuverschuldung des Bundes zu reduzieren. Dieser Schritt ist überfällig. Das war vorhin mein Vorwurf an die CDU. Aber sparen müssen alle gesellschaftlichen Gruppen. Alle müssen Opfer bringen – auch, ob es geht oder nicht, die sozialen Einrichtungen in Baden-Württemberg.
Ihr Sparhaushalt bringt offiziell eine Entlastung von 15 Milliarden DM. Davon sind 4 Milliarden DM Luftbuchungen, und 9 Milliarden DM gehen zulasten der Sozialversicherung. Sie wird zwar nur mit 4,5 Milliarden DM belastet, denn 4,5 Milliarden DM knapsen Sie den Rentnern ab. Sie, Herr Kollege Müller, haben sich vorhin sozial gegeben. Aber Sie nehmen – und das war ein Zwischenruf des Kollegen Haas, den Sie kritisiert haben – gerade den sozial Schwächsten die Unterstützung weg.
Dabei wäre es höchste Zeit für uns, konkret zu handeln. Wir müssen einmal überlegen: Die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden wachsen in jeder Sekunde um über zweieinhalbtausend Mark. Das heißt, während eines Redebeitrags hier bei uns im Landtag