Protocol of the Session on March 22, 2000

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Abg. Deuschle REP: Sehr gut! Bravo!)

Die Koalition aus SPD und Grünen hat in Abschnitt VII Ziffer 3 ihrer Koalitionsvereinbarung definiert: „Familie ist, wo Kinder sind.“ Daraufhin hat die CDU im Rahmen ihrer immer rascheren Versozialdemokratisierung mit dem Familienbegriff „Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen“ gleichgezogen. Da aber bekanntlich das Verantwortungübernehmen bereits zwingend im Sozialgesetzbuch geregelt ist, unterscheidet sich die CDU-Definition letztlich nicht von der von Rot-Grün.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die aggressiven Feministinnen von Rot-Grün

(Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Oh Jesses!)

die Familie schon immer als „Bollwerk des Patriarchats“ definierten, welches es zu schleifen gelte, so ergibt es einen Sinn, wenn man den Familienbegriff so weit fasst, dass alles darunter fällt. Denn wenn alles Familie ist, ist nichts mehr Familie.

Die CDU ist hierbei ihren schärfsten politischen Gegnern nicht nur auf den Leim gegangen, sondern bedient mit dem Slogan „Lust auf Familie“ sogar noch in der Wortwahl das liberale Spektrum.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Nach der rot-grünen Spaßschule kommt nun die schwarze Lustfamilie. Bei so viel ideologischem Gleichklang titelt selbst die linke FAZ indigniert:

Merkel kopiert SPD-Wunschzettel. Die SPDisierung der CDU schreitet voran, nun auch in der Familienpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Für Kenner der Materie ist dies allerdings schon lange keine Überraschung mehr. Lässt man 16 Jahre Kohl’scher Sozial- und Familienpolitik vor dem geistigen Auge Revue passieren, so muss man feststellen, dass diese genauso gut aus dem Erich-Ollenhauer-Haus hätte stammen können. Mittlerweile ist es für einen konservativ denkenden Deutschen verhältnismäßig egal, ob Rot oder Schwarz in Berlin regiert.

Wir Republikaner werden diesem unterwürfigen Katzbuckeln vor dem Zeitgeist nicht Folge leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Wir werden dies schon deshalb nicht tun, weil die Familie einen naturrechtlichen Wesensgehalt besitzt. Die Familie ist vorstaatlich und existiert aus sich selbst heraus. Es kann staatlich und naturrechtlich keinen Staat geben, ohne dass die Familie existiert. Aus rechtlicher Sicht ist dies wesentlich, weil sich daraus die Grenzen staatlichen Handelns bestimmen. Ohne Verletzung des Naturrechts darf der Staat die Familie nicht umdefinieren, er hat sie vielmehr uneingeschränkt und unideologisch zu fördern und zu stützen.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Die Umdefinition der Familie, wie sie von den Altparteien vertreten wird, entspringt einem Liberalismus, der sich aus jeder Allgemeinwohlorientierung verabschiedet hat und der die Frage der so genannten Werte und Normen jedem Einzelnen und seiner Willkür überantwortet. Wenn aber jeder Einzelne für sich die Frage der Weltanschauung der Werte und Normen entscheidet, ist das Resultat die atomisierte Gesellschaft, eine Gesellschaft, die sich in ihre Bestandteile auflöst und den Individualismus absolut setzt mit der Folge, dass auch der Staat letztlich seine Handlungsfähigkeit verliert.

Eine solche Politik der Altparteien können wir als Nationalkonservative nicht mittragen,

(Lachen der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP – Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

da die Erhaltung der bürgerlichen Familie ein grundkonservatives Anliegen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Konservatismus ist der Spagat, der das Gestern mit dem Heute verbindet. Das heißt, Werte, die sich über Generationen bewährt haben, sollen auch in Zukunft gültig sein. Die traditionelle Familie hat sich bewährt. Ihre Leistungen auf dem Gebiet der Sozialisation, der Erziehung, der Reproduktion können von keiner anderen Institution erbracht werden.

Die Vitalität der Familie hat unser Volk nach den Katastrophen des Dreißigjährigen Kriegs und des Zweiten Weltkriegs gerettet, und sie erfreut sich bei jungen Menschen, wie die neueste „Focus“-Umfrage zeigt, wieder steigender Beliebtheit. Daher vertrauen wir darauf, dass die Geschichte letztlich klüger sein wird als die gesamte gegenwärtige Familienpolitik in diesem Land.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort hat Frau Abg. Blank.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Den uns vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion Die Republikaner lehnen wir ab,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, des Bündnis- ses 90/Die Grünen und der FDP/DVP)

obwohl wir die Absicht, die Bedeutung der Familien in unserer Gesellschaft zu stärken, respektieren und unterstützen.

Der erste Mangel dieses Gesetzentwurfs zeigt sich in der völlig verfehlten Formulierung. Ich zitiere nach Wortlaut und Begründung des Gesetzentwurfs: Gefördert werden sollen Familien mit Kindern. Hier wurden leider die Begriffe Ehe und Familie verwechselt. Familie setzt laut Bundesverfassungsgericht eine umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern voraus. Ihre Formulierung ist also entweder falsch, oder die Verfasser gehen davon aus, dass es auch Familien ohne Kinder gibt.

(Abg. Krisch REP: Nach Ihrer Definition, ja!)

Diese Ansicht lehnen wir ab.

Im Übrigen ist dieser Formulierungsfehler für mich ein Indiz dafür, dass schlampig und vor allem populistisch gearbeitet wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP – Abg. Kluck FDP/DVP: Hört, hört!)

Zweitens: Artikel 6 des Grundgesetzes ist entgegen Ihren Ausführungen, Herr Kollege, nicht nur ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat und gegen staatliche Eingriffe. Nein, er ist auch ein Gebot der Förderung.

Das Bundesverfassungsgericht formuliert auch hier – hören Sie gut zu, und gehen Sie nicht hinaus –: Es ist nicht nur die Aufgabe des Staates, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen mehrerer Kräfte zu bewahren, nein, es besteht auch das Gebot der Förderung.

Als bundesverfassungsgerichtliche Festlegung bindet § 6 des Grundgesetzes außerdem auch die Landesverfassung und die Landesgesetzgebung.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Frau Blank, es gibt keine Paragraphen im Grundgesetz! – Abg. Deuschle REP: Artikel heißt das! – Zuruf des Abg. Krisch REP)

Jetzt nähern wir uns dem Wesentlichen. – Hören Sie gut zu.

Wir wenden uns ganz entschieden gegen diese Art von Verfassungslyrik. Wir vertreten die Auffassung, dass die bloße Einführung eines Staatsziels Familienförderung keine Familienförderung wäre und auch keine Fortschritte in der Familienförderung bringen würde.

(Abg. Rech CDU: Sehr gut! – Abg. Pfister FDP/ DVP: Jawohl!)

Die Hausaufgaben der Politik müssen im Bereich Familienleistungen erbracht werden. Und da gehören wir in Baden-Württemberg wirklich fast zu den Musterschülern.

(Abg. Haasis CDU: Nicht nur fast! – Abg. Pfister FDP/DVP: Wir sind die Speerspitze der Bewe- gung!)

Ich nenne beispielhaft das Landeserziehungsgeld, das Programm „Mutter und Kind“, die Landesstiftung „Familie in Not“ oder auch, ganz aktuell, das Kindergartengesetz. 685 Millionen DM für eine flexible, familienfreundliche Kinderbetreuung – das ist Familienförderung!

(Beifall bei der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Richtig! – Abg. Rech CDU: Das andere ist Papier!)

Wir in Baden-Württemberg wissen um den Stellenwert unserer Familien. Wir brauchen keinen Nachhilfeunterricht von der Fraktion Die Republikaner.

(Abg. Deuschle REP: Seien Sie doch nicht so böse mit uns! – Abg. Rech CDU: Ganz schön kämpfe- risch!)

Wenn die Verantwortlichen auf der Bundesebene – und da schaue ich einmal nach links – es jetzt noch fertig brächten, eine Steuerreform zu verabschieden, die auch einen familienpolitischen Ansatz hat, dann könnten wir in diesem Land ganz zufrieden und glücklich sein.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD – Zu- ruf des Abg. Brechtken SPD)

Aber nicht nur die Politik muss ihre Hausaufgaben machen.

(Unruhe bei der SPD – Abg. Rech CDU: Herr Braun, haben Sie auch Familie?)

Wir glauben, dass ein Umdenken bei allen erfolgen muss, bei allen, die unsere Gesellschaft mit gestalten, wenn sich junge Menschen in Zukunft für Kinder entscheiden sollen. Das heißt im Klartext: Junge Menschen wägen heute bei der Entscheidung, ob sie Kinder haben wollen, zwischen verschiedenen Schwerpunkten ab. Entscheidend sind einerseits die materiellen Kosten eines Kindes, der physische und psychische Aufwand, der mit der Kindererziehung zusammenhängt, der Verlust an Freizeit, die zusätzliche Verantwortung und die Selbstverwirklichungschancen und andererseits die emotionale Freude, die ein Kind mit sich bringt, und – man konnte das einer Studie entnehmen – auch die Sehnsucht von jungen Menschen nach der Geborgenheit in einer Familie.