Protocol of the Session on February 3, 2000

Was Sie hier machen könnten, wären eine Imagekampagne nach dem Motto „Mann teilt Zeit“, um Männer dafür zu gewinnen, und gleichzeitig Beratungs- und Informationsangebote für die Firmen, die sich überlegen, wie sie ihre Arbeitsplätze familienfreundlich gestalten können, wie man Teilzeitarbeit so organisieren kann, dass sie mit den betrieblichen Erfordernissen übereinstimmt,

(Abg. Dr. Birk CDU: Wir können alles außer Er- ziehungsurlaub für Männer! – Zuruf der Abg. Ing- rid Blank CDU)

und wie man Familienauditierungsverfahren einleiten und unterstützen kann. All das wäre eine Kampagne wert. Für eine halbe Million Mark wäre sie auch sehr viel günstiger als die Imagekampagne der Landesregierung, die vor allem ihrem eigenen Ruhme dienen soll.

(Abg. Haas CDU: Die ist auch wichtig! – Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Hier könnten Sie etwas tun, damit das Motto Ihres Parteitagsantrags „Lust auf Familie“ Wirklichkeit wird. Andernfalls, meine Damen und Herren von der CDU, droht nur der Frust bei der Familie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Deswegen sage ich: Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Tatendrang in diesem Haushalt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Haas CDU: Trotzdem vielen Dank, Frau Bender! Sie waren um Längen besser als Herr Dr. Müller! – Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Noll.

(Abg. Haas CDU: Das war mir jetzt eine wesentli- che Zwischenbemerkung wert, Herr Präsident!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch am Ende des zweiten Tages der Haushaltsberatungen muss man einfach feststellen: Es läuft immer nach dem gleichen Strickmuster ab. Die einen malen alles schwarz, die anderen malen alles verständlicherweise in positiveren Bildern.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Und Sie? – Abg. Maurer SPD: Wozu gehören Sie? Jetzt bin ich gespannt!)

Aber das, Herr Müller, was Sie heute geboten haben, hat dem Fass den Boden ausgeschlagen.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Das sagen Sie auch jedes Mal!)

Da kann ich nur die Wertung von Herrn Haas unterstützen: Frau Bender, es war bemerkenswert, wie positiv Sie wahrgenommen haben, was wir tatsächlich verändert haben und welche Impulse wir gesetzt haben.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Man muss das Positive sehen; aber das andere müssen Sie auch hören!)

Ich finde das ganz toll. Das andere haben wir auch gehört, und da ist sicher das eine oder andere dabei, das man aufnehmen könnte.

Lassen Sie mich einmal aus gelber Sicht sagen: Unser Land steht nicht nur wirtschaftlich sehr gut da, auch die soziale Infrastruktur in unserem Land kann sich, denke ich, Herr Müller, sehen lassen. Gerade mit diesem Doppelhaushalt wird deutlich, dass Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig bedingen. Denn die schmerzhaften Eingriffe vergangener Jahre, die durch wirtschaftliche Rezession bedingt waren und die verständlicherweise auch zu einer Verschlechterung des Klimas zwischen Land und freien Trägern der Wohlfahrtspflege geführt haben, können dank guter Haushaltsdaten im anstehenden Doppelhaushalt weitgehend geheilt werden.

Ich denke, wir im Land können mit Fug und Recht behaupten: Wir sind verlässliche Partner der kommunalen und freien Träger in einem richtigerweise sehr stark auf Subsidiarität aufgebauten Sozialsystem.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kluck FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Nun hat Herr Müller ein totales Versagen in der Arbeitsmarktpolitik konstatiert und hat kritisiert, dass wir haushaltstechnisch richtigerweise keine Mittel für die Kofinanzierung der ESF-Mittel eingestellt haben.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Das erklärt Ihnen nachher Herr Nagel!)

Da sind Sie, Herr Müller, nicht nur auf einem, sondern auf beiden Augen blind. Sie müssen sich die Arbeitsmarktstatistik des Landes Baden-Württemberg anschauen, die Ihnen auch nicht entgangen sein dürfte. Da sind wir nämlich bundesweit Spitzenreiter und liegen in der Gegend von 6 %, was immer noch zu viel ist.

Ganz besonders erfreulich ist, denke ich, dass wir in Baden-Württemberg eine Lehrstellenbilanz haben, die sich wirklich sehen lassen kann, weil jeder ausbildungswillige und ausbildungsgeeignete Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommt, wofür wir den Betrieben hier im Land zu ganz herzlichem Dank verpflichtet sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Nagel SPD: Sind das die, die im BVJ sitzen? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Was ist mit den Frauen und den Langzeitarbeitslosen? Das ist ja unmöglich!)

Es gibt sogar umgekehrt in der Region Stuttgart auf dem Arbeitsmarkt einen Mangel an qualifizierten Bewerbern. Umso mehr, meine Damen und Herren, sind wir natürlich in der Pflicht, denen zu helfen, die aufgrund mangelnder Qualifikation, sozialer oder persönlicher Defizite keine Chancen auf den direkten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt haben. Hier müssen wir uns der Aufgabe stellen, Chancengerechtigkeit zu schaffen. Wir tun dies, indem wir die Mittel der Arbeitsförderung gezielt für die Förderung von Qualifikation sowie für die Förderung und Stärkung sozialer Kompetenzen einsetzen.

Darüber hinaus werden wir aufgrund der Empfehlungen der Jugendenquete im Jugendhilfebereich – das ist schon mehrfach gesagt worden – verstärkend 7,9 Millionen DM im Jahr 2000 und 6,73 Millionen DM im Jahr 2001 für Jugendsozialarbeit, für die Integration von Aussiedlern sowie für junge Menschen in extremen und sozialen Problemlagen einsetzen. Meine Damen und Herren, damit verbessern wir gerade für junge Menschen die Chancen gesellschaftlicher Teilhabe und des Einstiegs in ein selbst bestimmtes und selbst verantwortetes Leben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Auch wenn es nicht haushaltswirksam ist, denke ich, sollten wir auf das Einstiegsgeldmodell verweisen, das vom Land initiiert worden ist und das wir sehr unterstützt haben. Ich hoffe, dass wir bald mit ersten Ergebnissen rechnen können, in denen sich zeigt, dass durch dieses Einstiegsgeldmodell zusätzlich Chancen für gering Qualifizierte am Arbeitsmarkt geschaffen werden und dass als positiver Nebeneffekt vielleicht sogar Kosteneinsparungen zu verzeichnen sind.

Eine humane Gesellschaft, Herr Müller, die ihre soziale Verantwortung ernst nimmt, lebt, wie Sie richtig gesagt haben, vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Deshalb begrüßen wir die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements seitens des Landes. Dabei sehen wir die Aufgabe des Landes darin, Anstöße zu geben, Netzwerke zu knüpfen sowie Erfahrungs- und Informationsaustausch zu organisieren. Das eigentliche Engagement entwickelt sich allerdings vor Ort in den Kommunen, in Vereinen, in kulturellen, ökologischen oder sozialen Initiativen. Man könnte die Liste noch erweitern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, da vor Ort spielt die Musik, und da sollten wir viele Blumen blühen lassen.

(Abg. Nagel SPD: Blühende Landschaften! – Gegenruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP: Blühen- de Landschaften, jawohl!)

Nicht in den Stabsstellen spielt die Musik, sondern wirklich vor Ort.

Auch neue Formen eines projektorientierten Engagements auf Zeit – nicht auf Dauer – sind sicherlich wertvoll.

Uns Liberalen besonders wichtig ist ein Kernbereich bürgerschaftlichen Engagements, nämlich das Engagement in Selbsthilfegruppen.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Da habe ich nun wirklich den Verdacht, Herr Müller, dass Sie tatsächlich die Zeit der Beratung im Finanzausschuss verschlafen haben.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Wir haben nämlich genau in diesem Bereich auf unsere Initiative hin zusammen mit der CDU-Fraktion einiges zusätzlich bewegen können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Walter Müller SPD: Sie haben unsere Anträge nicht gelesen!)

Herr Müller, Selbsthilfe als unverzichtbares Element im Gesundheits- und Behindertenbereich braucht Rahmenbedingungen, die eine qualitative und quantitative Weiterentwicklung erlauben. Wir sind deshalb sehr froh, dass es gelungen ist, die vorgesehenen Mittel zur Förderung der Behindertenselbsthilfe und deren Verbände von 633 000 DM auf 663 000 DM pro Jahr aufzustocken.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Kluck FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Dr. Walter Müller SPD: 30 000 DM!)

Jetzt kann man sagen: Das ist noch immer zu wenig. Aber das ist immerhin etwas. Herr Müller, es ist immer so: Der Optimist sieht das Glas halb voll, während die Pessimisten es halb leer sehen. Ich sehe das Glas in dieser Hinsicht zu drei Vierteln voll. Sie sehen es womöglich ganz leer.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Ich sehe gar kein Glas! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Gegenruf des Abg. Haas CDU: Mit Fielmann wäre das nicht passiert! Gehen Sie einmal zu Fielmann, Herr Müller!)

Doch. Da steht eines. Ich sehe es ganz voll und trinke es zu einem Viertel leer.

(Der Redner trinkt aus seinem Glas. – Heiterkeit)

Die Förderung von Selbsthilfegruppen chronisch Kranker konnte von 420 000 DM auf 470 000 DM und die Förderung der Arbeitskreise Leben von 410 000 DM um 100 000 DM auf 510 000 DM erhöht werden.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Diese Zahlen, Herr Müller, müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Vielleicht sieht dann Ihr Blick auf den Sozialhaushalt doch ein bisschen freundlicher aus.

Dennoch sage ich: So erfreulich diese Zahlen sind, sehe ich es tatsächlich als Aufgabe des Landes und des Sozialministeriums an, ein Gesamtkonzept für die künftigen Strukturen der Selbsthilfeförderung in unserem Land zu entwickeln. Dies scheint mir umso dringlicher, als im Rahmen der unvermeidlich zu erwähnenden rot-grünen Rumpf-Gesundheitsreform den gesetzlichen Krankenkassen die Förderung von Selbsthilfearbeit mit bis zu 1 DM pro Versichertem ermöglicht werden soll. Wie viel Geld tatsächlich fließen wird, ist allerdings angesichts der Budgetproblematik und der Vorgabe der Beitragssatzstabilität schwierig zu prognostizieren.