Protocol of the Session on February 3, 2000

Denn die bisherigen Examina haben gerade diese Internationalisierung sehr erschwert. Hier ist ein Sprung in der Schüssel. Wie Sie damit fertig werden, weiß ich nicht, ich sage Ihnen nur: Sie irren sich. Richtig ist: Think global, act local, go international. Genau das tun wir in Baden-Württemberg, und wir haben mehr gemacht als jedes andere Bundesland.

Zum anderen: Einsatz elektronischer Medien in der Lehre und schließlich Maßnahmen zur Steigerung der Berufsfähigkeit, nicht zuletzt durch entsprechende Praktika.

Wir werden Hochschuldidaktikzentren einrichten, als Angebot und Verpflichtung für Lehrende und Nachwuchswissenschaftler, sich ausreichend für die Lehre zu qualifizieren. Denn wenn ich an der Einheit von Lehre und Forschung festhalten will – und das möchte ich –, dann muss ich professionelles Verhalten in beiden Bereichen erwarten können.

Zum Dritten werden wir einmal pro Jahr Tage der Lehre an einer Hochschule zu einem speziellen Thema durchführen. An solchen Tagen sollen Ideen und Konzepte aus den Hochschulen zur Verbesserung der Lehre vorgestellt werden. Es soll ein Erfahrungsaustausch stattfinden sowie die Präsentation und die Diskussion von Innovationen.

Die finanzielle Absicherung dieses Programms ist übrigens hochinteressant. Sie finden sie im Haushalt unter der Überschrift „Fonds zur Stärkung der Lehre“. In diesem Fonds sind Mittel in Höhe von rund 10 Millionen DM ausgewiesen. Hinzu kommen im Jahr 2000 Einnahmen aus Langzeitstudiengebühren in Höhe von rund 7 Millionen DM. Das heißt, wir haben unser Versprechen gehalten, dass die Langzeitstudiengebühren nicht an den verehrten Herrn Kollegen Finanzminister gehen,

(Abg. Reinelt SPD zu Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Man kann auch sagen: Sie ge- hen an die privaten Universitäten! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Je nachdem, wie man es dreht!)

sondern konkret für Verbesserungen und Innovationen in der staatlichen Lehre genutzt werden.

Dritter Schwerpunkt – ich möchte ihn mit Medieninitiative überschreiben –: Unser Ziel ist es, die Kompetenz der Hochschulen für den Übergang in die Informationsgesellschaft zu nutzen. Information und Kommunikation haben das Gesicht unserer Gesellschaft verändert. Die neuen Medien beeinflussen, wie wir alle wissen, sämtliche Lebensbereiche. Für den Hochschulbereich ist dabei von besonderer Bedeutung, dass im Informations- und Kommunikationssektor zahlreiche Arbeitsplätze mit neuen Qualifikationen und Tätigkeitsprofilen entstanden sind. Hierauf wollen wir reagieren.

Der Staatshaushaltsplan 2000/2001 enthält auch Stellen und Mittel für ein Ausbauprogramm Informatik und Medien an den Fachhochschulen mit insgesamt 385 Studienanfängerplätzen. In dieses Ausbauprogramm eingebettet ist auch der Zusammenschluss der Stuttgarter Fachhochschulen für Druck und Medien sowie für Bibliotheks- und Informationswesen zu einer in dieser Art in der Bundesrepublik einmaligen Fachhochschule der Medien.

Mit derselben Zielsetzung sind Stellen und Mittel für den weiteren Ausbau der Berufsakademien vorgesehen. Frau Vossschulte hat es erläutert. Ich will deshalb nichts weiter dazu sagen, außer, dass es immerhin das bisher größte Ausbauprogramm in der Geschichte unserer Berufsakademien ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich sehr herzlich bei den Fraktionen der CDU und der FDP/DVP für den Entschließungsantrag zur Erhöhung der Lehrauftragsvergütungen bedanken. Ohne Erhöhung liefen wir Gefahr, nicht genügend qualifizierte Lehrbeauftragte im stark nachgefragten Bereich Informatik und Medien zu gewinnen und die boomende Nachfrage nicht befriedigen zu können.

In der Informationsgesellschaft kommt es auf die kompetente Nutzung von Medien und Medientechnologien an. Die Vermittlung von Medienkompetenz gehört daher zu

(Minister von Trotha)

den unabweisbaren Aufgaben der Hochschulen, und deshalb haben wir schon in der ersten Zukunftsoffensive das Programm „Virtuelle Hochschule“ aufgelegt, das sich hervorragend entwickelt. Der Stellenwert dieses Programms wird deutlich, wenn man sieht, dass dafür 50 Millionen DM in fünf Jahren vorgesehen sind.

Vierter Schwerpunkt: Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sind erfahrungsgemäß die kreativsten Köpfe in Forschung und Lehre. Sie zu fördern und nach Möglichkeit besser zu fördern, als wir es bisher getan haben, ist daher eines unserer dringlichsten Anliegen. Bereits heute leistet der wissenschaftliche Nachwuchs in Baden-Württemberg Außerordentliches. So konnten Sie diese Woche lesen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat zehn junge Forscher mit einem Förderpreis von jeweils 1 Million DM ausgezeichnet. Allein vier der Preisträger kommen aus Baden-Württemberg. Dies ist ein hervorragendes Ergebnis.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Reinelt?

Aber gern.

Bitte schön, Herr Abg. Reinelt.

Ich weiß nicht, ob Sie noch darauf zu sprechen kommen. Deswegen meine Frage und Bitte. Zu der Frage der Internationalisierung in der Forderung, dass auch viel mehr baden-württembergische oder deutsche Studierende ins Ausland gehen müssten, haben Sie bislang nicht Stellung genommen. Wären Sie bereit, das noch zu tun, weil dies ein ganz zentraler Punkt in dem Forderungskatalog der Opposition in Bezug auf den Haushalt darstellt?

Herr Kollege Reinelt, ich will Ihnen sogar, obwohl ich noch darauf zu sprechen gekommen wäre, direkt antworten und Ihnen sagen: In der Tat ist es wichtig, dass mehr Deutsche, also auch mehr Baden-Württemberger, ins Ausland gehen. Wir machen ungeheure Anstrengungen, um das zu stärken. Wir sind freilich in unseren Mitteln beschränkt, sonst würden wir noch mehr tun. Aber ich füge noch eines hinzu, und das geht darüber hinaus: Genauso wichtig ist es, mehr Ausländer zu uns nach Deutschland zu bringen. Denn der qualifizierte Deutsche oder Baden-Württemberger hat vielleicht in Harvard studiert und ist künftig in Hongkong oder in Vancouver tätig – weit weg von seiner Heimat. Aber er kennt die deutschen Qualitäten in der wirtschaftlichen Leistung und auch in der Kultur. Der Ausländer aus Japan oder aus den Vereinigten Staaten weiß vielleicht wenig über Deutschland. Er sollte zu uns kommen und hier erfahren, was in diesem Land geleistet wird. Also beides ist notwendig. Aber ich vermute, dass wir uns in dieser Zielsetzung auch einig sind.

Was tun wir bereits? Wir haben die Promotionsförderung. In der Promotionsförderung nimmt Baden-Württemberg ei

ne Spitzenposition ein. Das gilt sowohl für die Landesgraduiertenförderung als auch für die Förderung der Graduiertenkollegs. Ich bin außerordentlich dankbar – das will ich vor diesem Hause auch sagen –, dass es gelungen ist, die Mittel für die Landesgraduiertenförderung von 9 Millionen DM auf 11 Millionen DM zu erhöhen. Damit können wir 220 neue Stipendien pro Jahr vergeben. Auch die seit langem überfällige Anhebung der Stipendiensätze können wir jetzt vornehmen.

Bei den Graduiertenkollegs, die sich zu einem ganz wichtigen Instrument der Nachwuchsförderung entwickelt haben, liegt Baden-Württemberg proportional gesehen hervorragend und, was mich freut, wieder einmal deutlich vor dem Nachbarland Bayern, denn das ist unser Hauptkonkurrent.

Auch hier bin ich außerordentlich dankbar, dass wir den erreichten hohen Standard im Doppelhaushalt nicht nur sichern konnten, sondern die Möglichkeit erhalten, weitere Graduiertenkollegs einzurichten. Die Anhebung der Fördersumme um etwa 5 Millionen DM auf rund 20 Millionen DM hat dies ermöglicht. Schließlich will ich an das Margarethe-von-Wrangell-Habilitationsprogramm zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen erinnern. Trotz des Auslaufens des Hochschulsonderprogramms des Bundes wollen wir dieses Programm mit Landesmitteln fortsetzen, und dafür stehen zunächst rund 3 Millionen DM und in der Endstufe 5 Millionen DM zur Verfügung.

Wo wir in der gesamten Bundesrepublik Defizite haben, ist die Förderung von Postdoktorandinnen und Postdoktoranden. Hier müssen wir erheblich mehr tun. Wir sind jetzt in einer Umbruchphase, weil die Diskussion über die künftigen Qualifikationswege noch nicht abgeschlossen ist. Die Habilitation als Regelvoraussetzung für die Berufung auf eine Professorenstelle wurde sowohl im Hochschulrahmengesetz als auch in unserem Universitätsgesetz aufgegeben, neue ergänzende Qualifikationswege müssen definiert werden, um ständestaatliche Abhängigkeiten im bisherigen Hochschulbetrieb entsprechend abzubauen. Mein Haus engagiert sich deshalb auch höchst intensiv bei den Bestrebungen um eine Dienstrechtsreform auf Bundesebene.

Fünfter und letzter Schwerpunkt: Die Neuorientierung der Forschungsförderung. Motor für Innovation ist mehr denn je die Vermehrung von Wissen in der Grundlagenforschung, die Vermittlung von Wissen in der Lehre und die Verwendung von Wissen für neue Produkte, neue Verfahren und neue Dienstleistungen. Für uns ist es deshalb nicht nur Kür, sondern wir sehen uns in der Pflicht, besonders hohe Anstrengungen in Forschung und Entwicklung zu unternehmen.

Sie wissen es, aber es gehört einfach in diese Debatte: Der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen am Bruttosozialprodukt in Baden-Württemberg betrug zuletzt 3,8 %, mehr als in jedem anderen Bundesland. Sie wissen vielleicht auch, dass der Bundesdurchschnitt bei 2,4 % liegt, und ohne uns wäre er noch schlechter. In keinem anderen Bundesland findet man eine so differenzierte Forschungslandschaft wie bei uns. Wer sät, kann freilich auch ernten. Auch diese Zahl muss noch einmal genannt werden: Baden-Württemberg ist bekanntlich Spitzenreiter unter allen 250 Regionen der Europäischen Union, was die

(Minister von Trotha)

Realisierung von Hightech angeht. Der Indikator war: Wie viel Beschäftigte sind in Hightechbereichen tätig? Das sind bei uns 17,8 %. Nirgends in der gesamten Europäischen Union sind es mehr.

(Beifall bei der CDU)

Ein solches Ergebnis ist kein Zufallstreffer, sondern Ergebnis mehrjähriger Anstrengung.

Meine Damen und Herren, sowohl diese quantitative Betrachtung wie auch die qualitativen Erfolge bei Wettbewerben und Ausschreibungen, die regelmäßig bei uns erzielt werden, belegen die Schlussfolgerung, dass wir hervorragende Forschungskapazitäten im Land haben. Ein Beispiel für viele aus der allerletzten Zeit: Allein bei der letzten Leibnizpreisverleihung der DFG kamen von 14 preisgekrönten Forschern fünf aus Baden-Württemberg. Wir waren nie besser.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Rest hat Dr.-Oetker-Preise!)

Wir nehmen die Preise, wenn sie ordentlich sind, von überall her.

(Zuruf des Abg. Nils Schmid SPD)

Wir können sie kaum mehr alle notieren. Ich schreibe jeden Tag Dankesschreiben an die Forscher, um sie zu motivieren, aber auch um unseren Dank zum Ausdruck zu bringen. Der Dank gilt natürlich auch diesem Haus. Denn oft war eine Anschubfinanzierung Voraussetzung.

Wir wollen uns aber nicht mit dem Erreichten zufrieden geben. Gestern hat Herr Maurer von den Möglichkeiten dieses Landes gesprochen. In der Tat: Wir wollen bis an die Grenzen unserer Möglichkeiten vorstoßen. Schon Churchill hat so schön gesagt: Success is never final.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: „We shall never surrender“, hat Churchill gesagt!)

Wo er Recht hat, hat er Recht. – Und wo Erfolg möglich ist, sollten wir ihn auch erreichen. Dabei brauchen wir auch in Zukunft die reine erkenntnisorientierte Grundlagenforschung. Sie ist genauso wichtig wie mögliche Anwendungsaspekte. Und wir brauchen eine noch stärkere Leistungsorientierung in der Forschung. Neben der bereits diskutierten leistungsorientierten Mittelvergabe gehören dazu eben auch die regelmäßigen Evaluationen. Vor allem brauchen wir noch mehr inter- und transdisziplinär angelegte Forschung und institutionenübergreifende Forschungsprogramme. Das heißt für unsere Forschungspolitik mehr Schwerpunktsetzung.

Ich will Ihnen dafür zwei schöne Beispiele nennen: In Konstanz führte die fakultätsübergreifende Forschungsund Lehrkultur dazu, dass die Geisteswissenschaften bei der Einrichtung von Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs ganz besonders erfolgreich waren. Die Universität Heidelberg hat in den Biowissenschaften mit dem Zentrum für Molekularbiologie, dem Biochemiezentrum und dem interdisziplinären Zentrum für Neurowissenschaften forschungsfreundliche Strukturen geschaffen, die dem Departmentsystem nachgebildet sind.

Die zuletzt genannten Einrichtungen sind übrigens ein deutlicher Hinweis auf einen wichtigen inhaltlichen Schwerpunkt, den wir ganz massiv betreiben werden, nämlich die Life-Sciences. Angesichts der unglaublichen Fortschritte in den Fächern Biologie, Medizin, Chemie und Physik weisen sie ein enormes Innovationspotenzial auf. Das hat dankenswerterweise auch seinen Niederschlag im Haushalt gefunden.

Jetzt wäre noch viel über neue Ideen zum Wissenschaftsund Technologietransfer zu sagen. Sie kennen unsere Bestrebungen. Wir werden insbesondere noch mehr für die Unterstützung von Existenzgründungen aus den Hochschulen und zur verstärkten Förderung der Patentierung und der Verwertung von Hochschulerfindungen tun. Nicht zuletzt durch diese Maßnahmen wollen wir sicherstellen, dass wir technologische Innovationen schneller realisieren können, um uns rechtzeitig an veränderte Marktbedingungen anzupassen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich so abschließen: „Die Ideen von heute sind die Taten von morgen“, hat Thomas Mann zu Recht gesagt.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Kennen Sie Thomas Mann?

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist doch der Möbelfabrikant aus Karlsruhe!)

Freilich sollten wir uns über die Schwierigkeiten der Umsetzung keine Illusionen machen.

Ich zitiere noch einen Schriftsteller, den Sie vielleicht weniger kennen; ich habe das Glück gehabt, ihn noch persönlich kennen zu lernen, Arthur Koestler, der eine hochinteressante Biografie hat. Arthur Koestler hat darauf hingewiesen: Alle großen Erfindungen, alle großen Werke sind das Resultat einer Befreiung, nämlich der Befreiung von der Routine des Denkens und des Tuns.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Die Kalendersprüche werden immer besser!)

Meine Damen und Herren, dieser Satz trifft mein Verständnis von Innovation und mein Bestreben, die Hochschulen dazu zu animieren, ihren Freiraum, der größer ist, als er je in der Geschichte war, für die Befreiung des Denkens und des Tuns vom bisher Gewohnten zu nutzen.