Protocol of the Session on February 9, 2000

als bei jenen, die 8 000 DM zu versteuern haben. Das heißt aber, die Schere zwischen den mehr und den weniger Verdienenden vergrößern Sie gerade auch im Familienbereich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/ Die Grünen)

Frau Kollegin Thon, lassen Sie doch den Redner mal seine Ausführungen beenden!

Übrigens: Das setzt nahtlos die Politik fort, dass Sie die Großen, die Energiefresser, die Großunternehmen freistellen, was ja auch ökologisch sinnlos ist, und die Familien die Zeche bezahlen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf: Sehr gut!)

Jetzt noch einmal zum Thema Familienleistungsausgleich. Übrigens gefällt mir schon sehr, dass – ich weiß nicht, wann der Wechsel eingetreten ist – nun nicht mehr von Fa

milienlastenausgleich, sondern von Familienleistungsausgleich gesprochen wird.

(Zurufe von der SPD)

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Mit der Enquete!)

Mit der Enquete. Danke schön. – Ich bin sehr froh, dass jetzt von Familienleistungsausgleich die Rede ist, weil die Erziehung von Kindern nämlich keine Last ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Leistung, die Mütter und Väter in unserer Gesellschaft erbringen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Der zweite Teil bezieht sich auf das Thema Familienarmut. Ich glaube, wir sollten uns abgewöhnen, durch Zahlenspielereien zu beweisen, was Armut ist und was nicht. Dafür gibt es Definitionen, mit denen man sich kritisch auseinander setzen kann. Fakt ist – und das müssen wir einfach zugeben –, dass Familien in unserer Gesellschaft tatsächlich materiell benachteiligt sind. Es kann nicht angehen, dass die Tatsache, Kinder zu haben, künftig Luxus sein muss bzw. umgekehrt zum Armutsrisiko wird. Es ist aber vielfach belegt, dass Familien im Vergleich zu Singles leider ein erhöhtes Armutsrisiko haben. Die aktuellste Zahl, die wir vor kurzem hier in Stuttgart vorgelegt bekommen haben, belegt: Ein Drittel der Sozialhilfeempfänger sind unter 18 Jahren. Das muss uns schon nachdenklich machen.

Zum Familienleistungsausgleich möchte ich vorab eine Bemerkung machen: Wir wollen niemandem in unserer Gesellschaft vorschreiben, wie er zu leben hat, ob er als Single zu leben hat, in einer Lebenspartnerschaft ohne Kinder oder mit Kindern. Wir wollen vielmehr Wahlfreiheit herstellen, bei der es keine Rahmenbedingungen gibt, die den Wunsch nach Kindern zum Risiko machen. Es muss Wahlfreiheit bestehen: Keine Prämie, aber umgekehrt auch keine Bestrafung für diejenigen, die sich für Kinder entschlossen haben.

Zum Schluss möchte ich noch einen konstruktiven Ansatz bringen: Im Bericht der Regierung sind zehn familienpolitische Leistungen aufgeführt, drei davon im steuerlichen Bereich, die dankenswerterweise von Ihrer Regierung, Frau Wonnay, verbessert worden sind: Kinderfreibeträge und Betreuungsfreibeträge, und Sie planen ja auch einen Freibetrag für Erziehungsaufwand ab dem Jahr 2002. Das finde ich richtig.

Dann gibt es die Sozialtransfers, zu denen das Kindergeld gehört – eben nicht Kompensationsleistungen, sondern Sozialtransfer –, das Bundeserziehungsgeld, das Landeserziehungsgeld, die Leistungen aus dem Landesprogramm „Mutter und Kind“ und, und, und. Das ist hier alles aufgezählt worden. Das zeigt, dass wir eine Vielfalt von unterschiedlichen steuerlichen und Sozialtransfermaßnahmen haben, die nach unserer Auffassung endlich einmal zusammengeführt gehören.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir wollen die Steuer- und die Sozialtransfersystematik zusammenführen. Wie wir es insgesamt mit dem Bürger

geld vorschlagen, so schlagen wir auch ein einheitliches Familiengeld vor. In diesem Zusammenhang muss definiert werden, wie hoch das jedem zustehende Existenzminimum für ein Kind ist. Das Einkommen muss so weit steuerfrei gestellt werden, das dieses Existenzminimum gesichert ist. Das ist auch der Sinn der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Wer aber diese Grenze gar nicht erreicht, aus welchen Gründen auch immer, der soll dieses Familiengeld dann als „Negativsteuer“ ausgezahlt bekommen. Das ist also die Idee des Bürgergelds, das in einem Teilbereich für die Familie auf den Weg gebracht werden sollte.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Daran, denke ich, müssten wir alle arbeiten, um eine Bündelung, einen Bürokratieabbau, einen Abbau von Mitnahmeeffekten und eine zielgenaue Förderung der Familien in unserem Land hinzubekommen.

Abschließend ein Wort zur Definition des Begriffs Familie. Sie, Frau Thon, haben aus dem Kirchenpapier zitiert. Wir sehen es genauso: Familie ist da, wo Kinder sind. Natürlich bedeutet das keine Abwertung der traditionellen Familie, aber auch nicht eine Diskriminierung anderer Formen – und die sind nun mal gesellschaftliche Realität. Es gibt Kinder, die von Alleinerziehenden erzogen werden, und Kinder, die in so genannten Patchworkfamilien aufwachsen – dieser Begriff gefällt mir besonders gut –, wo jeder Partner Kinder aus einer früheren Verbindung mitbringt. Das nennt man Patchworkfamilie.

Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, dass Menschen Verantwortung für sich und andere und vor allem für ihre Kinder übernehmen, und genau diese Menschen müssen wir in Zukunft zielgenau durch ein Familiengeld unterstützen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Krisch.

Frau Kollegin Thon von der Fraktion „Grütze“ hat sich zwar engagiert geäußert, aber dadurch wird die Aussage nicht besser.

Kollegin Blank, Sie haben zwar durch Ihre Ausbildung – – Frau Kollegin Blank, ich rede mit Ihnen. – Okay, sie will nicht zuhören. Sie hat sich unbegründet angegriffen gefühlt. Fakt ist, dass sie es schwerer hatte als andere, die dank wohlhabender Familien ohne große eigene Leistung studieren konnten. Das war, was ich sagte. Ich weiß, wovon ich rede; denn mit 14 Jahren stand ich am Schraubstock. Der Wettbewerb mit anderen, die stattdessen studiert haben, ist für solche Menschen äußerst schwierig. Das war keine Kritik an Frau Blank.

(Beifall bei den Republikanern)

Aber die goldenen Zeiten, die Sie hier schildern, für Familien und Kinder – die gibt es nicht. Tatsache ist, BadenWürttemberg steht besser da als andere Bundesländer.

(Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Aber die Tatsache, dass es bei uns jetzt Straßenkinder gibt, was man früher nur von Südamerika kannte, werfen wir der Politik vor.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Ingrid Blank CDU: Die kommen zum Teil nicht aus ar- men Familien!)

Wir reden von Familienarmut.

Also: Das Bundesverfassungsgericht sagt in seiner Entscheidung vom Januar 1999: Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und die die Anerkennung durch die Gemeinschaft verlangt. Der Entscheidung entsprechend gehört dazu über den sachlichen Unterhaltsbedarf von Kindern hinaus noch deren Betreuungs- und Erziehungsbedarf. Die Aufwendungen dafür müssen beim einkommensteuerfreien Existenzminimum berücksichtigt werden.

Jetzt kommt der Punkt. Arme Familien, Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger profitieren gar nicht von irgendwelchen Einkommensteuerverbesserungen und sind davon nicht tangiert. In dieser schweren Situation dieser Familien kommt die grün-rote Bundesregierung, die sich als Regierung der kleinen Leute gibt, und schlägt mit ihrem Ökosteuerprügel noch mehr auf diese Menschen ein. Gerade die – das haben meine Vorredner bestätigt – sind von der Ökosteuer besonders betroffen. Da fehlt der jetzigen Bundesregierung soziale Verantwortung.

(Beifall bei den Republikanern)

Sie von Grün-Rot behaupten zwar, dass durch die Erhöhung des Kindergeldes Mehrbelastungen durch die Energiesteuer aufgewogen werden, aber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts darf die Funktion eines Kindergeldes nicht darin liegen, besondere Belastungen durch andere Steuern, sprich Ökosteuer, zu kompensieren.

Meine Damen und Herren, wir haben versucht, mit Anträgen zum Sozialhaushalt gerade Not leidenden und armen Familien zu helfen, und zwar mit kleinen und deshalb machbaren und vom Land durchführbaren Schritten. Ein Vorschlag war die Förderung von Betriebskindergärten. Die Förderung von Betriebskindergärten würde Müttern mit kleinen Kindern den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern. Die Nähe der Kinder zu berufstätigen Müttern macht deren Berufstätigkeit möglich. Die Praxis zeigt, dass das auch in Firmen, die das praktizieren, keine nachteiligen Wirkungen hat, sondern dass die Belegschaft dadurch im Gegensatz motiviert wird und höhere Erträge erarbeitet. Das waren absolut frauen- und familienfreundliche Anträge, und wer hat sie abgelehnt? Die Fraktion Grüne und die SPD.

(Abg. Roland Schmid CDU: Sie sind auch auslän- derfeindlich! Sie haben noch gar nicht differenziert bis jetzt!)

Dass die CDU das auch abgelehnt hat, Herr Schmid, ist eine andere Sache; das haben wir nicht anders erwartet.

Ein anderer Vorschlag von uns, Kollege Schmid, war der Vorschlag des Elterngeldes. Das haben wir so definiert, dass jene, die es, aus welchen Gründen auch immer, vorziehen, Kinder, statt sie in den Kindergarten zu schicken, alleine oder im Freundeskreis zu betreuen, unterstützt werden sollten. Zielgruppe sind sozial schwache Familien. Hier hat die CDU in Sachsen nachgezogen.

Herr Abg. Krisch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte zu Ende reden; dann kann Kollege Schmid sprechen.

Ja, aber Ihre Redezeit ist um.

Einen Schlusssatz noch, der sich auf das Thema Alleinerziehende bezieht: All jene, die ausschließlich zur Selbstverwirklichung Kinder allein erziehend aufwachsen lassen, versündigen sich an den eigenen Kindern,

(Beifall bei den Republikanern)

denn Kinder brauchen die Mutter, aber auch einen Vater. Es ist bewiesen, dass Kinder mit nur einem Elternteil benachteiligt sind. Sie sind benachteiligt in ihrer Lebensqualität, und sie sind benachteiligt bei Wissen und Erfahrung. Diese Kinder müssen sich im Leben mühsam all das erarbeiten, was andere aus gesunden Familien als selbstverständlich erleben. Kinder Alleinerziehender sind öfter das Opfer von Armut. Deshalb ist die Politik von SPD und Grünen sozialfeindlich. Sie richtet sich gegen Ihr ursprüngliches Wählerpotenzial, die kleinen Leute. Und diese Lücke werden wir füllen.

(Beifall bei den Republikanern – Lachen des Abg. Brinkmann SPD)

Jetzt können Sie Ihre Frage stellen, wenn es der Herr Präsident gestattet.

Herr Kollege Krisch, darf ich davon ausgehen, dass Sie bei Ihren Ausführungen im Hinblick auf den Familienbegriff von deutschen und ausländischen Familien gesprochen haben? Das würde mich sehr interessieren, um in Zukunft Ihre Ausführungen, die Sie hier machen, vor demselben Hintergrund zu sehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Müller SPD)