Protocol of the Session on April 12, 2000

Wo sind denn die 68er? Ist es richtig, diesen armen Ländern die besten Leute wegzunehmen? Sie wissen ja – vielleicht wissen Sie es auch nicht –, dass die Ausbildung eines Ingenieurs in Indien 200 000 DM kostet. Wollen Sie ein so

armes Land wie Indien im Grunde noch mehr ausplündern? Das ist doch Kolonialismus in rot-grüner Fassung, meine Damen und Herren, und das lehnen wir ab.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Sie schmälern natürlich auch die Aufstiegschancen junger deutscher Ingenieure. Wenn das heute jemand hört, überlegt er sich doch, ob er noch studieren soll. Nehmen Sie dazu einmal Stellung.

Außerdem fehlt eine wirkliche Bedarfsanalyse der Wirtschaft. Die einen sagen: Wir brauchen keine Softwareentwickler, sondern Dienstleister für Marketing und Vertrieb, die dann die Mittelständler, Herr Döring, beraten können. Meinen Sie, einer aus Indien ist geeignet, unsere Mittelständler für eine Lösung vor Ort beraten zu können? Das glauben Sie doch selber nicht, Herr Döring. Warum stellen Sie sich nicht der Diskussion? Treten Sie nachher ans Rednerpult!

(Minister Dr. Döring: Mache ich!)

Danke, Herr Döring.

Viertens reichen die heutigen rechtlichen Regelungen völlig aus. Welche Funktion soll denn diese Debatte über die Greencard haben? Ich sage Ihnen eines: Diese Debatte hat eine Türöffnerfunktion. Zuerst will man die Informatiker, weil da die Bevölkerung noch mitmacht, und dann kommen alle anderen. Am Ende haben wir wieder das Tor für eine weitere verhängnisvolle multikulturelle Entwicklung in diesem Land mit allen Folgen, die die Gemeinschaft später zu bezahlen hat, geöffnet. Das wollen wir Republikaner nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Haben Sie kein Herz für die über 4 Millionen Arbeitslosen? Darunter sind übrigens fast 1 Million Ausländer, die schon in unserem Land sind und unsere Sozialsysteme belasten.

(Zuruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Warum denken Sie nicht an diese Menschen? Warum wollen Sie sie nicht in der Gastronomie, im Handwerk usw. weiterbilden? Das ist doch eine unehrliche Politik.

(Zuruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Warum sollen wir gerade Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie für die verfehlte Zuwanderungspolitik mit diesen katastrophalen Folgen stehen, eine Chance geben, die gleichen Fehler noch einmal zu machen? Da sagen wir Nein. Wir Republikaner bleiben bei unserer Linie. Wir fallen nicht um wie die anderen. Ich glaube, das können wir auch den Bürgerinnen und Bürgern ehrlich sagen.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich Herrn Minister von Trotha.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es nicht für sinnvoll, einen Beitrag zu einer Debatte zu leisten, wie sie in der Politik immer wieder üblich ist und die letztlich den Eindruck hinterlässt: Keiner weiß Bescheid, aber alle machen mit. Gute Politik entsteht nämlich durch das Erkennen der Realität und nicht durch einen Wettbewerb populistischer Slogans oder Forderungen neokolonialer Art,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

so, als hätte es nie die Erfahrung gegeben, die Max Frisch in dem Satz „Man erwartete Gastarbeiter, und es kamen Menschen“ zusammengefasst hat, und so, als wüssten wir inzwischen nicht seit langem, dass Einwanderung nicht nur Probleme löst, sondern eben auch neue Probleme schafft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Re- publikaner – Abg. Deuschle REP: Eben! Sehr rich- tig!)

Herr Kollege Deuschle, um es auch Ihnen zu sagen: Wir sind nicht umgefallen,

(Abg. Deuschle REP: Aber Herr Oettinger!)

sondern wir haben die Konsequenzen aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gezogen.

(Abg. Deuschle REP: Welche?)

Die Greencard kann in der Tat Engpässe beseitigen. Aber mittel- und langfristig kann die Lösung nur

(Abg. Pfister FDP/DVP: Haben wir ja gesagt! – Abg. Drexler SPD: Das bestreitet niemand!)

in der nachhaltigen Aktivierung und Qualifizierung unseres eigenen Potenzials bestehen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Salomon, Sie wissen ja: Ich habe Sie als hochschulpolitischen Sprecher immer geschätzt und schätze Sie immer noch. Aber heute habe ich den Eindruck, dass Sie als Fraktionsvorsitzender vielleicht doch noch überfordert sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Er hat 100 Tage Zeit!)

Man kann nicht die ganze Zeit von Globalisierung reden und dann nach Spaichingen schauen und dabei übersehen, dass wir Privatisierungen im Umfang von 2 Milliarden DM vorgenommen haben, und zwar ausschließlich für die Zwecke Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es!)

Das kann Ihnen doch nicht entgangen sein. Das ist die Leistung des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Das ist mir auch nicht entgan- gen! Das war auch gar nicht mein Argument, Herr Minister!)

Das war Ihr Argument. Sie haben von Spaichingen geredet, aber zu der Zukunftsoffensive kein Wort gesagt. Wir haben in diesem Bereich schon viel getan. Außer Bayern hat in diesem Bereich niemand mehr als wir getan, und wir haben noch sehr viel vor.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das habe ich nicht bestritten! – Zuruf des Abg. Win- truff SPD)

Herr Kollege Maurer, Sie haben sich hier wie der Held fünf nach zwölf aufgeführt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Leider tut Nicht-Wissen nicht weh, sonst könnten Sie vor Schreien gar nicht mehr laufen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen deshalb die Lage in Karlsruhe erläutern, nachdem Dekan Schmid hier wiederholt zitiert worden ist.

(Abg. Bebber SPD: Ist das jetzt Hochschulniveau bei Ihnen?)

Das ist Hochschulniveau,

(Lachen bei der SPD)

denn ich stelle die Fakten richtig. Herr Kollege, Sie können mich testen. Das sind alles Zahlen; Sie können nachfragen, ob sie richtig sind.

Es ist richtig, dass die Fakultät in Karlsruhe – dafür bedanke ich mich – bei den Anfängern im Moment eine Überlast von 120 % fährt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Wahrheit – die müssen Sie, Herr Maurer, eben auch sagen – heißt: Da in den Jahren zuvor eine Unterauslastung bestand, liegt die Gesamtbelastung bei 98 %, sodass Sie mit der Angabe „120 %“ einen völlig falschen Eindruck erwecken.

(Zurufe der Abg. Döpper CDU und Brinkmann SPD)

Ein Übriges: Es ist richtig, dass Mitte der Neunzigerjahre eine Überlastausstattung abgebaut wurde, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Fakultät in Karlsruhe zu 35 % ausgelastet war. Was hätten Sie denn gesagt, wenn wir das nicht gemacht hätten? Das war doch die einzig richtige Maßnahme.

(Zuruf von der CDU)

Im Gegensatz zu vielen Ratschlägen, übrigens auch von der Kommission zur Weiterentwicklung der Fachhochschulen, haben wir danach wieder konsequent ausgebaut. Was konkret Karlsruhe angeht, haben wir zuletzt das Angebot gemacht, zwei vorgezogene Berufungen zu realisieren plus acht Ausstattungsstellen dazu – unter der Bedingung, dass auch Karlsruhe zehn Stellen zur Verfügung stellt. Unser Teil ist gesichert; leider hat Karlsruhe seinen Teil noch nicht erfüllt.

(Abg. Wintruff SPD: Aber erst, als die Kritik Sie ereilt hat – vonseiten des Dekans und vonseiten der Informatik! Als es nicht mehr zu halten war, haben Sie revidiert!)