Protocol of the Session on April 12, 2000

Das war ein doppelter Irrtum: Erstens ist das Asylproblem bis heute eben nicht gelöst. Zweitens ist das Zuwanderungsproblem, das für uns Republikaner weiterhin ein zentrales Thema darstellen wird und innerhalb dessen das Asylrecht nur eine von vielen Facetten darstellt, ebenfalls nicht gelöst.

Die Folgerung: Sie haben existenzielle Zukunftsprobleme unseres Landes und unserer Nation nicht gelöst, meine Damen und Herren von den anderen Parteien, und Sie werden uns deshalb auch nicht los, weil wir an diesen zentralen Fragen weiter dranbleiben werden und dafür sorgen werden, dass sie auf der Tagesordnung bleiben.

(Beifall bei den Republikanern)

Nun kenne ich auch den hier wiederholt vorgebrachten Vorwurf, wir würden uns dieses Thema immer wieder vornehmen. Dabei sollte man sich allerdings Folgendes bewusst machen: Sie selbst, meine Damen und Herren von der SPD, der CDU und der FDP, haben dafür gesorgt, dass das Thema Asyl weiter aktuell bleibt.

(Abg. Bebber SPD: Sie immer mit Ihrem Auslän- derkäs!)

Dazu brauchen wir nur einen kurzen Rückblick auf die letzten vier Monate zu werfen, Herr Bebber. Ich hoffe, dass Sie noch in Erinnerung haben, dass Ihr Bundesinnenminister am 11. November 1999 verkündet hat, die Grenze der Belastbarkeit sei erreicht, die Zuwanderungsquote müsse auf null gesetzt werden.

Am 21. November hat der Wirtschaftsminister des Landes nachgezogen. Herr Döring äußerte in Ulm, dass die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl für ihn auf der Tagesordnung stehe.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört! Wo ist er denn?)

Er ist dafür zwar von seinem eigenen Parteinachwuchs wirrer Äußerungen bezichtigt worden – ich erinnere mich an die Schlagzeile „Maulkorb für Döring gefordert“ –, aber die Diskussion ging ja weiter.

(Abg. Roland Schmid CDU: Die Republikaner sind ja die Spezialisten für Maulkörbe!)

Am 9. Dezember 1999 forderte der SPD-Bundesparteitag wieder genau das Gegenteil: eine Ausweitung des Asylrechts.

Nun komme ich zu Ihnen, Herr Schmid: Am 15. März 2000 haben wir in den „Stuttgarter Nachrichten“ die schöne Schlagzeile gesehen: „Union: Asylrecht einschränken!“ Pünktlich, im Vorfeld der in Nordrhein-Westfalen anstehenden Landtagswahl, wird nun mit bramarbasierenden Formulierungen etwas gefordert, was sonst in Ihrer Partei offensichtlich nicht mehrheitsfähig ist. Ich erinnere mich auch noch sehr genau daran, dass zuvor Ihr CDU/CSUBundestagsfraktionschef Merz die Ablösung des Artikels 16 a des Grundgesetzes zugunsten einer institutionellen Garantie gefordert hat, aber bereits am 6. April 2000 Herr Polenz, inzwischen Generalsekretär der CDU, gesagt hat, man müsse dies beibehalten. Damit stelle ich fest: Das war reiner Populismus der CDU vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und im Übrigen wohl nicht ernst gemeint, sonst hätte Herr Polenz sich nicht so geäußert.

Resümee: Eigentlich sind alle Klarheiten beseitigt – bei fast allen Parteien. Sie von der SPD, der FDP und der CDU, soweit Sie noch im Saale sind, sorgen dankenswerterweise alle dafür, dass das Thema weiter aktuell bleibt, und Sie machen eine Klärung der Standpunkte angesichts der zahlreichen Widersprüche erforderlich. Wir und die Bürgerinnen und Bürger draußen im Land wollen jetzt Klarheit. Wir wollen wissen, was Sie wirklich wollen. Was gilt eigentlich: Schily oder die SPD-Meinung, die man sonst so hört, Döring oder die FDP, Merz oder Polenz, Schäuble oder Goll? Man könnte die Reihe beliebig fortsetzen.

Kommen Sie mir bitte nachher nicht wieder mit dem Argument, dazu brauche man die Zweitdrittelmehrheit im Bundestag und weil wir diese nicht hätten, könnten wir nicht darüber sprechen. Nein, entscheidend, Herr Schmid, ist: Die Widersprüche müssen aufgeklärt werden; da dürfen Sie nachher nicht drum herumeiern, sondern Sie müssen Farbe bekennen. Und wir wollen von Ihnen jetzt auch hören, welche Vorstellungen Sie bzw. die Landesregierung haben – da bin ich ja gespannt, was uns der Innenminister dazu nachher noch sagen wird –, was im Hinblick auf die Harmonisierung des Asylrechts im europäischen Rahmen von Ihnen wirklich angestrebt wird. Sie können sich ja jetzt nicht dauernd gegenseitig nur den schwarzen Peter zuschieben nach dem Motto „Wir warten mal ab, was die Bundesregierung sagt, und dann kommen wir eventuell im Land mit eigenen Vorschlägen“. Nein, wir wollen heute wissen: Was haben Sie konkret für Vorstellungen, und welche Meinung gilt?

(Beifall bei den Republikanern)

Sie haben jetzt die Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Von Ihren Antworten, meine Damen und Herren, werden wir nachher die weitere Behandlung unseres Antrags abhängig machen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Heiler SPD: Jetzt haben wir aber fast Angst gekriegt! Jetzt sind wir fast erschrocken!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmid.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen, über eine Bundesratsinitiative zu einer Änderung des bundesdeutschen Asylrechts und zu einer europäischen Harmonisierung zu kommen, wollen wir noch immer nicht unterstützen. Es führt in der Sache auch nicht weiter.

(Abg. Deuschle REP: Warum nicht?)

Bereits bei der Behandlung des nahezu wortgleichen Antrags vom August 1998 haben wir das ausführlich begründet, und die Wiederholung der Fragestellung führt zu keiner inhaltlich anderen Beurteilung.

Wer wie Sie vorhin, Herr Dr. Schlierer, von einem Armutszeugnis in der Asylpolitik redet, der muss sich die konkreten Erfolge der letzten Jahre vorhalten lassen. Ein Blick zurück macht deutlich, dass sich seit 1992/93 durchaus einiges getan hat. Damals hatten wir stark ansteigende Zugangszahlen, geringe Anerkennungsquoten, lange Verfahrenszeiten, große Unterbringungsprobleme und vor allem ungeheure Akzeptanzschwierigkeiten in der Bevölkerung. Mit den von einer notwendigen Mehrheit getragenen Entscheidungen und vielen Begleitmaßnahmen insbesondere in Baden-Württemberg, beispielsweise einer anderen Unterbringungskonzeption und der Umstellung der Versorgung, haben wir seit 1993 das Problem zwar nicht hundertprozentig gelöst, aber viel erreichen können. Wir konnten die Zugangszahlen deutlich senken, der unberechtigte Aufenthalt wird immer häufiger beendet, und die Verfahren werden kürzer. Ich denke, das sollten auch die Herren auf der rechten Seite endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Renate Thon Bünd- nis 90/Die Grünen: Das tun die nie! Die leben doch davon, dass sie das nicht zur Kenntnis neh- men!)

Natürlich haben wir unser Ziel einer gerechten Lastenverteilung in Europa noch nicht erreicht, aber wir haben uns auf den Weg gemacht. Die Dinge sind in Gang gekommen. Bereits in der Debatte vom 15. Oktober 1998 hat die CDU darauf hingewiesen, dass eine Harmonisierung des Asylrechts in Europa vor allem Zeit braucht. Ich wiederhole das heute gerne: Wer eine europäische Harmonisierung des Asylrechts fordert, muss den Verhandlungspartnern auch die Chance geben, die notwendigen Vorbereitungen und Gespräche in Ruhe zu führen.

(Abg. Huchler REP: Wie lange noch?)

Wir wissen, dass die europäischen Mühlen langsam mahlen. Es ist ja schon schwierig, hier im Hause alle unter einen Hut zu bringen. Da können Sie nicht erwarten, dass wir 15 europäische Staaten innerhalb von sechs Monaten unter einen Hut bekommen und eine gemeinsame Lösung erreichen. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen: Schon mit dem Amsterdamer Vertrag ist die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Gemeinschaft auch zur Gemeinschaftsaufgabe geworden. Der vorgesehene Gang der Verhandlungen ist seit Ihrer letzten Anfrage festgelegt worden, und innerhalb der nächsten Jahre werden die notwendigen gemeinsamen Regeln festgezurrt werden.

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zur eigentlichen Forderung der Antragsteller, nämlich zur Grundgesetzände

rung, sagen. Eine Grundgesetzänderung ist sicher nicht über Anträge hier im Landtag oder über Bundesratsinitiativen zu erreichen, auch nicht über markige Bekenntnisse, zumal ich bei den Antragstellern in dieser Frage schon ein Glaubwürdigkeitsproblem habe, wenn sie in ihrem Antrag ausführen, nach ihrer Auffassung sollten politisch Verfolgte weiterhin Asyl erhalten. Da muss ich klar sagen: Gerade Ihnen glaube ich davon kein Wort.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Ihnen glauben wir schon lange nichts mehr!)

Kein Wort glaube ich Ihnen, wenn Sie das sagen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP/DVP – Abg. Heiler SPD: Sehr gut!)

Herr Dr. Schlierer, vor diesem Hintergrund reden gerade Sie von unehrlicher Politik. Das ist unglaublich. Ein besseres Beispiel für unehrliche Politik als auf Ihrer Seite gibt es in diesem Hause nicht. Das will ich einmal in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schon erstaunlich, was Sie heute hier träumen. Sie träumen von Mehrheiten, von 20 %. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen. Ich weiß nicht, mit welchen Leuten Sie reden. Ich glaube, da sind Sie ein bisschen neben der Kappe. So weit wird es nicht kommen. Wir werden mit dafür sorgen, dass es so weit in diesem Land nicht kommt.

(Abg. Dr. Schlierer REP: So ein Schwachsinn!)

Auch Sie sind doch Jurist und sollten daher wissen, dass für eine Grundgesetzänderung vor allem eine breite Mehrheit im Bundestag und eine breite Mehrheit mit Problembewusstsein benötigt wird.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Sie haben vorhin nicht zugehört, und mit Ihrem fertigen Manuskript kön- nen Sie jetzt nicht reagieren!)

Herr Dr. Schlierer, Sie haben schon viel Käse erzählt. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Auftritt hier im Haus. Da war Ihr erster Satz, ich sei ein Hinterbänkler.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Das trifft zu!)

Sie müssen einmal Statistiken lesen und nicht immer nur daherreden.

Wer das schon nach dessen erster Rede zu einem Kollegen sagt, wenn die Arbeit noch gar nicht richtig begonnen hat, weiß vielleicht nicht, wovon er redet, und will andere Leute nur in eine Richtung drängen, in die sie nicht hingehören. Das muss ich mir eigentlich von Ihnen nicht sagen lassen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Deuschle REP: Sie haben vier Jahre lang nichts gemacht!)

Ich will auf den Kern kommen: Wer eine Grundgesetzänderung will, muss wissen, dass wir hierfür eine breite Mehrheit im Bundestag brauchen, die ein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt und den Willen zu einer sachgerechten Lösung hat.

Schauen wir uns doch einmal die Wirklichkeit an: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Stiegler, sagte am 15. März: „Wir brauchen kein neues Einwanderungsrecht und auch keine Änderung des Asylrechts.“ Am 14. März sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Özdemir:

Die Grünen sind unter keinen Umständen dazu bereit, den verbliebenen Teil des individuell einklagbaren Grundrechts auf Asyl zur Disposition zu stellen.

(Zuruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Meine Damen und Herren, die Verhältnisse sind damit doch klar. Wir brauchen keine Bundesratsinitiative, sondern wir brauchen neue Mehrheiten in Berlin. Dann können wir die Dinge ändern.

(Beifall bei der CDU)

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wissen: Die CDU hat eine klare Haltung, ohne sich der aktuellen Debatte über ausländische Arbeitskräfte zu verschließen. Mit uns kann man über eine Zuwanderung im Interesse des Landes reden, wenn man auch dazu bereit ist, dies mit einer Änderung der nach wie vor unzureichenden geltenden Asylregelung in einen Zusammenhang zu stellen.

Wenn wir uns viele ernste Probleme in der Zukunft ersparen wollen, dürfen wir die noch immer zu hohe aktuelle Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge nicht mit weiteren Zuwanderern zu einer neuen, höheren Summe aufaddieren, um zehn Jahre später die dadurch entstandenen Probleme wieder lösen zu wollen.

Wir brauchen deshalb eine Gesamtlösung, die die Interessen der Wirtschaft, die Interessen der Bevölkerung und die der wirklich politisch Verfolgten miteinander verknüpft. Mit diesem Ziel beteiligt sich die CDU-Fraktion an der Diskussion um eine sachgerechte Lösung, die dann auch von der Bevölkerung mit getragen werden kann.